Interview Johannes Steinhart: „Profil nachschärfen“

10.02.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Johannes Steinhart hat sich für 2024 viel auf seine Agenda genommen. Im Interview mit Sascha Bunda legt der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die zentralen Themen für das Superwahljahr fest.

Das Jahr 2024 hält mit EU-Wahl und Nationalratswahl zwei richtungsweisende Abstimmungen bereit. Wie bereiten Sie sich darauf vor? Zunächst ist für uns ganz wichtig, die politischen Parteien auf konkrete gesundheitspolitische Positionen festzunageln. Alle Ärzte müssen genau nachvollziehen können, was ihre Stimme für die zukünftige Ausrichtung bedeutet. Dazu arbeiten wir aktuell einen Fragenkatalog aus, den wir den Parlamentsparteien vorlegen werden. Für die EU-Wahl sind beispielsweise die Fragen essentiell, wie die drohende Konzernisierung gestoppt und wie dem internationalen Fachkräftemangel entgegengesteuert werden kann. Auf nationaler Ebene geht es um die Sicherung des freien Arztberufs und die Stärkung des solidarischen Gesundheitssystems.

Wie stehen Sie zur aktuellen Diskussion rund um das Thema Wahlärzte? Die SPÖ hat ja zuletzt Pläne präsentiert, wonach Wahlärzte als „ultima ratio“ gezwungen werden könnten, einen gewissen Prozentsatz an Kassenpatienten zu behandeln. Es ist ein großes Problem in der Gesundheitspolitik allgemein, dass komplexe Themen immer wieder auf aktionistische Forderungen zusammengestutzt werden, weil man die komplexen Maßnahmen scheut, die zur Lösung gesetzt werden müssten. Das Problem der gesunkenen Attraktivität der Kassenmedizin ist das Ergebnis jahrelanger Kostendämpfungspfade und leistungsfeindlicher Limitierungen und muss viel ernsthafter, grundsätzlicher und vor allem nachhaltiger angegangen werden. Statt über irgendwelche Zwangsmaßnahmen für die Angehörigen freier Berufe zu phantasieren, sind vielmehr ganz grundlegende strukturelle Verbesserungen nötig, wie die Aufwertung der Gesprächsmedizin, flexiblere Kassenverträge, Abbau von Bürokratie – dann werden wir auch wieder mehr Kassenärzte finden. Das wissen wir aus Befragungen unter Wahlärzten: Das Interesse an Kassenverträgen ist vorhanden, aber die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden. Auch in anderen Bereichen fehlt mir die Beschäftigung der Politik mit den fundamentalen Fragen.

Zum Beispiel? Grundsätzlich sollte die Gesundheitskompetenz allgemein gestärkt werden. Und wir benötigen Antworten im Hinblick auf eine bessere Patientensteuerung. Es ist für alle Beteiligten unbefriedigend, wenn Patienten frei wählen können, welchen Punkt der Gesundheitsversorgung sie anlaufen und dann mit Beschwerden, die dort nicht hingehören, in die Ambulanzen kommen. Die Patienten haben dort längere Wartezeiten, die Spitalsärzte leiden zunehmend unter Überlastung und insgesamt wird das System unnötig verteuert, was wiederum die Steuerzahler ausbaden müssen. Es muss hier also eine Lösung her und dafür müssen endlich die Grundsatzfragen beantwortet werden: Wie soll die Gesundheitsversorgung in Österreich aussehen? Was sind unsere Ziele?

Fragen, deren Antworten auch die Österreichische Ärztekammer brennend interessieren. Selbstverständlich, dazu hat die ÖÄK im Vorjahr einstimmig eine Resolution beschlossen, wie die Gesundheitsversorgung der Zukunft aus ihrer Sicht aussehen muss. In diesem Jahr werden wir unser Profil noch deutlich nachschärfen.

Wie wird das angegangen? Wir gehen der Politik mit gutem Beispiel voran und nehmen uns auf höchster Ebene Zeit für genaue Analysen und die Ausarbeitung von Lösungskonzepten. Die Österreichische Ärztekammer wird sich so noch stärker als Protagonist im Gesundheitssystem positionieren, der unmittelbare Expertise, Gestaltungswillen, Patienteninteressen und Handschlagqualität miteinander vereint. Unsere klaren Vorstellungen, wie die Versorgung der Zukunft aussehen soll, werden wir auch in einen Forderungskatalog an die neue Bundesregierung gießen.

Welche allgemeinen Forderungen haben Sie an die neue Bundesregierung? Ich wünsche mir einen Paradigmenwechsel in der Kommunikation: Einen offenen, regelmäßigen Austausch und die Einbindung der Ärzteschaft statt Ausbremsversuche. Die Bedenken und die Expertise jener, die tagtäglich Patienten behandeln, müssen ernst genommen werden. Wir sind jederzeit für einen konstruktiven Dialog bereit und bringen uns gerne mit konkreten Verbesserungsvorschlägen ein. Und darüber hinaus, nicht nur an die Regierung adressiert: Mehr Wertschätzung für die österreichische Ärzteschaft und für die Leistung, die sie an jedem einzelnen Tag für ihre Patienten erbringt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2024