Die Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK hat in Graz ihre Enquete-Serie mit dem Thema „Teilzeit im Spital – ein notwendiger Trend?“ fortgesetzt. In der Diskussion wurde herausgearbeitet, dass es Teilzeit- und Vollzeitmodelle nebeneinander geben muss – im Rahmen verbesserter Möglichkeiten.
Thorsten Medwedeff
„Es gibt heute kaum einen Trend, der so stark ist, wie jener zur Teilzeit“, eröffnete Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer Steiermark, das hochkarätig besuchte Event in der Seifenfabrik in Graz. Ein Trend, der auch durch die Demografie befeuert wird: Die Medizin wird zum Glück immer weiblicher, Frauen sind aber noch immer mehrheitlich hauptverantwortlich für die Familie zuständig. Damit steigt die Notwendigkeit nach Elternteilzeit. Und auch bei den Ärztinnen und Ärzten, die vor der Pension stehen, gibt es Tendenzen, in attraktiven Teilzeitmodellen auch über das Pensionsalter hinaus weiter zu arbeiten.
Aber wie kann dem entsprochen, wie kann der Versorgungsauftrag erfüllt werden, für den mehr Vollzeitkräfte in den Spitälern nötig wären? „Mehr zu arbeiten, wird und wurde unattraktiv gemacht – nicht zuletzt durch unser Steuersystem“, befand Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. „Das muss korrigiert werden. Wir haben die Verpflichtung, zumindest gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit alle auch wirklich gerne im System bleiben. Da helfen keine Phantasien von mehr Medizinstudienplätzen. Arbeit im Spital muss attraktiver werden. Die Leidenschaft für den Beruf ist teilweise verlorengegangen.“
Zu viele bürokratische und dokumentarische Aufgaben behindern die eigentliche ärztliche Tätigkeit – was auch zuletzt die Ausbildungsevaluierung deutlich gezeigt hat – und sorgen für Frustration. Dazu kommt, dass viel zu oft das vertraglich vereinbarte Stundenmaß, das durch das Krankenanstalten-Arbeitsgesetz (KA-AZG) geregelt ist, nicht eingehalten wird und so auch die Familienbetreuung und -planung torpediert wird. „Das gilt für Teilzeit wie für Vollzeit“, führte Kim Haas, Turnusärztevertreterin der Kärntner Ärztekammer aus. „Vereinbarte 30 Wochenstunden sind eben oft nicht 30 Stunden, sondern viel mehr – das ist auch dem Ärztemangel geschuldet. Dienste müssen besetzt werden, das ist oft nicht planbar, weil es kein Personal gibt.“
Wunsch nach stabiler Arbeits- und Lebensplanung
„Je instabiler die Arbeitsplanung, desto größer wird der Wunsch nach Teilzeit kommen“, konstatierte auch Anna Ritzberger-Moser, Sektionschefin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (Sektion II – Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat). Sie plädierte für die Möglichkeit, schneller und flexibler von Teilzeit auf Vollzeit „switchen“ zu können. Rupert Schreiner, Personalchef der NÖ-Landesgesundheitsagentur, unterstrich die Wichtigkeit der Dienstplanstabilität und dass es die Aufgabe des Arbeitgebers sei, diese zu gewährleisten. Dazu kommt die „Challenge Kinderbetreuung“, wie er es bezeichnete. Solange es keine an die Dienstzeiten angepasste Betreuung gebe, werde der Trend zur Teilzeit anhalten, da es heutzutage meistens keinen organisierten Großfamilienverbund mehr gebe, der dies auffangen könne, betonte Bundeskurienobmann Mayer: „Angebote zur adäquaten Kinderbetreuung sind ebenso ein Zeichen der Wertschätzung wie höhere Gehälter. Wenn es attraktivere Gehälter gibt, bekomme ich auch mehr Ärzte. Die Jungärzteschaft will nicht mehr so arbeiten, wie meine Generation. Es muss Anreize geben, sonst kommen sie nicht. Hier muss ein Umdenken im ganzen System stattfinden. Unsere Ärzte sind generell willig, viel zu arbeiten, aber nicht bedingungslos.“
Spitäler entlasten
Das Land Niederösterreich hat kürzlich ein neues Gehaltsmodell präsentiert, das Spitalsärzte in Vollzeit-Beschäftigung belohnt: dafür gibt es 1.000 Euro monatlich als Bonus. „Eigentlich sind Prämien für Kollegen, die mehr arbeiten, eine Hilfsleistung der Spitalsträger. Sie gleichen damit die Versäumnisse der vergangenen Jahre aus, in denen es verabsäumt wurde, Mehrarbeit zu attraktivieren und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen“, so Mayer. „Denn eigentlich ist Teilzeit auch eine Flucht vor der zu hohen Arbeitsbelastung.“
Die Lösung liegt für den ÖÄK-Vizepräsidenten auf der Hand und nennt sich „Patientenlenkung“. Diese ist auch im „Regierungsprogramm“ der Österreichischen Ärztekammer verankert, die den Parteien im Nationalrat vor der Wahl übermittelt worden war. Mayer: „Wir müssen Patienten mit den neuen Gegebenheiten konfrontieren. Vor 30 Jahren haben wir ihnen gesagt, kommt ins Spital, wir sind immer für euch da. Jetzt sind wir zwar immer noch für sie da – aber die Arbeitsbelastung und Bürokratie ist gestiegen und das Angebot im niedergelassenen Bereich wird schlechter. Daher kommen sie sogar vermehrt zu uns. Das muss im Zusammenspiel zwischen extramuralem und intramuralem Bereich endlich reguliert werden. Nur so können die Spitalsambulanzen entlastet werden.“
Online-Umfrage unter allen angestellten Ärztinnen und Ärzten läuft – jetzt noch teilnehmen! Seit 6. Dezember läuft eine Online-Umfrage der BKAÄ unter allen angestellten Ärztinnen und Ärzten unter Leitung des Instituts für Markt- und Sozialanalysen (IMAS). Ziel ist es, aktuelle Themenbereiche abzufragen und auch, einen Vergleich zu den Ergebnissen der letzten Befragung von 2019 herzustellen und Entwicklungen und Trends zu analysieren. Die Fragen drehen sich u.a. um die wöchentliche Arbeitszeit, die anfallende Belastung durch administrative Tätigkeiten, die Anzahl der Nachtdienste, die zu leisten sind, die Größe der jeweiligen Abteilung aber auch um die persönliche psychische und physische Belastung in der Arbeit. Weitere Themenschwerpunkte sind „Gewalt und Bedrohung am Arbeitsplatz während der ärztlichen Tätigkeit“ und welche Entwicklungen im Gesundheitswesen als dringendes Problem betrachtet werden. Die Umfrage läuft noch bis 6. Jänner 2025, alle Teilnahmeberechtigten haben von ihrer Landesärztekammer einen persönlichen Online-Link zugeschickt bekommen und können auch Verbesserungswünsche deponieren.
Verlässlicher Partner der Politik
Für alle diese Herausforderungen ist man bereit, betonte der ÖÄK-Vizepräsident, für eine optimale Gesundheitsversorgung mit der Politik und mit der noch zu bestimmenden neuen Spitze im Gesundheitsministerium zusammenzuarbeiten: „Wir wünschen uns einen verlässlichen Partner als Gesundheitsminister, der die Standesvertretung nicht als Feindbild sieht, sondern als Partner, der bereit ist, im System mitzuarbeiten – schließlich wissen wir, was unsere Ärztinnen und Ärzte wollen, weil sie es uns früher erzählen als der Sozialversicherung oder dem Dienstgeber. Wir sind bereit, mitzuarbeiten und mitzugestalten. Wir brauchen eine Gesundheitsversorgung, die so funktioniert, dass es der Bevölkerung besser geht und dafür braucht es auch ausreichend Arbeitskräfte – in der Ärzteschaft, in der Pflege und auch bis hin zur Küche im Krankenhaus.
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2024