BKAÄ-Enquete: Teilzeit im Spital – Interview Kim Haas: Mission Logistik

24.10.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK veranstaltet am 12. November in Graz eine Enquete mit dem Titel „Teilzeit im Spital – ein notwendiger Trend?“. Kim Haas, Turnusärztevertreterin der Kärntner Ärztekammer, und selbst Mutter von zwei Kindern, spricht im Interview mit Thorsten Medwedeff über die Herausforderungen, die das Teilzeit-Arbeiten im Spital mit sich bringt und warum sie ihre Familie als „Logistikzentrum“ bezeichnet.

Bevor wir zu den Herausforderungen in Sachen Teilzeit im Spital kommen – in welchem Ausmaß arbeiten Sie derzeit, und wo? Kim Haas: Aktuell arbeite ich 75 Prozent im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, das sind 124 Stunden pro Monat. Ich habe zwei kleine Kinder, der ältere Bub ist jetzt dreieinhalb und meine kleine Tochter eineinhalb Jahre alt. Das klingt nach einem ordentlichen Spagat in Sachen Work-Life-Balance. Wie ich das mit meinem Mann alles unter einen Hut bekomme, ist wirklich eine gute Frage. Ich liebe meine Kinder. Aber ich liebe auch meinen Beruf. Und ich habe in beiden Lebenssektoren sehr große Ansprüche an mich selbst. Meinen Kindern möchte ich eine gute Mutter und nicht zu viel abwesend sein, aber auch in meinem Job will ich mein Bestes geben und so viel Wissen und Fähigkeiten anhäufen wie möglich. Dass mein Mann selbstständig ist und dadurch seine Arbeitszeit ein wenig flexibler gestalten kann als andere, ist für uns als Familie sehr wichtig. Hinter unserem Alltag steckt aber trotzdem viel Logistik, manchmal nennen wir uns spaßhalber ‚Logistikzentrum Haas‘, wenn wir unsere Familienplanung besprechen. Aber die Möglichkeit, Teilzeit arbeiten zu können, hilft bei dieser Logistik? Natürlich ist das hilfreich. Alle, die ich kenne, die in Teilzeit im Spital arbeiten, tun dies aus familiären Gründen. Anders wäre es nicht zu schaffen.

Aber es gibt auch Einschränkungen durch die Teilzeit, was ist hier der schwerwiegendste Faktor? Was ich auch von Kolleginnen und Kollegen höre, beschäftigt viele vor allem der finanzielle Faktor. Die Kosten eines Familienhaushaltes mit Kindern sind mit jenen in kinderlosen Haushalten nur schwer zu vergleichen. Viele, die in Teilzeit arbeiten, vermissen ihre zuvor bei Vollzeit-Anstellung natürlich anfallenden Überstunden und deren Entlohnung. Ein finanzielles Polster anzulegen, ist wesentlich schwieriger.

Ein wichtiger Faktor ist die Zeit – wie steht es um die Einhaltung der Dienstpläne? Für mich ist jeder geschriebene Dienstplan verbindlich. Verbindliche Dienstpläne sind für mich persönlich ein ganz schwieriges Thema, weil es in meinen Augen absurd ist, dass man das so betonen muss. Wieso sollte man sich da nicht an einen vereinbarten Dienstplan halten? Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Je besser es in einem Team funktioniert, desto weniger sind Diensttäusche oder das Einspringen für eine erkrankte Kollegin oder einen Kollegen im Pflegeurlaub ein Thema.

Wieviel Zeit bleibt bei all diesen Herausforderungen noch für die Ausbildung im Spital? Die aktuelle Ausbildungsevaluierung hat ganz deutlich gezeigt, dass die Turnusärzte darüber klagen, dass durch bürokratischen Papierkram Stunden um Stunden – und daher wichtige Zeit für die Ausbildung – verloren gehen. Das empfinden Auszubildende genauso wie Ausbildner. Mixen wir Teilzeitmodelle dazu, wird die Ausbildung noch komplizierter. Teilzeitkräfte sind seltener da und können folglich nicht das Ausmaß an Fähigkeiten akquirieren oder es ist viel mehr Eigeninitiative nötig. Was aber in den vergangenen Jahren seit der Pandemie besser geworden ist, ist die Aufgabenverteilung zwischen Pflege und Jungärzten – zumindest kann ich das für Kärnten behaupten. Vielerorts haben die Ärzte in Ausbildung nun mehr Zeit für Patientenaufnahmen, Visiten und andere Untersuchungen oder medizinische Eingriffe. Leider ist parallel dazu der bürokratische Aufwand für die Ausbildner viel mehr geworden.

Wie sieht aktuell die Situation auf dem Gebiet der angebotenen Kinderbetreuung – ein wichtiger entlastender Faktor – aus? Ein sehr schwieriger Punkt. Die meisten externen Kinderbetreuungsstellen starten Neuaufnahmen von Kindern im Herbst, sollte man aber ein Dezember-Kind haben, müsste man bis September für eine Eingewöhnung warten – oder sich eine Übergangslösung überlegen. Ein großes Plus wären betriebsinterne Kinderbetreuungsplätze, diese sind aber stark limitiert und sehr schwer zu bekommen. Die Kinderbetreuung ist eine logistische Rechenaufgabe, die aber vielen von uns bekannt ist und deren Erfolg auch davon abhängt, ob man zum Beispiel einen guten Support durch die Großeltern hat. Wenn man ein Teilzeitmodell nutzt, zeigt sich, dass dies Vorteile bringt und man einfach weniger Fremdbetreuung braucht.

Welche Verbesserungen wären wünschenswert, was die Kinderbetreuung, aber auch andere Bereiche betrifft? Wenn Kinder in die Betreuung auch während des Jahres quereinsteigen könnten, wäre das schon super. Gleiches gilt für mehr betriebsinterne Plätze, bei denen die Betreuung auch auf die Arbeitszeit der Eltern abgestimmt ist. Über das Thema Pflegeurlaub und die dafür vorgesehenen Tage pro Jahr sollte man definitiv reden und einen Ausbau andenken. Das wäre entlastend für die angestellten Eltern, die oft normale Urlaubstage für die Pflege der kranken Kinder aufwenden müssen, da ihr Pflegeurlaubs-Kontingent verbraucht ist.

Und was wäre in Sachen Teilzeit generell noch wünschenswert? Ich fände es wichtig, noch mehr Flexibilität bei der Stundeneinteilung zu ermöglichen. Dass man nicht zu viele 24-Stunden-Dienste machen sollte, ist klar, aber auch die ‚regulären‘ Arbeitstage und Dienste noch etwas individueller gestalten zu können, das wäre toll. Dies funktioniert leider nicht überall einheitlich. Außerdem sollte Vollzeit mit 100 Prozent auch wirklich 100 Prozent bedeuten. Leider sind es oft von Haus aus 130 oder sogar 140 Prozent. Ich würde auch vermuten, dass dann einige Kolleginnen und Kollegen vielleicht sogar wieder auf Vollzeit umsteigen würden – wenn die vereinbarte Arbeitszeit eingehalten werden könnte.

Was kann die Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK dafür tun? Die BKAÄ pocht seit Jahren auf die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (Anm.: KA-AZG) ohne versteckte Überstunden, allein, die Realität sieht leider vielerorts anders aus. Hier müssen und werden wir weiter dranbleiben. Und auch, daran, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für attraktives Arbeiten im Spital zu schaffen, auch in Teilzeit. Und die Bedingungen zu schaffen und einzufordern, um auch in Teilzeit effizient und lehrreich arbeiten zu können. Ich bin guter Dinge, dass wir hier etwas vorantreiben können.


Im Rahmen der Enquete am 12. November in Graz (16:30 Uhr, Seifenfabrik/ Extraktionshalle/Heizhaus, Angergasse 43) möchte die Bundeskurie angestellte Ärzte die wichtigsten Facetten rund ums Arbeiten im Spital mit hochkarätigen Stakeholdern aus dem Gesundheitswesen, aus Politik, Arbeitsrecht, Wirtschaft und Ärzteschaft, aber auch mit dem interessierten Publikum diskutieren. Die Teilnahme ist kostenfrei. Wir bitten aber um Anmeldung unter pressestelle@aerztekammer.at. Die Diskussion wird auch online unter dem Link: https://aerztekammer.go4live.at/live gestreamt. Das Publikum kann also live vor Ort und online aktiv mitdiskutieren und auch im Web Fragen stellen.
Optional wird von 16-20 Uhr eine Kinderbetreuung angeboten – bei Bedarf bitte um verbindliche Anmeldung unter bkaae@aerztekammer.at bis spätestens 31. Oktober 2024.

Programm:
16:30 Uhr/Eröffnung & Begrüßung:
– Dr. Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer Steiermark
– Dr. Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte

Impulsvorträge
– Dr. Karlheinz Kornhäusl, Gesundheitslandesrat der Steiermark
– SC Dr. Anna Ritzberger-Moser, Sektionschefin der Sektion II (Arbeitsrecht) im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft

Podiumsdiskussion – Moderation: David Lackner

– Dr. Elisabeth Bräutigam, Vorständin für Medizin und Pflege der Landesgesundheitsagentur (LGA) in Niederösterreich
– Dr. Kim Haas, Turnusärztevertreterin der Ärztekammer Kärnten
– Dr. Harald Mayer, Dr. Karlheinz Kornhäusl, SC Dr. Anna Ritzberger-Moser
18:30 Uhr/Networking und Flying Buffet


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2024