BKAÄ-Enquete „1450“: Gemeinsame Vision

10.06.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Enquete „1450 – das Heilmittel für die Spitäler?“ der Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK war eine Punktlandung: Die große Zuschauerresonanz im bis auf den letzten Platz gefüllten Presseclub Concordia zeigte nur zu deutlich, wie wichtig Thema Patientenlenkung ist, um unser Gesundheitssystem vor einem möglichen Kollaps zu bewahren.

Thorsten Medwedeff

Ohne verbindliche Patientenlenkung wird das Gesundheitssystem nicht mehr lange so weiterfunktionieren können. Darin waren sich die Gastgeber Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, Katharina Reich (Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit im Gesundheits- und Sozialministerium), Edith Bulant-Wodak (kaufmännische Leiterin der ELGA GmbH) und David Reif, Leiter 1450 Gesundheitsberatung Wien, schnell einig.

Letzterer zeigte in seinem Impulsvortrag auf, was 1450 in Wien zu leisten imstande ist: Durch Anrufe bei 1450 werden 85 Prozent der Patienten – die ansonsten möglicherweise eine Spitalsambulanz aufgesucht oder die Rettung gerufen hätten – in andere Versorgungsstrukturen umgeleitet. Reif: „Damit bleiben nur die wirklich wichtigen Rettungsausfahrten übrig.“ Stellt sich im Gespräch heraus, dass ein Termin bei einem niedergelassenen Hausarzt nötig ist, „können wir direkt und rasch Termine bei jener Primärversorgungseinheit buchen, die für den Betroffenen am nächsten liegt“, so Reif, der in der 1450 Gesundheitsberatung Wien aktuell 160 Mitarbeiter beschäftigt.

Eine weitere Möglichkeit, die derzeit forciert wird, ist die telemedizinische Videoberatung – auch hierfür können nach der Gesundheitsberatung, die von speziell ausgebildeten diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegern durchgeführt wird und die nach vorgegebenen Protokollen abläuft, fixe Termine angeboten werden. „Mit allen diesen Maßnahmen entlasten wir die Spitäler und die Berufsrettung. 1450 wirkt“, fasste Reif zusammen.

Der richtige Anlaufpunkt

Diese durch 1450 vorgegebene Zielsteuerung, das Lenken der Patienten zum „best point of service“, ist jene Vision, bei der sich auch die Vertreter der Österreichischen Ärztekammer, des Gesundheitsministerium und der ELGA GmbH einig zeigten. „Wir müssen zunächst den Patienten in den Fokus der Betrachtung setzen und wenn dieser leicht zu seinem best point of service kommt, dann werden auch der Arzt oder andere Gesundheitsberufe optimal eingesetzt. Es muss Entlastung ins System – für die Patienten, aber auch für alle anderen, die beteiligt sind“, unterstrich Katharina Reich. „Es muss der Zustand her, dass 1450 ein ‚No-Brainer‘ ist. Ich rufe dort an und weiß, was ich dort alles bekomme.“

1450 muss in den Köpfen der Österreicher als erste Anlaufstelle etabliert werden – natürlich österreichweit. Aber so weit wie Wien ist man momentan offenbar noch nirgendwo. Der Präsident der Ärztekammer Tirol, Stefan Kastner, betonte aus dem Auditorium: „Wenn 1450 im Jahr 2030 bei uns in Tirol so ausschaut wie jetzt in Wien, wäre ich glücklich.“ Damit das gelingt – Reich legte den Zeitrahmen etwas kürzer an – „müssen wir den Menschen klarmachen, warum sie bei 1450 anrufen sollen, nämlich um den besten Zugang ins Gesundheitssystem zu bekommen. Und wir müssen es schaffen, dass 1450 nicht mehr als Corona-Hotline, sondern als Gesundheitshotline gesehen wird. Die Österreicher müssen wissen, was 1450 alles kann. Hier müssen wir gemeinsam ansetzen“, forderte Bulant-Wodak.

Dem stimmte auch BKAÄ-Obmann Harald Mayer zu: „Der Österreicher ist es nicht gewohnt, sich an fremdgesteuerte Regeln zu halten, daher müssen wir den Patienten beibringen und lernen, dass 1450 der richtige Einstieg ins System ist, damit sie ohne Umwege und schnell zum best point of service kommen. Und es müssen auch alle Daten von 1450 in der ELGA vorhanden sein. Wenn ein Patient ins Spital kommt, muss der Arzt auf einen Klick wissen, warum – ohne dass er nochmal alle Daten erfassen muss. Das wäre ungeheuer hilfreich.“

„Wir werden eine komplette ELGA-Anbindung bewerkstelligen, darauf arbeiten wir hin“, versprach ELGA-Geschäftsführerin Bulant-Wodak. Als Vorbild wurde im Rahmen der Enquete mehrfach die Umsetzung in den baltischen Ländern genannt, auch in kleinen Ländern wie Estland funktioniere die Datenverfügbarkeit in wenigen Sekunden. Dazu müsse natürlich auch der niedergelassene Bereich mit eingebunden werden. „Wir müssen wissen, was dort passiert, Stichwort Diagnosedokumentation“, erklärte Reich. „Die Diagnosedokumentation ist eine extrem wichtige Informationsquelle.“ Ziel ist es, die Dokumentation lückenlos in die Elektronische Gesundheitsakte einfließen zu lassen, „damit wir, wenn dann ein akutes oder chronisches Problem besteht, ganz genau sehen, seit wann der Patient in Behandlung ist, und so weiter. Das ist noch der Missing Link.“

Im Interesse aller Beteiligten

Damit 1450 und die damit verbundene Patientenlenkung optimal – und künftig österreichweit – funktioniert, müssen alle im Gesundheitssystem beteiligten Dienstleister mitmachen, betonte der ebenfalls im Auditorium anwesende ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle. Das unterstrich auch Harald Mayer: „Je besser das läuft und etabliert ist, desto mehr werden alle mitmachen. Etwa die Spitäler: Die Spitalsbetreiber müssen ja ein unendliches Interesse daran haben, weil ihre Mitarbeiter zufriedener sein werden. Jeder, der Medizin studiert, weiß zwar, auf was er sich im Arztberuf einlässt. Aber wenn der Herzchirurg im Nachtdienst in die banale Wundversorgung abgleitet, dann hört sich der Spaß auf.“

Es sei jedenfalls klug, auf 1450 zu setzen und allen Bürgern in Österreich das gleiche Basispaket anzubieten, so das finale Commitment der Expertinnen und Experten. Dazu braucht es die passende IT, die passenden Prozesse, die Anbindung an ELGA, aber auch die Ressourcen, wohin man die Patienten auch wirklich lenken kann. Bulant-Wodak gab zu bedenken: „Wenn wir Terminversprechen nicht halten können, dann haben wir verloren.“ Dazu muss jetzt ein funktionierendes System her, das für die Patienten, aber auch für jene, die diese behandeln, optimal passt – daran mitzuarbeiten, dazu gab es von allen Seiten ein klares Bekenntnis. Reich: „Sinnlose Ambulanzbesuche müssen aufhören. Das wollen wir sehen und messen und schließlich erlebbar machen.“ Und Mayer ergänzte: „Damit das gelingt, müssen wir jetzt gemeinsam weitertun, ein österreichweit identes System mit allen Daten und flächendeckend Videokonsultationen anbieten. Dem Patienten ist es – bei manchen Krankheiten – völlig egal, in welchem Bundesland der Arzt, der mit ihm spricht, sitzt. Hauptsache, wir können unseren Patienten rasch helfen und entlasten damit die Spitäler.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2024