Interview Wolfgang Grisold – Ärztliche Fortbildung: „Angebot wird flächendeckend angenommen“

25.06.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Wolfgang Grisold, Leiter des Akkreditierungsrates für Fortbildungen des DFP (Diplom-Fortbildungs-Programm), spricht im Interview mit Sophie Niedenzu über die klare und strikte Trennung der Rollen von Anbietern und Sponsoren, medizinische Bildung als wichtige Erweiterung der ärztlichen Tätigkeit und über digitale Fortbildungsmöglichkeiten.

Sie sind neuer Leiter des Akkreditierungsrates für DFP-Fortbildungen – was haben Sie sich in dieser Funktion vorgenommen? Das System der DFP-Fortbildung ist beispielhaft und hat sich über mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte etabliert. Es basiert auf dem gemeinsamen Willen vieler Institutionen zum DFP beizutragen, und daraus hat sich ein unglaublich reichhaltiges und hoch qualitatives Angebot an Fortbildungen entwickelt. Das Ziel des Akkreditierungsrates ist es, die Qualität der Anbieter und das Angebot nicht nur zeitgemäß, sondern auch qualitativ weiter zu stärken und zu verbessern.

Welche Stärken sehen Sie in der unabhängigen, qualitätsgesicherten Fortbildung in der Ärzteschaft in Österreich? Die ärztliche Fortbildung (CME/CPD) ist ein wichtiger Teil der ärztlichen Tätigkeit und begleitet den praktizierenden Arzt über seine gesamte Tätigkeit. Verglichen mit der wichtigen, aber relativ kurzen Zeit der Ausbildung (6 Jahre) erstreckt sich der Zeitraum von CME über die gesamte berufliche Tätigkeit, also mehr als 30 Jahre, und hilft, die ständigen Entwicklungen der Medizin für alle Ärzte in transparenter und nachvollziehbarer Weise aufrecht zu erhalten. Die Auswahl und Qualitätssicherung der Fortbildung muss unabhängig und unter ärztlicher fachlicher Kontrolle sein.

Was heißt das konkret? Unabhängig heißt in diesem Fall frei von industriellem Einfluss, aber auch potentielle Interessenkonflikte müssen dabei berücksichtigt werden. Um möglichst qualitätsvolle Anbieter auszuwählen, bemühen sich der Akkreditierungsrat und die Österreichische Akademie der Ärzte um eine Prüfung der Zulassung anhand transparenter Kriterien. So wurden beispielsweise über die Jahre jene Anbieter, welche nicht regelmäßig Fortbildungen anbieten, einer Revision unterzogen und gegebenenfalls der Status der Akkreditierung wieder aufgehoben. Eine wichtige Rolle spielt auch die Qualitätssicherung durch Landesärztekammern für regionale Fortbildungen und die sogenannten DFP-Approbatoren, die jeweils für ihr Sonderfach beziehungsweise Allgemeinmedizin und sonstige Fortbildung die entsprechenden Anträge bewerten. Durch dieses Zusammenspiel ist die Qualität im DFP meines Erachtens außerordentlich hoch. Gleichzeitig ist es unser Bestreben, schwierige Inhalte noch besser zu identifizieren und in diesen Fällen die Sinnhaftigkeit der DFP-Punkte zu hinterfragen.

In diesem Zusammenhang ist auch das Positionspapier über die Erfolgsfaktoren unabhängiger DFP-approbierter Fortbildung für Ärzte zu nennen. Dieses vertieft und ergänzt in der Verordnung über ärztliche Fortbildung festgelegte Standards zum Sponsoring, wie beispielsweise die klare und strikte Trennung der Rollen von Anbietern und Sponsoren sowie die Notwendigkeit eines schriftlichen Sponsoringvertrages.

Sie engagieren sich auch über die Grenzen hinaus, unter anderem für die Weiterentwicklung europäischer Richtlinien im Bereich der EACCME (European Accreditation Council for Continuing Medical Education, zuständige Organisation für die Approbation/Zertifizierung ärztlicher Fortbildungsaktivitäten in Europa, Anm.) – welche Visionen haben Sie? Die EACCME, bei der Österreich auch Mitglied ist, hat ein europaweites weitreichendes System für ärztliche Fort- und Weiterbildung. Gemeinsam mit den ständigen Entwicklungen der EACCME ist es auch das Ziel, Österreichs Fort- und Weiterbildung auf dem letzten Stand zu halten beziehungsweise im Austausch mit internationalen Organisationen auch auszubauen. Medizinische Bildung soll leicht zugänglich sein, interessante Themen enthalten und von den Teilnehmern nicht nur als Pflicht, sondern als wichtige Erweiterung ihrer ärztlichen Tätigkeit gesehen werden. Mitarbeit und Gemeinsamkeiten mit der EACCME sind wichtig und ermöglichen einerseits die Anerkennung von Aktivitäten innerhalb Europas, andererseits auch mit Nordamerika, wie der American Medical Association (AMA) und dem Royal College of Physicians and Surgeons of Canada.

Wie steht Österreich – verglichen mit anderen Ländern – bei der qualitätsgesicherten Fortbildung in der Ärzteschaft da? Das Diplom-Fortbildungs-Programm und die technische Infrastruktur, die von der Österreichischen Akademie der Ärzte bereitgestellt wird, sind aus meiner Sicht in Österreich vorbildlich, und das Angebot wird von den Ärzten flächendeckend angenommen – das ist keine Selbstverständlichkeit und dokumentiert das Interesse und Engagement der Ärzteschaft. Für die Zukunft ist es wichtig, die Kriterien für Fortbildungsanbieter und -angebote konsequent zu definieren, insbesondere um jedweden industriellen oder anderen Einfluss zu minimieren, welche den Inhalt der Fortbildungen beeinflussen könnten.

Welche Qualitätskriterien gelten für Fortbildungen in Österreich? Die Qualitätskriterien sind von der Österreichischen Ärztekammer definiert, wobei die Österreichische Akademie der Ärzte hier die operative Rolle einnimmt. Der Prozess beinhaltet mehrere Stufen: Die Zulassung einer Institution als Fortbildungsanbieter ist der wichtige erste Schritt. Diesbezüglich hat sich der Akkreditierungsrat bemüht, klare Kriterien für den Zugang neuer Anbieter zu erstellen. Im nächsten Schritt muss auch die Fortbildung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit sie für das DFP approbiert werden kann. Sie muss gemäß der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung gestaltet und an der Verbesserung der medizinischen Versorgung zum Wohle der Patienten orientiert sein. Als Vortragende und Autoren können Ärzte oder Experten des jeweiligen Fachbereichs mitwirken, wobei beim Fortbildungsinhalt der aktuelle Stand der medizinischen Didaktik zu berücksichtigen ist. Weiters ist DFP-Fortbildung frei von wirtschaftlichen Interessen zu halten. Die Einhaltung dieser Kriterien wird im Rahmen der DFP-Approbation geprüft. Die Akademie führt jährlich eine stichprobenartige Evaluierung der Fortbildungsanbieter durch, die auch eine Überprüfung der Qualität und Durchführung einzelner Fortbildungen beinhaltet. Das bezieht sich auf Durchführung und Inhalte.

Gibt es Meilensteine im Bereich der ärztlichen Fortbildung, die die Qualität gesteigert haben? Historisch betrachtet war die Definition des DFP-Systems, in einem festgelegten mehrjährigen Fortbildungszeitraum eine bestimmte Anzahl an DFP-Punkten in einer bestimmten Zusammensetzung zu erreichen, der erste wichtige Meilenstein. Dieses System lief viele Jahre reibungslos. Eine gravierende Veränderung brachte dann die ärztegesetzliche Fortbildungsverpflichtung mit sich, die seit 2016 überprüft wird. Dieser Wandel von einem freiwilligen Bekenntnis hin zu einer straffen Verbindlichkeit war eine einschneidende Entwicklung – sowohl für Ärzte als auch für die zahlreichen Fortbildungsanbieter. Zuletzt brachte die COVID-19-Pandemie große Auswirkungen mit sich, die nachhaltig wirken werden. Fortbildung war plötzlich auch virtuell möglich. Aus der Not der fehlenden Fortbildungsprogramme haben sich zahlreiche neue Alternativen gebildet, welche attraktiv und auch besser zugänglich waren. Als Beispiel nehme ich Webinare, die neben dem Vorteil der Online-Tagung auch gute Kommunikationsmöglichkeiten bieten und dem Zuhörer auch optimale Bildqualität der dargebrachten Vorträge garantieren.

Inwiefern spielt die Digitalisierung in der Medizin eine Rolle für die Fortbildungsprogramme? Die Digitalisierung nimmt in allen Lebensbereichen rasant zu und ist bereits jetzt ein fester Bestandteilteil der ärztlichen Fortbildung. Live-Veranstaltungen bleiben beliebt und haben viele Vorteile wie Interaktion, Networking und soziale Aspekte, aber der zeitliche und finanzielle Aufwand ist wesentlich größer. Das betrifft die Teilnehmer, aber auch die Anbieter: Die Organisation von Kongressen und Tagungen ist durch hohen organisatorischen und finanziellen Einsatz gekennzeichnet und verliert durch reduzierte industrielle Zuwendungen an Attraktivität. Hier kommt der Digitalisierung eine besondere Bedeutung zu, die sich als Nebeneffekt der Pandemie entwickelt hat. Online-Kongresse, Webinare oder Fortbildungen wie DFP-Fachartikel in diversen Medien können Wissen bedarfsgerecht vermitteln und sind finanziell gesehen wesentlich günstiger gestaltbar. Ich bin der Ansicht, dass es aber immer einen Mix geben wird, denn beide Varianten haben ihre Berechtigung.

Weitere Informationen rund um ärztliche Fortbildung, DFP und den aktuellen Fortbildungsbericht 2023 finden Sie unter www.arztakademie.at/dfp.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2024