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24.11.2023 | Medizin

Erhöhtes Multi­Krankheitsrisiko durch hochverarbeitete Lebensmittel
Der vermehrte Konsum von Ultra processed foods (UPF) und künstlich hergestellten gesüßten Softdrinks geht mit den deutlichsten Zunahmen der Multimorbiditäts-Wahrscheinlichkeit einher. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschafter um Reynalda Córdova vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. Die europäische Forschungsgruppe wertete dafür Daten aus der „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“­Erhebung (EPIC) aus. Dabei wurden zwischen 1992 und 2000 insgesamt 266.666 Menschen aus Europa (ohne Österreich) über ihre Ernährung und den Lebensstil befragt. Auch die Genetik, Umweltrisikofaktoren, Krebs und andere Erkrankungen wurden erhoben. Die Männer nahmen täglich durchschnittlich 413 Gramm, die Frauen 326 Gramm hochverarbeitete Lebensmittel zu sich. Rund elf Jahre nach der Erhebung berichteten 4.461 Teilnehmer über Multimorbiditäten wie Krebs, Erkrankungen des Herz­/Kreislaufsystems sowie kardiometabolische Erkrankungen. Das Risiko dafür stieg ab einem Verzehr von Ultra processed foods von rund 260 Gramm pro Tag. Kein erhöhtes Risiko zeigte sich bei stark verarbeiteten Getreideprodukten wie Brot oder pflanz­lichen Alternativen zu tierischen Produkten. APA/The Lancet Regional Health – Europe

Langeweile steigert Kalorienzufuhr bei Kindern
Gelangweilte Kinder nahmen bei einem Experiment innerhalb von vier Minuten durchschnittlich um knapp 80 Prozent mehr Kilokalorien zu sich als Kinder in einer Kontrollgruppe. Das berichtet ein Forschungsteam um Prof. Claire Farrow vom Aston Institute of Health and Neurodevelopment in Birmingham. Rund 120 Kinder, die vier und fünf Jahre alt waren, wurden in Gruppen geteilt. Allen wurde mitgeteilt, dass sie ein Puzzle machen dürfen und danach ein kleines Geschenk bekommen. Die Kinder der „Langeweile­Gruppe“ mussten zunächst am Tisch sitzen und warten. Danach mussten sie nochmals warten, durften jedoch in diesen vier Minuten Snacks wie Kekse, Chips und Karottensticks essen oder sich mit Spielsachen beschäftigen, ehe sie mit dem Puzzle beginnen durften. Die Kinder der Kontrollgruppe durften sofort mit dem Puzzle beginnen; auch ihnen wurden Snacks bereitgestellt. Die Kinder der „Langeweile­Gruppe“ nahmen in vier Minuten durchschnittlich 42 Kilokalorien zu sich. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt, wenn die Eltern in ihrem Alltag regelmäßig Süßigkeiten einsetzten, um die Kinder zu beruhigen oder zu beschäftigen. „Dieses Emotional Feeding kann dazu führen, dass Kinder auch als Erwachsene später negativen Emotionen mit Essen begegnen“, warnt Claire Farrow. APA/Food Quality and Preference

Schlechtere Spermienqualität durch häufige Handy­Nutzung
Männer, die ihr Handy mehr als 20 Mal am Tag nutzen, haben rund ein Fünftel weniger Spermien pro Milliliter Ejakulat als Männer, die höchstens fünf Mal am Tag zum Handy greifen. Auf die Beweglichkeit und Morphologie der Spermien gab es keine Auswirkungen, sagen Wissenschafter um Rita Rahban vom Swiss Tropical and Public Health Institute sowie der Universität Genf. Sie untersuchten die Spermien von 2.886 Männern im Alter von 18 bis 22 Jahren, die zwischen 2005 und 2018 bei Militäraushebungen rekrutiert wurden. Die Männer beantworteten einen Fragebogen über ihre Lebensgewohnheiten, ihren Gesundheitszustand, wie häufig sie ihr Handy nutzen und wo sie es aufbewahren. Die mittlere Spermienkonzentration war in der Gruppe der Männer, die ihr Handy nicht mehr als fünfmal pro Woche verwendeten mit 56,5 Millionen/ml laut den Autoren signifikant höher als in der Gruppe der Männer, die ihr Handy mehr als 20 Mal pro Tag benutzen (44,5 Millionen/ml). Dies entspricht einen Rückgang der Spermienkonzentration um 21 Prozent bei häufiger Nutzung im Vergleich zu seltener Nutzung. APA/Fertility and Sterility 

Lokales Lipid­Gel bei Colitis ulcerosa
Mit einem speziell entwickelten Lipid­Gel können Medikamente bei Colitis ulcerosa direkt an die Darmwand appliziert werden. Für das Gel haben Wissenschafter um Prof. Paola Luciani vom Department für Chemie, Biochemie und Pharmazie Bern sowie des Instituts für Gewebemedizin und Pathologie der Universität Bern und des Universitätsspitals Zürich ein gut verträgliches Lipid gewählt, das bei Raumtemperatur flüssig und für den Einsatz am Menschen zugelassen ist. Als Einlauf formt es sich bei Körpertemperatur zu einem zähen klebrigen Gel, das für mindestens sechs Stunden haftet und den Wirkstoff nach und nach freigibt. In Versuchen wurden Mäuse mit einer Darmentzündung, die mit Colitis ulcerosa beim Menschen vergleichbar ist, mehrere Tage mit dem Gel behandelt. Das Gel war mit zwei entzündungshemmenden Substanzen, die für die Behandlung von schwerer Colitis ulcerosa beim Menschen zugelassen ist, beladen. Der Zustand der behandelten Mäuse verbesserte sich deutlich; sie verloren im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger Gewicht, wiesen bessere Entzündungswerte auf und die Entzündungszeichen in der Darmwand gingen zurück. APA/Nature Communications

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Chirurgen waren an der 21-stündigen Transplantation eines kompletten Auges im New Yorker Universitätskrankenhaus beteiligt. APA

Sexually transmitted Infections stark im Steigen
Mit 17 Millionen Meldungen im Jahr 2019 wurde europaweit ein Negativ­Rekord bei sexuell übertragbaren Krankheiten erreicht. Von 2010 bis 2019 stieg die Zahl der diagnostizierten Syphilis­Fälle bei den 15­ bis 49­Jährigen um 87 Prozent. Mit 1,5 Millionen HIV­Neuerkrankungen gab es doppelt so viele Fälle wie in den Jahrzehnten zuvor, berichten Assoc. Prof. Georg Stary und Katja Knapp von der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. Auch sei der europaweite Anstieg bei der Zahl der Chlamydien­Fälle und auch bei Gonorrhoe, Hepatitis B und Shigellose alarmierend. Die Ursachen für diese Entwicklung sehen die Wissenschafter darin, dass das Hochrisiko­Verhalten bei sexuellen Kontakten zunimmt (ungeschützter Sex mit wechselnden Partnern).  Unterstützt werde dies auch durch die effiziente präventive Strategie der HIV­Präexpositionsprophylaxe, was zum Verzicht von Kondomen führe und in der Folge zur weiteren Verbreitung von anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. APA/The Lancet Regional Health – Europe

Cannabidiol gegen Schmerzen: Wirksamkeit nicht nachgewiesen
Auch bei einer hohen Dosierung zeigt Cannabidiol (CBD) keine ausreichend nachweisbare Wirksamkeit gegen chronische Schmerzen. Wissenschafter um Sybille Pramhas von der Klinischen Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie der Universitätsklinik für Anästhesie Wien untersuchten dafür Frauen und Männer, die durchschnittlich 63 Jahre alt waren und aufgrund von Gonarthrose an starken Schmerzen litten. Eine Hälfte erhielt hochdosiertes Cannabidiol oral, die andere Hälfte ein Placebo. Nach acht Wochen zeigte sich bei CBD keine stärkere schmerzstillende Wirkung als bei Placebo. Diese Studie liefere erstmals „solide Informationen über das fehlende schmerzstillende Potential“ von CBD bei einer häufigen chronischen Schmerzerkrankung, so Pramhas. Und weiter: „Wenn dieses Potential schon bei hoch dosierter oraler Medikation nicht nachweisbar ist, so ist bei CBD­haltigen Schmerzmitteln zum Auftragen auf die Haut erst recht Skepsis angebracht“. APA/The Lancet Regional Health – Europe

Kurzfristiger Schlafentzug wirkt wie Antidepressivum
Der kurzfristige Schlafentzug zeigt im Tierversuch eine starke antidepressive Wirkung. Ein Team um Assoc. Prof. Yevgenia Kozorovitskiy vom Institut für Neurobiologie der Northwestern University führte bei Mäusen akuten Schlafentzug herbei. Nach einer schlaflosen Nacht wurden die Mäuse im Vergleich zu Kontrolltieren, die geschlafen hatten, aggressiv und hyperaktiv. Zwar verschwand dieser Effekt nach wenigen Stunden wieder, „ein antidepressiver Effekt wirkte aber noch mehrere Tage danach“, so die Studienautoren. Einerseits wurde während des akuten Schlafmangels in großen Mengen Dopamin ausgeschüttet; andererseits stellten die Wissenschafter die neuronale Plastizität im Gehirn der Mäuse fest. Wiederholte Verhaltenstests an Mäusen zeigten, dass dieser Effekt erst nach einigen Tagen abnimmt. APA/Neuron

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2023