Interview Alexander Moschen: Österreichisches Crohn-Colitis-Symposium „Neue Optionen als Herausforderung“

25.09.2023 | Medizin

Aus dem mittlerweile breiten Spektrum der Therapiemöglichkeiten bei Colitis ulcerosa gehe es darum, jeweils die für den Patienten am besten geeignete zu finden, betont Univ. Prof. Alexander Moschen im Vorfeld des 8. Österreichischen Crohn-Colitis-Symposiums, das Ende September in Bad Ischl stattfindet. Das Gespräch führte Martin Schiller.

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es bei der Behandlung von Colitis ulcerosa und M. Crohn? Bei der medikamentösen Therapie hat sich in letzter Zeit viel getan. Vergangenen Sommer wurde der JAK-Inhi-bitor Upadacitinib für mittelschwere bis schwere Colitis ulcerosa zugelassen. Vor einigen Wochen erfolgte nun auch die Zulassung für den Einsatz bei Morbus Crohn. Das ist wesentlich, weil die bisher zugelassenen Januskinase-Inhibitoren Tofacitinib und Abrocitinib ausschließlich bei der Behandlung der Colitis ulcerosa eingesetzt werden dürfen.

Gibt es abgesehen davon noch weitere Neuerungen? Interessant sind auch rezente Phase III-Studiendaten zum S1P-Rezeptor-Agonisten Etrasimod, der Nachfolgesubstanz von Ozanimod. Sie zeigen gute Effektivität und Verträglichkeit bei Colitis-ulcerosa-Patienten, weshalb mit einer Zulassung des Wirkstoffs im Jänner 2024 zu rechnen ist. Auch der monoklonale Antikörper Mirikizumab findet nun Eingang in die Behandlung. Der Wirkstoff wurde im Mai dieses Jahres als erster Interleukin (IL)-23p19-Inhibitor für die Therapie der Colitis ulcerosa zugelassen. Man sieht daran, wie groß die Therapiemöglichkeiten bei Colitis ulcerosa mittlerweile sind. Die Herausforderung ist nun, aus diesem breiten Spektrum jeweils die für den Patienten am besten geeignete Therapie zu finden.

Welche Ergebnisse aus der Mikrobiomforschung sind für chronisch entzündliche Darmerkrankungen relevant? Jüngere Studiendaten zeigen, dass es bei Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zur Anreicherung von Bakterien kommt, die im Darmgewebe einen proinflammatorischen Effekt ausüben. Auf der Suche nach einer Strategie zur Beseitigung solcher Bakterien könnten Bakteriophagen die Antwort sein. Im Zellmodell haben sie sich bereits als effektive Methode zur Unterdrückung der Inflammation erwiesen. Nun gilt es festzustellen, ob diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind.

Welche Neuerungen gibt es hier sonst noch? Die Ergebnisse einer weiteren rezent publizierten Reizdarmstudie könnten sich auch für CED-Patienten als relevant erweisen. Hat ein Patient Beschwerden und es besteht der Verdacht auf einen neuerlichen Krankheitsschub, muss der Gastroenterologe unterscheiden, ob der Schub durch die Entzündung oder durch funktionelle Beschwerden beziehungsweise reizdarm-ähnliche Symptome bedingt ist. Die Studie hat nun gezeigt, dass bestimmte Arten von Darmbakterien Histamin produzieren. Dieses rekrutiert bestimmte Zelltypen wie Mastzellen, die dann für Schmerzempfindlichkeit im Darm verantwortlich sind. Lässt sich dieser Mechanismus in weiteren Studienreihen auf CED übertragen, dann bietet sich vermutlich eine bessere Interventionsmöglichkeit bei Patienten, deren akute Beschwerden nicht ausschließlich auf Entzündung beruhen.

Welche weiteren Neuerungen gibt es noch in diesem Bereich? Bestimmte Gruppen von Darmbakterien sind besonders gut mit Enzymen ausgestattet, die für den Abbau von Arzneimitteln eine wichtige Rolle spielen. Auch dabei handelt es sich um rezente Studienergebnisse. Das könnte ein weiterer Erklärungsansatz sein, wieso manche Arzneimittel im Lauf der Zeit an Wirksamkeit einbüßen. Das Wissen um diese Bakteriengruppen könnte künftig dabei helfen, Strategien gegen solche vom Mikrobiom ausgehenden Resistenzmechanismen zu entwickeln.

Welche Rolle spielen eosinophile Erkrankungen als Differentialdiagnose von Colitis ulcerosa? Man muss zunächst festhalten, dass Erkrankungen aus diesem Formenkreis auch im Gastrointestinaltrakt auf dem Vormarsch sind. Die Hygienetheorie könnte hierfür ebenso als Erklärungsmodell dienen wie Belastungen durch Umweltbedingungen und Nahrungsmittelbestandteile, die vielleicht zu einer gewissen Sensibilisierung führen. Die bedeutendste eosinophile Erkrankung des Verdauungssystems ist zwar die eosinophile Ösophagitis. Aber es wurde auch schon eine eosinophile Beteiligung bei Beschwerden des Magens, des Dünndarms und des Dickdarms nachgewiesen. Solche Zellen findet man auch beim Colitis ulcerosa-Patienten, sie sind sogar relativ typisch. Entscheidend für die korrekte Diagnose ist die Frage, welche Wandschichten betroffen sind. Bei Colitis ulcerosa sind das im Wesentlichen die Mukosa und die Submukosa, bei einer eosinophilen Erkrankung können auch die Muskelschichten und die Adventitia betroffen sein. Im Fall der Muskelschicht wäre das Hauptsymptom meist nicht der Durchfall, sondern eine Motilitätsstörung in Form einer Passagestörung sowie Bauchschmerzen. Sind die Verschiebehäutchen betroffen, kann sich ein eosinophiler Aszites entwickeln. Dann wird es kritisch. Insgesamt muss man bei Eosinophilie im Hinblick auf Differentialdiagnosen aber auch immer an eine Parasiteninfektion denken, denn die Typ-2-Immunreaktion, die dabei auftritt, diente dem Menschen ganz ursprünglich als Abwehrreaktion auf Würmer und Parasiten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2023