Herz­in­suf­fi­zi­enz: The­ra­pie und Trai­ning wirken

26.05.2023 | Medizin

In die US-ame­ri­ka­ni­schen Leit­li­nien haben die guten Stu­di­en­ergeb­nisse von SGLT2-Hem­mern bei Herz­in­suf­fi­zi­enz Ein­gang gefun­den. Und es gibt eine klare Emp­feh­lung für regel­mä­ßi­ges Trai­ning. Die Leis­tungs­fä­hig­keit lässt sich dadurch um bis zu 25 Pro­zent verbessern. 

Mar­tin Schiller

In den im Jahr 2021 aktua­li­sier­ten ESC-Leit­li­nien für die Dia­gnos­tik und Behand­lung der aku­ten und chro­ni­schen Herz­in­suf­fi­zi­enz wird erst­mals ange­ge­ben, bei allen Pati­en­ten mit HFrEF (LVEF ≤ 40 %) eine The­ra­pie mit vier Medi­ka­men­ten der höchs­ten Emp­feh­lungs­klasse zur Reduk­tion von Mor­bi­di­tät und Mor­ta­li­tät anzu­stre­ben. Dabei han­delt es sich um RAS-Blo­cker (Angio­ten­sin-Rezep­tor-Nepril­y­sin-Inhi­bi­tor, ACE-Hem­mer, Angio­ten­sin-Rezep­tor­blo­cker), Beta­blo­cker, Mine­ralo­kor­ti­koid-Rezep­tor­ant­ago­nis­ten (Spi­ro­no­lac­ton, Eple­re­non) und SGLT2-Hem­mer (Dapagli­flo­zin, Empagli­flo­zin). Auch der Fak­tor Zeit spiele dabei eine Rolle, wie Univ. Prof. Johann Auer von der Abtei­lung für Innere Medi­zin I des Kran­ken­hau­ses St. Josef in Brau­nau erklärt: „Die Pati­en­ten sol­len alle vier Medi­ka­mente schnellst­mög­lich in Kom­bi­na­tion erhal­ten, damit sie von der zum Teil rasch ein­set­zen­den pro­gno­se­ver­bes­sern­den Wir­kung so früh wie mög­lich pro­fi­tie­ren“. Dapagli­flo­zin und Empagli­flo­zin wer­den unab­hän­gig davon emp­foh­len, ob die Betrof­fe­nen an Dia­be­tes mel­li­tus leiden.

In die­sem Zusam­men­hang ver­weist Auer auf die 2022 aktua­li­sier­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Gui­de­lines for the Manage­ment of Heart Fail­ure 2022 (AHA/​ACC/​HFSA), in denen SGLT2-Hem­mer auch eine Auf­wer­tung bei ande­ren For­men der Herz­in­suf­fi­zi­enz erfah­ren haben. Sie haben bei HFmrEF als ein­zige Wirk­stoff­gruppe eine IIA-Emp­feh­lung erhal­ten. Auer wei­ter: „Auch bei Herz­in­suf­fi­zi­enz mit erhal­te­ner Aus­wurf­frak­tion und einer LVEF ≥50% gibt es für die Behand­lung mit einem SGLT2-Hem­mer jetzt erst­mals eine IIA-Emp­feh­lung.“ In die euro­päi­schen Leit­li­nien haben die Emp­feh­lun­gen zum Ein­satz bei HFpEF noch kei­nen Ein­gang gefun­den. Das liegt laut Auer daran, dass die der Ände­rung zugrun­de­lie­gen­den Ergeb­nisse aus der EMPEROR-Pre­ser­ved-Stu­die und der DELI­VER-Stu­die bei Aktua­li­sie­rung der ESC-Leit­li­nien noch nicht bekannt waren. Univ. Doz. Mar­tin Hüls­mann von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Kar­dio­lo­gie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien erwar­tet aber dem­nächst ein ent­spre­chen­des Update der ESC-Leit­li­nien: „Damit würde für die HFpEF erst­ma­lig ein Medi­ka­ment zur Ver­fü­gung stehen.“

Sowohl in den ESC-Leit­li­nien als auch in den US-ame­ri­ka­ni­schen Leit­li­nien ist vor­ge­se­hen, dass eine Behand­lung von HF-mrEF mit ARNI, ACE-Hem­mern, ARB, MRA und Beta­blo­ckern grund­sätz­lich erwo­gen wer­den kann. „Das gilt vor allem dann, wenn die LVEF-Werte im unte­ren Bereich des HFmrEF-Spek­trums lie­gen. Aller­dings ist die Emp­feh­lungs­stärke mit dem Grad IIB für diese Sub­stan­zen im Ver­gleich zu SGLT2-Hem­mern in der US-ame­ri­ka­ni­schen Leit­li­nie schwach“, erläu­tert Auer.

Bedeu­tung von Bio­mar­kern steigt

Als Stan­dard bei der Dia­gnos­tik der Herz­in­suf­fi­zi­enz hat sich die Echo­kar­dio­gra­fie eta­bliert. Sie hat in den ESC-Leit­li­nien Klasse I‑Empfehlung und erlaubt zeit­nahe Aus­sa­gen zur systo­li­schen und dia­sto­li­schen Herz­funk­tion, zu rele­van­ten Klap­pen­vi­tien und zur Myo­kard­struk­tur. Immer mehr in den Vor­der­grund der Dia­gnos­tik rücken Bio­mar­ker, vor allem NT-proBNP, wie beide Exper­ten beto­nen. Die­ses habe – so Hüls­mann und Auer uni­sono – von allen Unter­su­chungs­me­tho­den inzwi­schen das höchste Evi­denz­le­vel für alle Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz. „Es han­delt sich dabei um den bes­ten Scree­ning- und Ver­laufs­mar­ker“, sagt Hüls­mann. Und Auer ergänzt: „Bei einem Sym­ptom wie Atem­not ist BNP bei­spiels­weise gut geeig­net, eine Herz­in­suf­fi­zi­enz auszuschließen.“

Wurde eine Herz­in­suf­fi­zi­enz dia­gnos­ti­ziert, sollte im Ver­lauf der Krank­heit rou­ti­ne­mä­ßig eine Unter­su­chung auf das Vor­lie­gen eines Eisen­man­gels erfol­gen mit der Bestim­mung von Serum-Fer­ri­tin und Trans­ferrin­sät­ti­gung. „Befin­det sich ein Pati­ent nahe an den Grenz­wer­ten, wird Eisen sub­sti­tu­iert – auch bei einer leich­ten Herz­in­suf­fi­zi­enz“, berich­tet Hüls­mann. Die Erfah­rung zeige, dass damit stets die Lebens­qua­li­tät ver­bes­sert wer­den könne. Ver­läss­li­che Daten, ob sich dadurch auch die Pro­gnose ver­bes­sert, gebe es aktu­ell aber noch nicht, so Hülsmann.

Frühe Anzei­chen

Die Haupt­sym­ptome der Herz­in­suf­fi­zi­enz wer­den durch Flüs­sig­keits­an­samm­lung bezie­hungs­weise Stau­ung und ver­min­derte Gewe­be­durch­blu­tung ver­ur­sacht. Frühe Anzei­chen sind laut Auer eine ver­min­derte Belast­bar­keit, schnelle Ermü­dung bei kör­per­li­cher Betä­ti­gung, Abge­schla­gen­heit, Kurz­at­mig­keit sowie nächt­li­che Atem­not, die sich erst durch das Auf­set­zen im Bett bes­sert. Auch Nyk­tu­rie kann Anzei­chen für eine Herz­in­suf­fi­zi­enz sein. Auer ver­weist außer­dem auf Ben­dop­noe: „Berich­tet ein Pati­ent bei­spiels­weise über Kurz­at­mig­keit oder Atem­not beim Schnü­ren der Schuhe, ist das als Alarm­si­gnal zu werten.“

Auch junge Men­schen müsse man unter bestimm­ten Umstän­den im Blick­feld haben, wie Hüls­mann aus­führt: „Wäh­rend die Ent­wick­lung einer Herz­in­suf­fi­zi­enz in höhe­rem Alter oft ein schlei­chen­der Pro­zess ist, macht sie sich bei jun­gen Men­schen meist durch einen gro­ben Leis­tungs­knick bemerk­bar.“ Wenn sich bei­spiels­weise ein jun­ger Mensch seit Wochen nicht von einem grip­pa­len Infekt erholt, kann es sich um eine abge­lau­fene Herz­mus­kel­ent­zün­dung han­deln, die in einer Herz­in­suf­fi­zi­enz mün­det.“ Hüls­mann emp­fiehlt in sol­chen Fäl­len die Bestim­mung von BNP und – falls sich dabei ein erhöh­ter Wert zeigt – eine Echokardiografie.


Herz­in­suf­fi­zi­enz: keine strikte Natriumrestriktion

Lange Zeit wur­den bei Herz­in­suf­fi­zi­enz die kli­ni­schen Vor­teile einer strik­ten Natri­um­re­strik­tion pro­pa­giert. „In kli­ni­schen Stu­dien war dies aber nicht über­zeu­gend doku­men­tiert und die Emp­feh­lung ist auch nicht mehr halt­bar“, betont Auer. Ver­gan­ge­nes Jahr wurde mit SODIUM-HF die bis dato größte und längste ran­do­mi­sierte kon­trol­lierte Stu­die zum kli­ni­schen Nut­zen der Natri­um­ein­schrän­kung publi­ziert. In der Low-Sodium-Gruppe mit einer Zufuhr von weni­ger als 1.500 mg pro Tag (ent­spricht circa 2,5 Gramm Koch­salz) erga­ben sich zwar mode­rate Ver­bes­se­run­gen der Lebens­qua­li­tät und der NYHA-Klasse, aber keine signi­fi­kan­ten Aus­wir­kun­gen auf kar­dio­vas­ku­lär bedingte Hos­pi­ta­li­sie­run­gen. „Die posi­ti­ven Erwar­tun­gen an die Low-Sodium-Stra­te­gie sind ent­täuscht wor­den. Völ­lig salz­arm müs­sen die Pati­en­ten somit nicht ein­ge­stellt wer­den“, kom­men­tiert Auer die Studienergebnisse.

Für die Flüs­sig­keits­zu­fuhr gel­ten die übli­chen Emp­feh­lun­gen von 1,5 bis maximal zwei Liter pro Tag. „Diese Beschrän­kung der täg­li­chen Trink­men­gen ist wich­tig, weil Herz­in­suf­fi­zi­enz­pa­ti­en­ten zu Öde­men und zur Über­wäs­se­rung nei­gen. Wird mehr getrun­ken, würde das in vie­len Fäl­len eine Stei­ge­rung der Diure­ti­ka­do­sie­rung erfor­dern“, so Auer.


Anzei­chen für fort­ge­schrit­te­nes Stadium

Für die fort­ge­schrit­tene Herz­in­suf­fi­zi­enz gibt es laut Hüls­mann nach wie vor keine echte Defi­ni­tion und keine vali­dierte The­ra­pie. Zwei Varia­blen wür­den Auf­schluss über den Sta­tus geben: die mas­siv ein­ge­schränkte Lebens­qua­li­tät und die ein­ge­schränkte Pro­gnose. „Was vom Pati­en­ten als Atem­not bei gerin­ger Belas­tung beschrie­ben wird, ist aber sub­jek­tiv und aus ärzt­li­cher Sicht auch oft schwer objek­ti­vier­bar. Es bleibt unklar, ob Angst hin­ter dem Sym­ptom steckt, die Nicht-Bereit­schaft, sich zu belas­ten oder ob auch nicht-kar­diale Fak­to­ren wie Adi­po­si­tas dabei eine Rolle spie­len“, merkt Hüls­mann an. Ein sehr hoher BNP-Wert von über 2.000 pg/​ml ließe jeden­falls den Schluss auf das Vor­lie­gen einer fort­ge­schrit­te­nen Herz­in­suf­fi­zi­enz zu. Glei­ches gelte bei einer bereits ein­ge­schränk­ten Nie­ren­funk­tion, wenn diese auf einer kar­dia­len Genese beruht. Als wei­te­ren Punkt nennt Hüls­mann das Auf­tre­ten einer ein­ge­schränk­ten Rechts­ven­tri­kel­funk­tion. „Dies wird in der Lite­ra­tur wenig erwähnt. Aber in der kli­ni­schen Pra­xis zeigt sich häu­fig, dass damit der Punkt erreicht ist, ab dem die Herz­in­suf­fi­zi­enz ein fort­ge­schrit­te­nes Sta­dium erreicht hat.“ Dia­be­tes mel­li­tus und Herz­in­suf­fi­zi­enz gel­ten als „unse­lige Zwil­linge“, da eine wech­sel­sei­tige Risi­ko­er­hö­hung besteht, wie Hüls­mann erläu­tert. 95 Pro­zent der Herz­in­suf­fi­zi­enz­pa­ti­en­ten ent­wi­ckeln eine Glu­ko­se­into­le­ranz und je nach Schwere 20 bis 40 Pro­zent einen mani­fes­ten Dia­be­tes mel­li­tus. „Der Grund dafür ist die Hypo­xie und die Akti­vie­rung von Neu­ro­hor­mo­nen, die zu einer Insu­lin­re­sis­tenz füh­ren.“ Umge­kehrt haben Men­schen mit Dia­be­tes mel­li­tus ein erhöh­tes Risiko für die Ent­wick­lung einer Herz­in­suf­fi­zi­enz. „Vor­ran­gig ent­wi­ckeln die Pati­en­ten eine HFpEF“, sagt Hüls­mann. Dabei führt der gestörte Glu­ko­se­ab­bau zur Bil­dung von toxi­schen Abbau­pro­duk­ten, die wie­derum die Apo­ptose sowie zuneh­mende Fibrose und Ven­tri­kel­stei­fig­keit zur Folge haben. Bei einem schlecht ein­ge­stell­ten Dia­be­tes besteht dar­über hin­aus auch eine Nei­gung für eine HFrEF im Rah­men einer koro­na­ren Herzkrankheit.

Auch Per­so­nen mit arte­ri­el­ler Hyper­to­nie und koro­na­rer Herz­krank­heit wei­sen ein erhöh­tes Risiko für eine Herz­in­suf­fi­zi­enz auf. „Blut­druck­ein­stel­lung, The­ra­pie der koro­na­ren Risi­ko­fak­to­ren sowie Adi­po­si­tas­be­hand­lung und Adi­po­si­t­as­prä­ven­tion sind daher wesent­li­che Eck­pfei­ler, um einer Herz­in­suf­fi­zi­enz vor­zu­beu­gen“, betont Auer. Beson­de­res Augen­merk sollte man laut Hüls­mann auf onko­lo­gi­sche Pati­en­ten legen. „Es ste­hen zwar immer mehr exzel­lente The­ra­pien zur Ver­fü­gung. Aber gleich­zei­tig kön­nen diese auch kar­diale Neben­wir­kun­gen ent­fal­ten. Dafür muss noch ein stär­ke­res Bewusst­sein ent­wi­ckelt werden.“

Akti­ves Leben empfohlen

In aktu­el­len Emp­feh­lun­gen wird Men­schen mit Herz­in­suf­fi­zi­enz zu einem akti­ven Leben gera­ten. „Ein rich­tig abge­stimm­tes Trai­ning kann sowohl die Sym­ptome der Herz­schwä­che lin­dern als auch den Ver­lauf der Erkran­kung posi­tiv beein­flus­sen“, sagt Auer. Vor allem Aus­dau­er­be­we­gung wird expli­zit empfohlen.

„Unter­su­chun­gen zu regel­mä­ßi­gem Aus­dau­er­trai­ning haben erge­ben, dass sich die Leis­tungs­fä­hig­keit sogar um zehn bis 25 Pro­zent ver­bes­sern lässt – je nach Inten­si­tät und Dauer des Pro­gramms.“ Der Beginn eines sol­chen Trai­nings sollte unter ärzt­li­cher Super­vi­sion ver­lau­fen, idea­ler­weise im Rah­men einer reha­bi­li­ta­ti­ven Beglei­tung, wie Auer abschlie­ßend betont: „Die Bewe­gung ist in die­sem Fall wie ein Arz­nei­mit­tel zu betrach­ten, das eine Über­wa­chung bei Dosie­rung und Ein­nahme erfordert.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2023