FAQs: Ischä­mi­scher Insult kompakt

24.02.2023 | Medizin

Die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen rund um das Thema „Ischä­mi­scher Insult“ bie­tet fol­gende Übersicht.

25.000 Men­schen jähr­lich … erlei­den in Öster­reich einen Schlag­an­fall; 85 Pro­zent davon einen ischä­mi­schen Insult, 15 Pro­zent eine intra­ze­re­brale Blu­tung. Rund 7,5 Pro­zent der ischä­mi­schen Schlag­an­fälle sind Folge eines pro­xi­ma­len Hirnarterienverschlusses.

Die vier häu­figs­ten Symptome …

  • Halb­sei­tige Schwä­che (milde Parese bis Ple­gie an Gesicht, Arm, Bein);
  • Apha­sie;
  • Hemi­an­op­sie bezie­hungs­weise Amaurose;
  • Halb­sei­tige Sen­si­bi­li­täts­stö­run­gen (an allen oder ein­zel­nen Tei­len von Gesicht, Arm, Bein). Die Sym­pto­ma­tik tritt plötz­lich auf – der „schlag“-artige oder „anfalls“-artige Beginn ist typisch.

Mit dem FAST-Test … (Face, Arm, Speech, Time) kann der Insult früh­zei­tig erkannt wer­den: Erfasst wer­den die ein­sei­tige Fazia­li­s­pa­rese, die Arm­pa­rese und die Apha­sie. Hohe Sen­si­ti­vi­tät, geringe Spe­zi­fi­tät. Der FAST+-Test ist um die Merk­male Herd­blick und Bein­pa­rese erwei­tert. Durch die Gewich­tung der Sym­ptome kann der Schwe­re­grad abge­schätzt werden.

Die Kern­zone … ent­spricht in der Regel einer irrever­si­blen Schä­di­gung des Hirn­ge­we­bes. Die Per­fu­sion sinkt unter eine kri­ti­sche Schwelle von 10 bis 15 ml/​100 g Hirngewebe/​Minute. Dies reicht nicht aus, um den Struk­tur­stoff­wech­sel der Ner­ven­zelle auf­recht­zu­er­hal­ten. Der Elek­tro­lyt­stoff­wech­sel bricht zusam­men, Natrium und Was­ser strö­men in die Zelle ein. Das „Anschwel­len der Ner­ven­zelle“ („zyto­to­xi­sches Ödem“) kann mit­tels MRT visua­li­siert wer­den (DWI, „Dif­fu­sion Weigh­ted Ima­ging“). Der Ver­gleich von DWI und FLAIR (Fluid-atte­nu­a­ted Inver­sion Recovery)-Sequenz zeigt den Ereig­nis­zeit­punkt: Inner­halb der ers­ten 4,5 Stun­den ist die Läsion in der DWI sicht­bar (DWI posi­tiv), aber nicht in der FLAIR (FLAIR nega­tiv). Danach sieht man die Kern­zone auch in der FLAIR-Sequenz. Das „DWI/F­LAIR-Mis­match“ (DWI positiv/​FLAIR nega­tiv) ermög­licht es, die Zeit­la­tenz zwi­schen Ereig­nis­be­ginn und Bild­ge­bung abzu­schät­zen und das the­ra­peu­ti­sche Fens­ter der Effek­ti­vi­tät der intra­ve­nö­sen Throm­bo­lyse zu definieren.

In der Pen­um­bra … (= Bereich, der unmit­tel­bar an die zen­trale Nekrose grenzt) sinkt die Per­fu­sion auf etwa 12 bis 25 ml/​100 g Hirngewebe/​Minute ab. Der Struk­tur­stoff­wech­sel der Zelle bleibt erhal­ten, aber die Funk­tion erlischt. Es besteht eine neu­ro­lo­gi­sche Aus­falls­sym­pto­ma­tik. Das Ver­hält­nis von Kern­zone zu Pen­um­bra ist von der kol­la­te­ra­len Per­fu­sion abhän­gig. Die Abnahme der Blut­fluss­ge­schwin­dig­keit ist in MRT und CT das Mess­prin­zip zur Dar­stel­lung der Pen­um­bra. Je nach Vor­han­den­sein und Aus­maß des „rett­ba­ren Hirn­ge­we­bes“ ergibt sich – unab­hän­gig von der Zeit – die Indi­ka­tion zur reka­na­li­sie­ren­den The­ra­pie. Die Man­gel­durch­blu­tung in der Pen­um­bra setzt eine Kas­kade von fehl­ge­steu­er­ten Stoff­wech­sel­vor­gän­gen in Gang, sodass sich die Kern­zone des Infarkts aus­brei­tet und das „rett­bare Hirn­ge­webe“ kon­se­ku­tiv abnimmt.

Die „Gewebe-basierte“ Defi­ni­tion … löst zuneh­mend die „Zeit-basierte“ ab. In den 1950er Jah­ren wurde die „tran­si­ente, ischä­mi­sche Atta­cke“ (TIA) „Zeit-basiert“ defi­niert: Die neu­ro­lo­gi­schen Sym­ptome bil­den sich inner­halb von 24 Stun­den zurück. Die „Gewebe-basierte“ Defi­ni­tion besagt: Sobald das MR in der DWI eine Läsion zeigt, han­delt es sich – unab­hän­gig von der Zeit – um einen ischä­mi­schen Schlaganfall.

Ziele der Akut­be­hand­lung … sind die rasche Reka­na­li­sa­tion und Reper­fu­sion des Gewe­bes durch Besei­ti­gung des Gefäß­ver­schlus­ses, „Neu­ro­pro­tek­tion“ durch ein geeig­ne­tes Blutdruck‑, Elek­tro­lyt- und Blut­zu­cker-Manage­ment sowie das Ver­hin­dern bezie­hungs­weise früh­zei­tige Erken­nen von Komplikationen.

Die The­ra­pie­ent­schei­dung … wird beein­flusst durch:

  • das kli­ni­sche Bild (Kli­nik)
  • die Zeit­la­tenz zwi­schen Beginn des Ereig­nis­ses und The­ra­pie-Ent­schei­dung (Zeit)
  • Gefäß­pa­tho­lo­gie und
  • der Zustand des Hirn­ge­we­bes (Kern­zone des Infarkts ver­sus rett­bare Penumbra).

Die Metho­den sind … 

  • sys­te­mi­sche intra­ve­nöse Throm­bo­lyse mit rt-PA (rekom­bi­nant-her­ge­stell­tem Plasminogen-Aktivator);
  • mecha­ni­sche Thrombektomie;
  • Behand­lung nach dem „Stroke Unit“-Konzept.

Die mecha­ni­sche Throm­bek­to­mie … ist bei pro­xi­ma­lem Hirn­ar­te­ri­en­ver­schluss bis zu sechs Stun­den nach Sym­ptom­be­ginn die Methode der Wahl. Liegt aus­rei­chend rett­ba­res Hirn­ge­webe vor, ist die mecha­ni­sche Throm­bek­to­mie auch bei unkla­rem Sym­ptom­be­ginn oder nach sechs Stun­den noch indi­ziert. Ebenso ist sie bei Kon­tra­in­di­ka­tio­nen für eine intra­ve­nöse Throm­bo­lyse The­ra­pie der ers­ten Wahl. Aktu­ell wird die sys­te­mi­sche, intra­ve­nöse Throm­bo­lyse in Ergän­zung zur mecha­ni­schen Throm­bek­to­mie durchgeführt.

Die sys­te­mi­sche intra­ve­nöse Throm­bo­lyse … bleibt die allei­nige The­ra­pie bei dista­len Gefäß­ver­schlüs­sen, die einer mecha­ni­schen Throm­bek­to­mie nicht zugäng­lich sind. Die intra­ve­nöse Gabe von Alte­plase (rt-PA) ist die emp­foh­lene Behand­lung des ischä­mi­schen Schlag­an­falls inner­halb der ers­ten 4,5 Stunden.

Das „Stroke Unit“-Konzept … beinhal­tet ein sys­te­ma­ti­sches Scree­ning und das Erfas­sen von Dys­pha­gie, die funk­tio­nelle endo­sko­pi­sche Flüs­sig­keits- und Nah­rungs­ad­apt­a­tion sowie das Scree­ning und die früh­zei­tige Behand­lung der Aspi­ra­tion. Die rasche Abklä­rung der Ursa­chen führt zu einer indi­vi­dua­li­sier­ten Sekun­där­pro­phy­laxe; das kli­nisch-neu­ro­lo­gi­sche Scree­ning ermög­licht anhand von Kli­nik und Bild­ge­bung eine rasche Risiko-Stra­ti­fi­zie­rung eines Re-Infarkts.

(JF) Quelle: State of the Art „Ischä­mi­scher Insult“ von Univ. Prof. Wil­fried Lang, Univ. Prof. Marek Sykora, ÖÄZ 12/​25. Juni 2019

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2023