FAQs: Epilepsie kompakt

14.07.2023 | Medizin

Die wichtigsten Informationen rund um das Thema „Epilepsie“ bietet folgende Übersicht.

Die Lebenszeitprävalenz … von aktiver Epilepsie und jener in Remission beträgt 7,60 pro 1.000 Einwohnern.  Eine neurologische Erkrankung wird definiert durch
• mindestens zwei unprovozierte Anfälle oder Reflexanfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden;
• einen unprovozierten Anfall oder Reflexanfall mit Wahrscheinlichkeit für weitere Anfälle;
• die Diagnose „Epilepsie-Syndrom“.

Epileptische Anfälle … sind klinische Manifestationen von exzessiven und/oder hypersynchronen Entladungen von Nervenzellen des zerebralen Kortex. Man unterscheidet zwischen akut symptomatischen und unprovozierten Anfällen. Das Rezidiv-Risiko nach dem ersten Anfall ist unklar.

Prognostische Faktoren sind …

  • Anfallsfrequenz
  • psychiatrische Komorbidität
  • kognitive Beeinträchtigungen
  • neuropsychologische Auffälligkeiten
  • abnormes interiktales EEG
  • lange Zeit bis zur ersten Remission
  • Ätiologie.

Akut symptomatische Anfälle … treten bei einem systemischen Insult oder zeitnah zu einer akuten Hirnerkrankung auf. Die mediane Inzidenz liegt bei 29 bis 39 pro 100.000 pro Jahr. 25 bis 40 Prozent aller ersten Anfälle sind akut symptomatisch. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei zehn Prozent; in 20 bis 30 Prozent der Fälle entwickelt sich eine Epilepsie.

Unprovozierte Anfälle … haben keine akute Ursache. Die Symptomatik wird durch die betroffenen Nervenzellen bestimmt, wobei abnorme sensorische oder psychische Empfindungen, motorische Entäußerungen, Störungen von höheren Hirnfunktionen und des Bewusstseins sowie generalisierte Krämpfe häufig sind.

Die Klassifikation … der Anfälle laut der Internationalen Liga gegen Epilepsie beinhaltet folgende Kriterien:

  • fokaler, generalisierter oder unklassifizierter Anfallsbeginn;
  • Bewusstsein während der Anfälle;
  • Vorhandensein von motorischen Symptomen.

Die Diagnose … eines Epilepsiesyndroms beeinflusst Prognose und Therapie. Man unterscheidet

1) generalisierte
2) fokale
3) fokale und generalisierte sowie
4) Epilepsiesyndrome mit Entwicklungsstörungen, epileptischen Enzephalopathien und/oder progressiven neurologischen Verschlechterungen.

Komorbiditäten … bei Personen, die an Epilepsie leiden, haben genetische, strukturelle, infektiöse, metabolische, immun vermittelte und unbekannte Ursachen. Mehr als 50 Prozent der Betroffenen leiden an psychiatrischen und/oder somatischen Komorbiditäten (Schlaganfall, Herzerkrankungen, Demenz, Migräne, Asthma, COPD, Magenulcera, Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 und Autoimmunerkrankungen).

Die klinische Diagnose … ergibt sich aus Anamnese, EEG, MRT und Laborparametern wie Kreatin-Kinase und Laktat. Die Diagnose Epilepsie ist zu 20 bis 30 Prozent unsicher und daher bei Therapieversagen zu hinterfragen. Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind …

  • kardiovaskuläre Erkrankungen;
  • psychogene nicht-epileptische (dissoziative) Anfälle;
  • neurologische Erkrankungen;
  • Parasomnien;
  • endokrine/metabolische Störungen.

Wesentliche Behandlungsziele sind …

  • Reduktion der Anfälle;
  • Optimierung der psychosozialen Situation;
  • Berücksichtigung von Komorbiditäten;
  • Minimierung von Sekundärfolgen.

Die medikamentöse initiale Monotherapie … führt bei 50 Prozent der Betroffenen zur Anfallsfreiheit. Lamotrigin ist erste Wahl bei fokalen Epilepsien im Erwachsenen alter, bei generalisierten Epilepsien ohne Ausschluss einer Konzeption und bei unklassifizierbaren Formen. Bei generalisierten Epilepsien mit ausschließlich Absencen erhalten Männer und Frauen (unter Ausschluss einer Konzeption) Ethosuximid. Für Epilepsien mit überwiegend Myoklonien und generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Männern und Frauen (unter Ausschluss einer Konzeption) ist Valproinsäure, die ein hohes teratogenes Risiko aufweist, die erste Wahl. Ist die Anfallskontrolle nicht zufriedenstellend oder bei Nebenwirkungen kommt beifokalen Epilepsien eine Kombinationstherapie zum Einsatz. Bevorzugte Substanzen sind Perampanel, Brivaracetam oder Cenobamat. 30 bis 40 Prozent der Patienten mit fokalen Epilepsien erweisen sich bei einer medikamentösen Behandlung als therapieresistent.

Die resektive Epilepsiechirurgie … ist eine Option für zehn bis 50 Prozent derjenigen Patienten, die sich bei einer medikamentösen Behandlung als therapieresistent erweisen. Dabei wird das epileptogene Hirnareal entfernt, was bei 60 bis 80 Prozent der Betroffenen zur Anfallsfreiheit führt. Die frühzeitige Epilepsiechirurgie bietet beste Chancen für eine Remission, minimiert negative soziopsychologische Konsequenzen und führt zu einer signifikanten Reduktion des Sudden Unexpected Death in Epilepsy (SUDEP).

Ablative chirurgische Verfahren … sind die stereotaktisch-geführte Radiofrequenz-Thermokoagulation und die Laser-Thermoablation. Dabei wird minimal-invasiv eine Elektrode oder Sonde stereotaktisch über Trajektoren in das epileptogene Zielgewebe eingebracht, das durch Hitzeapplikation destruiert wird. Die Laser-Thermoablation zeigt bei verschiedenen epileptogenen Pathologien etwa auch bei mesialer Temporallappensklerose Erfolg.

Die Neurostimulation … wird palliativ eingesetzt, da sie zu einer Anfallsreduktion, aber kaum zur Anfallsfreiheit führt. Man unterscheidet zwischen der Vagus-Nerv-Stimulation, nicht-invasiven Stimulationsverfahren, tiefer Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation – DBS) des Nucleus anterior des Thalamus (ANT) und responsiver Neurostimulation (RNS).

Sudden Unexpected Death in Epilepsy (SUDEP) … ist ein plötzlicher, extern beobachteter oder nicht-beobachteter, nicht-traumatischer und nicht durch Ertrinken verursachter Tod einer Person, die an Epilepsie leidet, mit oder ohne Evidenz für einen stattgehabten Anfall sowie ohne Hinweise für eine toxikologische oder anatomische Todesursache. Die Inzidenz liegt bei Erwachsenen um 1,2 auf 1.000, bei Kindern um 0,22 auf 1.000 Personenjahre. Risikofaktoren sind tagsüber und nächtlich auftretende generalisierte tonisch-klonische Anfälle. (JF)

Quelle: State of the Art „Epilepsie“ von Univ. Prof. DI Dr. Christoph Baumgartner et al.; ÖÄZ 15-16/15. August 2022


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2023