FAQs: Eisen­man­gel kompakt

26.04.2023 | Medizin

Die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen rund um das Thema „Eisen­man­gel“ bie­tet fol­gende Übersicht.

Die Prä­va­lenz … des Eisen­man­gels und der Eisen­man­gel­an­ämie liegt glo­bal bei 25 Pro­zent. In Europa beträgt sie zwi­schen 1,5 und drei Pro­zent, bei Risi­ko­grup­pen ist sie höher: bei Frauen im repro­duk­ti­ons­fä­hi­gen Alter sind 13 Pro­zent, bei Schwan­ge­ren 30 Pro­zent und bei Säug­lin­gen 50 Pro­zent betroffen.

Kar­di­nal­sym­ptome … des Eisen­man­gels sind Müdig­keit und Schwä­che. Wei­tere Sym­ptome: Kopf­schmer­zen (33 Pro­zent), brü­chige Fin­ger­nä­gel (39 Pro­zent), Haar­aus­fall (24 Pro­zent), Schwin­del und Kurz­at­mig­keit (36 Pro­zent) sowie Rest­less-Legs-Syn­drom (23 Pro­zent). Sel­ten, aber spe­zi­fisch: Die als Pica bezeich­nete Geschmacksstörung.

Die Abklä­rung … des iso­lier­ten Eisen­man­gels wird von der US-ame­ri­ka­ni­schen gas­tro­en­te­ro­lo­gi­schen Gesell­schaft bei einer Fer­ri­tin­kon­zen­tra­tion im Serum von < 45 µg/​L emp­foh­len. Die WHO defi­niert Eisen­man­gel ab einer Fer­ri­tin­kon­zen­tra­tion von < 15 µg/​L. Jeden­falls sollte Eisen­man­gel bereits vor dem fort­ge­schrit­te­nen Sta­dium der Anämie abge­klärt wer­den. Typi­sche Befunde einer Eisen­man­gel­an­ämie sind Mikro­zy­tose und Hypo­chro­mie der Ery­thro­zy­ten sowie Anisozytose.

Eine Anämie in der Schwan­ger­schaft … geht mit erhöh­tem Risiko für Autis­mus-Spek­trum-Stö­run­gen sowie einem Auf­merk­sam­keits-Defi­zit-Hyper­ak­ti­vi­täts­syn­drom (ADHS) für das Unge­bo­rene ein­her. Bei Kin­dern, die eine Eisen­man­gel­an­ämie haben, kann es zu Ein­schrän­kun­gen der kogni­ti­ven Leis­tungs­fä­hig­keit und Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen kommen.

Die Dia­gnose … wird auf­grund der Fer­ri­tin­kon­zen­tra­tion im Blut gestellt. Ein ver­rin­ger­ter Fer­ri­tin­spie­gel (<15 oder <45 µg/​L) beweist einen Eisen­man­gel. Aber: Bei ent­zünd­li­chen Erkran­kun­gen oder Tumo­ren kann Fer­ri­tin trotz Eisen­man­gel erhöht sein. Bei einer Fer­ri­tin­kon­zen­tra­tion zwi­schen 30 und 100 µg/​L sollte wei­ter abge­klärt wer­den, wenn die Trans­ferrin­sät­ti­gung unter 20 Pro­zent liegt.

Wei­tere Hin­weise sind …
– eine ver­min­derte Eisen­kon­zen­tra­tion im Serum (<10 µmol/​L)
– eine erhöhte Trans­fer­rinkon­zen­tra­tion > 360 mg/​dl oder
– eine totale Eisen­bin­dungs­ka­pa­zi­tät von >450 µg/​dl

Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen sind …
– Ent­zün­dungs­re­ak­tio­nen im Blut: Trans­fer­rin ist bei Ent­zün­dun­gen ver­min­dert, bei Eisen­man­gel erhöht.
– Thalass­ä­mia minor: Auch hier kommt es zu einer hypo­chro­men mikro­zy­tä­ren Anämie. Für die Thalass­ä­mie spre­chen nor­male Ery­thro­zy­ten­ver­tei­lungs­breite, nor­ma­ler Eisen­sta­tus und Hyper­fer­ri­tin­ämie. Bei Thalass­ä­mia inter­me­dia kön­nen zusätz­lich mode­rate Anämie, erhöhte Lac­tat­de­hy­dro­ge­nase, Hyper­bi­li­ru­bin­ämie sowie Sple­no­me­ga­lie vorliegen.

Risi­ko­fak­to­ren sind …
– Ope­ra­tio­nen (vor allem baria­tri­sche Eingriffe)
– vege­ta­ri­sche oder vegane Ernährung
– Aus­dau­er­sport und extreme kör­per­li­che Belastungen
– regel­mä­ßi­ges Blutspenden
– Schwan­ger­schaf­ten bezie­hungs­weise Geburten
– gestörte Magen­säu­re­pro­duk­tion (durch Auto­im­mun­gas­tri­tis oder PPIs), nicht-ste­ro­idale Anti­rheu­ma­tika, Plätt­chen­ag­gre­ga­ti­ons­hem­mer und Antikoagulantien

Beim Blut­bild … wird der voll­stän­dige Eisen­sta­tus (Eisen,Ferritin, Trans­fer­rin, Trans­ferrin­sät­ti­gung) und Anti­kör­per gegen Trans­glut­ami­nase für die Dia­gnose einer Zöli­a­kie bestimmt. Die Bestim­mung der Anti-Parie­tal Zell-Anti­kör­per wird emp­foh­len, um eine Auto­im­mun­gas­tri­tis zu entdecken.

Gas­tro­sko­pie und Colo­no­sko­pie … sind bei Pati­en­ten mit Eisen­man­gel ohne offen­sicht­li­chen Blut­ver­lust indi­ziert. Ein Test auf okkul­tes Blut im Stuhl ersetzt diese Unter­su­chun­gen nicht.

Bei jün­ge­ren Frauen … ist der häu­figste Grund einer Eisen­man­gel­an­ämie eine Meno-Metror­rha­gie oder Hyper­me­nor­rhoe. Bei sonst asym­pto­ma­ti­schen Frauen kann eine Eisen­sup­ple­men­tie­rung ohne Abklä­rung erfol­gen. Eine Quan­ti­fi­zie­rung der Mens­trua­tion wird mit­tels „Pic­to­rial Blood Assess­ment Chart“ (PBAC) erho­ben. Ein Blut­ver­lust von > 80 ml pro Zyklus gilt als wahr­schein­li­che Ursa­che für Eisen­man­gel. Eine gynä­ko­lo­gi­sche Abklä­rung ist nötig.

Bei völ­lig unauf­fäl­li­ger Dia­gnos­tik … sollte der Harn­sta­tus zum Nach­weis einer Mikro­hä­ma­tu­rie abge­klärt wer­den. Vor­aus­set­zung: nega­tive Zöli­a­kie-Sero­lo­gie, unauf­fäl­lige bidi­rek­tio­nale Endo­sko­pie und nor­male Mens­trua­ti­ons­blu­tung. Bei einem Rezi­div des Eisen­man­gels nach Kor­rek­tur des Defi­zits sollte eine Kap­se­len­do­sko­pie erfolgen.

Für die orale The­ra­pie … wer­den kon­ven­tio­nell Salze mit zwei­wer­ti­gem Eisen, vor allem Eisen(II)Sulfat ein­ge­setzt. Alter­na­ti­ven sind Eisen(II)-Gluconat und Eisen(II)-Fumarat. Die Dosie­rung liegt zwi­schen 34,5 und 105 mg ele­men­ta­rem Eisen. Die Ein­nahme sollte für min­des­tens ein Monat jeweils 30 Minu­ten vor einer Mahl­zeit zusam­men mit Vit­amin C‑reichem Getränk erfol­gen. Rezen­ten Stu­dien zufolge ist die rela­tive Eisen­re­sorp­tion bes­ser, wenn Eisen nur jeden zwei­ten Tag ver­ab­reicht wird.

Bes­sere Ver­träg­lich­keit … erzie­len Eisen(III)-Maltol (Fer­ra­cru®) und Sucro­so­ma­les Eisen(III)-Pyrophosphat (OLEO­Vi­tal® Eisen). Wäh­rend bei der Ein­nahme von zwei­wer­ti­gen Eisen­prä­pa­ra­ten bis zu 47 Pro­zent der Betrof­fe­nen über Blä­hun­gen, Ver­stop­fun­gen, Übel­keit oder Durch­fall kla­gen, waren es bei drei­wer­ti­gem Eisen zwi­schen drei und zwölf Pro­zent. Die Wirk­sam­keit ist bei allen Prä­pa­ra­ten ähn­lich begrenzt: Nach einer zwölf­wö­chi­gen The­ra­pie mit Eisen(III)-Maltol hat­ten 78 Pro­zent der Pati­en­ten mit mil­der bis mode­ra­ter Anämie einen Hämo­glo­bin­an­stieg von ≥ 1g/​dl.

Die intra­ve­nöse Eisen­the­ra­pie … ver­spricht eine Kor­rek­tur des Gesamt­de­fi­zits mit meist nur einer Infu­sion. Die Dosis wird mit der Gan­zoni-For­mel berech­net: Gesamt­ei­sen­de­fi­zit (mg) = Kör­per­ge­wicht (kg) x (Ziel Hämo­glo­bin – aktu­el­lem Hämo­glo­bin in g/dl)x 0,24+500mg. Die höchst­mög­li­che Dosis für die Ein­zel­in­fu­sion pro Woche liegt zwi­schen 200mg und 20 mg/​kg Kör­per­ge­wicht. Schwere ana­phy­lak­ti­sche Reak­tio­nen auf moderne i.v.-Eisenpräparate sind extrem sel­ten; milde Infu­si­ons­re­ak­tio­nen sind häu­fi­ger, jedoch selbstlimitiert.

(JF)

Quelle: State of the Art „Eisen­man­gel“ von Univ. Prof. Dr. Heinz Zol­ler, ÖÄZ 17/​10. Sep­tem­ber 2021

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2023