FAQs: Der geriatrische Patient kompakt

26.05.2023 | Medizin

Die wichtigsten Informationen rund um das Thema „Der geriatrische Patient“ bietet folgende Übersicht.

Die Definition … „geriatrischer Patient“ bezieht sich auf die Multimorbidität und das erhöhte Risiko, bei Erkrankungen Komplikationen und Folgeerkrankungen zu erleiden mit der Möglichkeit der Chronifizierung.
Entscheidende Faktoren sind:
– biologisches Alter;
– Multimorbidität;
– besonderer rehabilitativer, sozialer und psychosozialer Handlungsbedarf;
– Bedrohung eines Verlustes der Selbstständigkeit bei akuten Erkrankungen (Vulnerabilität).

Das multidimensionale geriatrische Assessment … dient der Erhebung der funktionellen und kognitiven Fähigkeiten. Es reduziert die Hospitalisierungsrate von älteren Menschen und die Mortalität bei geplanten operativen Eingriffen. Bei der Planung von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen müssen einbezogen werden:
– Immobilität, Instabilität, Sturzneigung (Tinetti-Test, „Timed Up and Go“-Test);
– kognitive Einschränkungen (Minimental State-Test);
– Malnutrition;
– Polypharmazie;
– soziale Isolation (geriatrische Depressionsskala);
– Selbstständigkeit (Barthel-Index).

Komplexe altersassoziierte Veränderungen … beinhalten auch die Entstehung von funktionellen Einschränkungen:
– Visusminderung;
– Hörbeeinträchtigung;
– Reduktion der Muskelmasse;
– degenerative Gelenksveränderungen;
– Einschränkung des Durstgefühls durch Reduktion der hypothalamischen Osmorezeptoren mit einem erhöhten Risiko für Dehydration.
– Hypothalamisch-hypophysär stärker wirksame Sättigungsmechanismen erhöhen die Gefahr einer Malnutrition (Altersanorexie).

Die altersbedingte Immunseneszenz … bewirkt eine beeinträchtigte Infektabwehr, eine erhöhte Komplikationsrate bei Infektionen und eine eingeschränkte Impfreaktion. Der Anstieg der inflammatorischen Marker (Inflammaging) bewirkt ein erhöhtes Risiko für rheumatologische und kardiometabolische Erkrankungen. Die beeinträchtigte Thermoregulation geht mit einer niedrigeren Körperbasis-Temperatur und dem Fehlen einer febrilen Reaktion im Rahmen eines Infekts einher.

Die Nierenfunktion … muss beim geriatrischen Patienten bei der Auswahl und Dosierung der Medikation kontrolliert werden. Histologisch führen Alterungsprozesse der Niere zu Verdickung der glomerulären Basalmembran, Verbreiterung des Mesangiums und Akkumulation der extrazellulären Matrix. Die glomeruläre Filtrationsrate nimmt ab dem 35. Lebensjahr pro Dekade um fünf bis zehn Prozent ab. Insgesamt besteht eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber nephrotoxischen Einflüssen.

Kardiovaskuläre Erkrankungen … nehmen im Alter deutlich zu. Es gibt geschlechterspezifische Unterschiede bei den altersassoziierten strukturellen Veränderungen des Herzens: Ein konzentrisches kardiales Remodelling und eine erhöhte Neigung zur diastolischen Dysfunktion finden sich eher bei Frauen, während Männer eher ein exzentrisches Remodelling mit einer Beeinträchtigung der systolischen Pumpfunktion aufweisen.

Die häufigsten Erkrankungen … bei geriatrischen Patienten sind:
– kardiovaskuläre Erkrankungen
– degenerative Gelenkserkrankungen
– Diabetes mellitus Typ 2
– Tumore
– neuropsychiatrische Erkrankungen.

Kennzeichen … dieser Erkrankungen beim geriatrischen Patienten sind:
– chronischer Verlauf
– lange Therapiedauer
– Verschlechterung durch Krisen
– schwierige prognostische Einschätzung
– teilweises Fehlen von typischen Krankheitssymptomen.

Die Prävalenz der Demenz … beträgt bei 75- bis 78-Jährigen rund zwölf Prozent, bei über 90-Jährigen 50 Prozent, wobei das Risiko einer Erkrankung bei Frauen generell höher ist. Pseudodemenz beschreibt kognitive Einschränkungen im Rahmen von depressiven Störungen.

Geriatrische Syndrome … korrelieren oft mit dem Verlust der Selbstständigkeit. Häufig sind:
Immobilität und Sturzneigung, Malnutrition und Sarkopenie, Frailty, Inkontinenz (betrifft Frauen häufiger als Männer), Delir, Polypharmazie, Isoliertheit, Altersarmut.

Die Diagnose „Malnutrition“ … setzt sich aus phänotypischen und ätiologischen Kriterien zusammen. Auch übergewichtige Menschen können betroffen sein. Die Folgen: Sarkopenie, Osteoporose, eingeschränkte Immunabwehr, verzögerte Wundheilung, Einschränkung der funktionellen und kognitiven Fähigkeiten bis hin zu erhöhter Mortalität. Zu den Ursachen zählen Dysphagie, Aspirationspneumonie und fehlende Mundgesundheit.

Die Entwicklung eines Delirs … kann geriatrische Patienten mit und ohne Demenz betreffen. Dabei handelt es sich um eine akute psychische Störung mit einer organischen Ursache. Das hyperaktive Delir präsentiert sich mit gesteigerter Erregbarkeit, Agitiertheit, Hyperaktivität, Halluzinationen und vegetativen Störungen. Die hypoaktive Form geht mit verminderter Vigilanz, reduzierter spontaner Kontaktaufnahme und Verlangsamung von Motorik und Sprache einher. Auslöser sind plötzliche Veränderungen der Lebensgewohnheiten, fehlende Orientierungshilfen sowie körperliche und seelische Traumata.

Polypharmazie … bezeichnet die Einnahme von fünf oder mehr medikamentösen Substanzklassen. Die regelmäßige Überprüfung der Medikationsliste hinsichtlich der Indikation und der potentiellen Nebenwirkungen ist wichtig. Neben der Nierenfunktion muss auch deren Einfluss auf geriatrische Syndrome berücksichtigt werden. Psychotrope Substanzen können ein Delir auslösen. Antihypertensiva bringen – bedingt durch die Einschränkungen der Gegenregulation bei Hypotonie – eine erhöhte Sturzneigung mit sich. Das zunehmende Risiko für eine Hypoglykämie mit zunehmendem Lebensalter ist besonders bei der medikamentösen Diabetestherapie zu berücksichtigen. (JF)

Quelle: State of the Art „Der geriatrische Patient“ von Univ. Prof. Dr. Monika Lechleitner, ÖÄZ 11/10. Juni 2022


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2023