Anti­bio­tika-Resis­ten­zen: Geziel­tes Vorgehen

09.03.2023 | Medizin

Bei vie­len Anti­bio­tika gegen gram­ne­ga­tive Erre­ger liegt aktu­ell die Resis­tenz zwi­schen zehn und 25 Pro­zent. Beson­ders ein Spi­tals­auf­ent­halt im Aus­land ist von beson­de­rer Bedeu­tung wegen der dort wesent­lich höhe­ren Resis­tenz­rate von MRSA. 

Manuela‑C. War­scher

Bei den Anti­bio­tika-Resis­ten­zen handle es sich um eine „stille Pan­de­mie“, sagt Assoz. Prof. Heimo Lag­ler von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Infek­tio­nen und Tro­pen­me­di­zin der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. „Sie for­dert zwar nicht wie Corona Tau­sende Erkrankte auf ein­mal. Den­noch ster­ben jähr­lich zahl­rei­che Men­schen an den Fol­gen von resis­ten­ten Erre­gern.“ Dem­nach sol­len im Jahr 2019 welt­weit rund 1,27 Mil­lio­nen Men­schen an den Fol­gen einer Infek­tion mit Anti­bio­tika-resis­ten­ten Erre­gern ver­stor­ben sein. Als beson­ders „pro­ble­ma­tisch“ (Lag­ler) erwie­sen sich gram­ne­ga­tive Erre­ger wie E. coli, K. pneu­mo­niae und P. aeru­gi­nosa. Auch in Öster­reich lasse sich bei gram­ne­ga­ti­ven Bak­te­ri­en­stäm­men „ein gewis­ser Trend“ erken­nen, wonach „immer häu­fi­ger Erre­ger auf gewisse Anti­bio­tika resis­tent“ wür­den, sagt Lag­ler. Laut dem aktu­el­len Anti­bio­tika-Resis­tenz­be­richt (AURES) des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums liegt die Resis­tenz bei vie­len Sub­stan­zen zwi­schen zehn und 25 Pro­zent. Einem Anti­bio­gramm vor Anti­bio­tika-Ver­ord­nung käme den Aus­sa­gen von Lag­ler daher zen­trale Bedeu­tung zu, denn „es gibt fast immer eine Therapieoption“.

Die Situa­tion in Österreich

Völ­lig anders sieht hin­ge­gen die Situa­tion bei gram­po­si­ti­ven Erre­gern aus. „Hier sind die Resis­ten­zen sta­bil bis rück­läu­fig“, wie Lag­ler betont. Und vor die­sem Hin­ter­grund sei die Situa­tion in Öster­reich weder „dra­ma­tisch noch schlimm“. Auch Univ. Prof. Petra Apfal­ter vom Insti­tut für Hygiene, Mikro­bio­lo­gie und Tro­pen­me­di­zin des Ordens­kli­ni­kums in Linz betont, dass die Lage in Öster­reich im Ver­gleich zu ande­ren euro­päi­schen Län­dern „sehr güns­tig“ sei. Die Befürch­tung, wonach S. aureus „mul­ti­re­sis­tent würde“, habe sich nicht bewahr­hei­tet. Im Gegen­teil: Im letz­ten AURES-Bericht ist fest­ge­hal­ten, dass es im Fünf-Jah­res-Rück­blick sogar zu einem Rück­gang um 4,1 Pro­zent beim Methi­cil­lin-resis­ten­ten S. aureus (MRSA) gekom­men ist. Ebenso konnte in Öster­reich noch nie ein inva­si­ves St. aureus-Iso­lat mit einer Resis­tenz gegen­über Van­co­my­cin detek­tiert wer­den. „Die offi­zi­el­len Daten spie­geln dabei die schlim­mere Vari­ante wider, weil sie auf Pro­ben von Pati­en­ten basie­ren, die bereits meh­rere frus­trane The­ra­pie­ver­su­che durch­lau­fen haben“, sagt Apfal­ter und ver­weist dar­auf, dass die Resis­tenz­rate „sogar noch dar­un­ter liegt“. Das bedeute jedoch nicht, dass alles in Ord­nung sei, rela­ti­viert die Exper­tin, denn: „Die Resis­tenz­ent­wick­lung ist ein lang­sa­mer Pro­zess und keine Erdrutschbewegung.“

Rück­gang beim Antibiotika-Verbrauch

Von 2019 zu 2020 wurde in Öster­reich ein Rück­gang beim Anti­bio­tika-Ver­brauch regis­triert. Lag die­ser im Jahr 2019 bei 55.231 Kilo­gramm, waren es 2020 nur noch 47.455 Kilo­gramm. Die Resis­tenz­ent­wick­lung wie­derum geht mit dem Ver­brauch ein­her – von eini­gen weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen. Die­ser Ver­brauch vari­iere im Laufe des Jah­res. Kri­tik üben beide Exper­ten an der Ver­schrei­bung von Anti­bio­tika bei Atem­wegs­in­fek­ten, die „pri­mär von Viren aus­ge­löst wer­den“. Dies sei nicht nur „nutz­los, weil unwirk­sam“, son­dern erhöhe auch die Gefahr von Resis­tenz­ent­wick­lun­gen. Die stei­gende Resis­tenz von Reserve-Anti­bio­tika wie Car­ba­pe­n­eme gegen­über Ente­ro­bac­te­riaceae wie Kleb­si­ella pneu­mo­niae und E. coli und Non­fer­men­ter wie Pseu­do­mo­nas aeru­gi­nosa und Aci­n­et­o­bac­ter bau­man­nii bezeich­net Apfal­ter als „besorg­nis­er­re­gend – aller­dings pri­mär für den sta­tio­nä­ren Bereich“.

Apfal­ter und Lag­ler emp­feh­len den Ein­satz von schnel­len ‚Point of Care-Tests‘ bei nie­der­ge­las­se­nen Ärz­tin­nen und Ärz­ten. „Die schnelle Ermitt­lung des CRP bei­spiels­weise gibt rasch Aus­kunft dar­über, ob eine bak­te­ri­elle Pneu­mo­nie vor­liegt. Ein eit­ri­ges Spu­tum ist ein kla­rer Hin­weis auf Bak­te­ri­en­be­tei­li­gung und eine Indi­ka­tion für die Ver­ord­nung eines Anti­bio­ti­kums“, betont Lag­ler. Ähn­li­che Schnell­tests geben auch Hin­weise auf das Vor­lie­gen von Pneu­mo­kok­ken oder Legio­nel­len im Harn. Exis­tie­ren bei einer Pha­ryn­gi­tis eit­rige Belege, ist das ein Hin­weis auf Strep­to­kok­ken-Besied­lung und somit die Ver­ord­nung von Peni­cil­lin gerecht­fer­tigt. Auch die Nach­frage hin­sicht­lich Aus­lands­auf­ent­hal­ten hilft bei der Ent­schei­dung bezüg­lich der Ver­schrei­bung von Anti­bio­tika. „Das ist nicht nur wich­tig wegen diver­sen Tro­pe­n­er­kran­kun­gen, son­dern viel­mehr wegen der Tat­sa­che, ob jemand im Aus­land im Kran­ken­haus gele­gen ist. Die MRSA-Rate ist dort näm­lich wesent­lich höher als in Öster­reich“, gibt Lag­ler zu beden­ken. Er spricht sich dar­über hin­aus für einen „ratio­na­le­ren Anti­bio­ti­ka­ein­satz“ aus. Es müsse das Anti­bio­ti­kum aus­ge­wählt wer­den, das den Grund­sät­zen schma­les Wir­kungs­spek­trum, große the­ra­peu­ti­sche Wir­kung und gute Gewe­be­ver­tei­lung am Ort der Infek­tion folge.


Anti­bio­tika-­Emp­feh­lung

  • Unkom­pli­zier­ter Harn­wegs­in­fekt: Nitrof­u­ran­toin, Piv­me­cil­linam oral (alter­na­tiv: Fosfomycin)
  • Fie­ber­haf­ter Harn­wegs­in­fekt (meist Pye­lo­n­e­phri­tis): Amoxicillin/​Clavulansäure oral (alter­na­tiv: Cefalexin)
  • Akute Bron­chi­tis (meist viral): kein Antibiotikum
  • Chro­ni­sche Bron­chi­tis: Amoxi­cil­lin oral (alter­na­tiv: Clari­thro­my­cin, Moxiflo­xa­cin, Levofloxacin)
  • Pneu­mo­nie ohne Kom­or­bi­di­tä­ten bei unter 50-Jäh­ri­gen: Amoxi­cil­lin oral (alter­na­tiv: Doxy­cy­clin, Clarithromycin)
  • Pneu­mo­nie mit Komo­bi­di­tä­ten, schwe­rer Ver­lauf: Amoxicillin/​Clavulansäure i.v. (alter­na­tiv: Cefu­ro­xim i.v.)
  • Dia­be­ti­scher Fuß: Amoxicillin/​Clavulansäure i.v. (alter­na­tiv: Cefazolin)
  • Angina ton­sil­la­ris: Peni­cil­lin G i.v. (alter­na­tiv: Cefa­zo­lin), Peni­cil­lin V oral (alter­na­tiv: Cefazolin)
  • Oti­tis media: Amoxicillin/​Clavulansäure i.v. (alter­na­tiv: Cefazolin)

Quelle: Med­Uni Wien, Abtei­lung für Innere Medi­zin I


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2023