Stand­punkt Harald Mayer: Den Jun­gen zuhören

26.05.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Dr. Harald MayerWenn sich zwei Fremde ken­nen ler­nen – auf einem Kon­gress, an der Bar oder bei einem Event – fällt irgend­wann die klas­si­sche Frage: Was machen Sie eigent­lich beruf­lich? Viel span­nen­der ist jedoch die Frage nach dem „Warum“ man einen Job macht. Für junge Frauen und Män­ner, die sich über­le­gen, Ärz­tin oder Arzt zu wer­den, klingt das heute so: „Warum sollte ich unter den aktu­el­len Bedin­gun­gen über­haupt den Arzt­be­ruf in Öster­reich ergrei­fen?“. Wir müs­sen sie schnell wie­der für den Arzt­be­ruf moti­vie­ren, sonst ist unsere Gesund­heits­ver­sor­gung ernst­haft gefährdet.

Ver­folgt man aber die poli­ti­sche Dis­kus­sion rund um die Siche­rung des Gesund­heits­sys­tems, so stößt man auf The­men und Schlag­worte, die davor abschre­cken, auch nur einen Fuß in eine medi­zi­ni­sche Uni­ver­si­tät zu set­zen und sich die ins­ge­samt zwölf Jahre Aus­bil­dung bis zum Fach­arzt anzu­tun. Es geht um den Per­so­nal­man­gel durch offene und nicht nach­be­setzte Dienst­stel­len auf Kos­ten derer, die noch da sind und wil­lens und moti­viert, in den Spi­tä­lern, aber auch im nie­der­ge­las­se­nen Bereich, zu arbei­ten. Es geht um die unzu­rei­chende Finan­zie­rung unse­res Gesund­heits­sys­tems, um eine seit Jah­ren feh­lende Attrak­ti­vie­rung des Kas­sen­be­reichs und um das sinn­lose Beschä­di­gen des Wahl­arzt­be­reichs. Dazu kom­men die immer schlech­ter wer­den­den Arbeits­be­din­gun­gen vor allem in den Spi­tä­lern, weil es keine funk­tio­nie­rende Pati­en­ten­len­kung gibt und jeder mit jedem Weh­weh­chen unge­bremst in die Ambu­lan­zen kom­men kann. Aber die maß­lo­sen Über­stun­den des letz­ten Jahr­tau­sends sind dank KA-AZG passé, nie­mand will mehr 80 oder 100 Stun­den pro Woche arbeiten.

Spricht das alles für den Arzt­be­ruf? Wohl kaum. Daher muss die Poli­tik end­lich damit begin­nen, den Jun­gen zuzu­hö­ren und zu berück­sich­ti­gen, wie sie jetzt und künf­tig arbei­ten wol­len – unter Arbeits­be­din­gun­gen, die den Anfor­de­run­gen des 21. Jahr­hun­derts und der jewei­li­gen Lebens­si­tua­tion ent­spre­chen; mit mehr Geld im Sys­tem und damit mehr Per­so­nal; ohne Zwang und mit der Mög­lich­keit zu fle­xi­blen Arbeits­zeit­mo­del­len; und mit genug Zeit für das, wofür man stu­diert hat, näm­lich als Arzt für die Pati­en­ten da zu sein.

Wir als Ärz­te­kam­mer haben vor kur­zem ganz genau hin­ge­hört bei der von uns initi­ier­ten Enquete „Arbeits­platz Spi­tal – wie die Jun­gen künf­tig arbei­ten wol­len“. Die wich­tigs­ten Erkennt­nisse und einen Rück­blick auf die tolle Ver­an­stal­tung fin­den Sie auf Seite 9.

Dr. Harald Mayer
2. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2023