OECD-Stu­die: Schwä­chen im System

26.04.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Eine aktu­elle OECD-Stu­die zeigt, dass das Gesund­heits­sys­tem in Öster­reich zwar sehr gut ist, aber Schwä­chen auf­weist. Zu die­sen zäh­len ein zu star­ker Fokus auf die Spi­tä­ler, der Kas­sen­ärz­te­man­gel sowie die zu wenig beach­tete Rolle der Gesundheitsvorsorge. 

Sophie Nie­denzu

Die Ver­sor­gung und der Zugang zum Gesund­heits­sys­tem sind in Öster­reich laut der OECD-Stu­die „Health at a Glance“ im inter­na­tio­na­len Ver­gleich sehr gut, man steuere aber auf einen Man­gel im nie­der­ge­las­se­nen Bereich zu. Das hei­mi­sche Gesund­heits­sys­tem ist zudem ver­gleichs­weise teuer: Im OECD-Ver­gleich inves­tie­ren nur Deutsch­land, Frank­reich und Schwe­den mehr in die Gesund­heits­leis­tun­gen. Die Stu­die zeigt auch, dass Öster­reich sehr hohe Spi­tals­ka­pa­zi­tä­ten hat. Die Ursa­chen dahin­ter sind viel­fäl­tig, eine davon liegt im Kas­sen­ärz­te­man­gel. Die Folge sind lange War­te­zei­ten oder das Aus­wei­chen auf Ambu­lan­zen. Eine starke Pri­mär­ver­sor­gung ver­hin­dere Spi­tals­auf­nah­men, sagte Fran­ce­sca Colombo, Lei­te­rin der Gesund­heits­ab­tei­lung bei der OECD, im Rah­men der Prä­sen­ta­tion der Stu­di­en­ergeb­nisse. Man könnte mehr Ein­griffe in den ambu­lan­ten Bereich ver­le­gen, sagte sie. Der sta­tio­näre Bereich könne nur ent­las­tet wer­den, wenn die Kas­sen­me­di­zin gestärkt werde.

Neues Finan­zie­rungs­mo­dell

Um das Gesund­heits­sys­tem zukunfts­fit zu machen, müsste nicht nur der Kas­sen­be­reich moder­ni­siert wer­den, son­dern auch die Finan­zie­rung auf andere Beine gestellt wer­den. Ange­sichts der bevor­ste­hen­den Finanz­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen hat sich die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer für eine getrennte Finan­zie­rung von ambu­lan­tem und sta­tio­nä­rem Bereich aus­ge­spro­chen. Das bedeu­tet, dass der Kas­sen­be­reich und die Spi­tals­am­bu­lan­zen aus einem Topf, der über das Gesamt­ver­trags­sys­tem gesteu­ert und befüllt wird, finan­ziert wer­den. Der sta­tio­näre Bereich speist sich in die­sem Modell aus einem zwei­ten Topf, den wie bis­her die Lan­des­ge­sund­heits­fonds bereit­stel­len. Eine von den Län­dern ins Spiel gebrachte dritte Säule ist nicht vor­ge­se­hen. „Es gibt schon jetzt sehr viele unter­schied­li­che Töpfe, Finan­zie­rungs­va­ri­an­ten und Rei­bungs­ver­luste – die­ses Modell würde end­lich das Hin- und Her­ge­schiebe zwi­schen nie­der­ge­las­se­nem Bereich und Spi­tals­be­reich been­den“, sagt ÖÄK-Prä­si­dent Johan­nes Stein­hart. Aktu­ell sei es so, dass die Kas­sen wenig Moti­va­tion hät­ten, den nie­der­ge­las­se­nen Bereich aus­zu­bauen, da Ver­sor­gungs­de­fi­zite ohne­hin gesetz­lich über die Ambu­lan­zen auf­ge­fan­gen wer­den müs­sen, in denen die Kos­ten für die Kasse pau­scha­liert sind. „Unser bevor­zug­tes Modell würde Anreize für die Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger bie­ten, den wohn­ort­na­hen, extra­mu­ra­len Bereich zu stär­ken“, betont Stein­hart. Natür­lich müss­ten zur Imple­men­tie­rung den Kas­sen auch die ent­spre­chen­den Mit­tel zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Prä­ven­tion verstärken

Eine nach­hal­tige Finan­zie­rung müsse zudem die Prä­ven­tion inklu­die­ren. Die Aus­ga­ben für Gesund­heits­vor­sorge in Öster­reich seien ehr gering und man könne hier noch viel mehr bewe­gen, so Colombo. „Wir müs­sen weg­kom­men von unse­rer kost­spie­li­gen Repa­ra­tur­me­di­zin hin zu einer Prä­ven­ti­ons­me­di­zin“, sagt Stein­hart. Ein Bei­spiel: Bei Adi­po­si­tas zahlte die Kasse keine Medi­ka­mente zur Behand­lung, dafür aber einen ope­ra­ti­ven Ein­griff ab einem gewis­sen BMI: „In die­ser Logik müsste der Arzt also sei­nem adi­pö­sen Pati­en­ten raten, noch ordent­lich zuzu­neh­men, damit er zu einer ¬– wohl­ge­merkt maxi­mal­in­va­si­ven – Behand­lung sei­ner Krank­heit kommt“, kri­ti­siert Stein­hart. Es gebe eine Viel­zahl sol­cher Bei­spiele im aktu­el­len Sys­tem. Nur zwei bis drei Pro­zent der Gesund­heits­aus­ga­ben flie­ßen in echte Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men (ohne Ter­ti­är­prä­ven­tion, wie Reha­bi­li­ta­tio­nen) – und diese Quote sta­gniert seit Jah­ren: „Das zeigt sehr deut­lich, wie­viel Poten­tial das Gesund­heits­sys­tem hat, wenn die Prä­ven­tion ver­stärkt in den Mit­tel­punkt gesetzt wird“, sagt Stein­hart abschließend.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2023