Kommunalwirtschaftsforum 2023: Nah bei den Menschen

24.03.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Unter dem Motto „Meine Gemeinde – meine Ärztin, mein Arzt“ bot die Österreichische Ärztekammer im Rahmen des Kommunalwirtschaftsforum 2023 ein umfangreiches Informationsprogramm für die Top-Entscheider der Gemeinden.

Sascha Bunda

Wer sich die Lebensläufe der österreichischen Nationalratsabgeordneten ansieht, stellt schnell fest: Die klassische Karriere der Abgeordneten beginnt im Regelfall mit dem Willen, auf kommunaler Ebene Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen zu wollen. Das spiegelt sich in folgenden Zahlen wider: 16 aktive Bürgermeister sitzen aktuell im Nationalrat, dazu kommen 46 aktive Gemeinderatsmitglieder. Weitere sieben Abgeordnete sind ehemalige Bürgermeister, dazu kommen 35 ehemalige Gemeinderäte. Kurz gesagt: Die Probleme und der Alltag in den Gemeinden sind der Mehrheit der Nationalratsabgeordneten vertraut. Eine der größten Herausforderungen, die aktuell auf die Gemeinden zukommt, ist die ärztliche Versorgung auf kommunaler Ebene – angesichts von aktuell 300 offenen Kassenstellen und einer immer deutlicher zu Tage tretenden Pensionierungswelle droht mittelfristig sogar eine weitere Verschärfung der Situation. Daher entschied sich die Österreichische Ärztekammer dazu, erneut einen großen Schritt auf die Top-Entscheidungsträger der Gemeinden zuzugehen, sie zu informieren und aktiv das Gespräch zu suchen. Das jährlich stattfindende Kommunalwirtschaftsforum bietet dazu den optimalen Rahmen, denn hier geht es über zwei Tage in zahlreichen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops richtig zur (Gemeinde-)Sache. Für die Veranstaltung, die 2023 im steirischen Loipersdorf stattfand, schnürte die ÖÄK daher ein umfangreiches Programmpaket.

Für angeregte Diskussionen und nähere Gespräche standen am ÖÄK-Stand jederzeit kompetente Experten mit ihrem Fachwissen zur Verfügung. „Ich bin nur wegen euch hergekommen“, freute sich eine steirische Bürgermeisterin auf Anhieb und unterzeichnete gleich auch die ÖÄK-Petition zur ärztlichen Versorgung. Schon am ersten Nachmittag stand das erste Highlight auf dem Programm, das sofort alle Problemstellungen auf den Punkt brachte und gleichzeitig für die Ärztekammer die Möglichkeit zur Unterstützung bot. Reingard Glehr, Hausärztin in Hartberg sowie Vorstandsmitglied der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM) und der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) erarbeitete mit den Teilnehmern im vollbesetzten Workshop „Wohnortnahe medizinische Versorgung – jetzt und in Zukunft“ nach einer kurzen Einführung ins Thema im persönlichen Austausch Ideen zur optimalen ärztlichen Versorgung. Schnell wurde deutlich, wie drängend das Problem auf der kommunalen Ebene bereits jetzt ist. „Wenn wir unseren Leuten keinen Arzt besorgen kann, dann werden wir abgewählt, egal von welcher Partei wir sind“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Glehr legte in der Diskussion großes Augenmerk auf die Erwartungen des Ärztenachwuchses. Die fehlende Anonymität und die Erwartung der Bevölkerung, dass der Arzt rund um die Uhr für die medizinischen Probleme da ist, kollidiert mit dem Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und der Möglichkeit., Beruf und Familie zu vereinen, schilderte die Allgemeinmedizinerin. Auf politischer Ebene müssten dringend neue Arbeitsmöglichkeiten und verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen werden, Gemeinden seien bei Starthilfe und Aufbau der Ordination gefordert, unterstrich Glehr.

Dietmar Bayer, stellvertretender Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK und Vizepräsident der Ärztekammer für Steiermark, zeigte am Finaltag mit seiner Keynote „Gemeinde und Ärztevertretung – gemeinsam für die Stärkung der Regionen“ auf, wie durch optimales Zusammenspiel zwischen Gemeinde und Ärzteschaft eine Verbesserung der Situation erreicht werden kann. Bayer unterstrich nochmals die Bedeutung von Hausapotheken am Beispiel des steirischen Sulmtales. Hier gibt es in der Gemeinde St. Peter eine offene Kassenstelle, weil der langgediente Gemeindearzt nach über dreißigjähriger Tätigkeit im Alter von 70 Jahren seine Pension antritt. Die Nachfolgersuche gestaltet sich für die Gemeinde schwierig. Zeitgleich suchte auch der Nachbarort St. Martin einen Allgemeinmediziner. Dort, wo es eine Hausapotheke gibt, gibt es solche Probleme nicht. Die Kilometergrenze, die aktuell Hausapotheken verhindert, müsse endlich weg, forderte Bayer – ein duales System auf öffentlichen Apotheken und Hausapotheken würde für alle Beteiligten – auch für die Gemeinden – die optimale Versorgung bedeuten.

Mit der Podiumsdiskussion „Krisenmanagement, Versorgungssicherheit und Krisenkoordinationsgesetz“ fand das ÖÄK-Programm seinen Abschluss. Die Ärztekammer wurde am hochkarätig zusammengestellten Podium durch Alexander Moussa, kassenärztlicher Referent in der Ärztekammer für Steiermark und Leiter des ÖÄK-Referats eHealth in Ordinationen vertreten. Im Dialog unter anderem mit Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig und Peter Klar, der als Arzt und Bürgermeister von Laab im Walde in Personalunion beide Seiten wie kein zweiter kennt, wurden spannende Einblicke geboten.

Die erste Teilnahme am Kommunalwirtschaftsforum war aus Sicht der Ärztekammer ein voller Erfolg. Das Bewusstsein, dass Ärztevertretung und Gemeinden gemeinsam neue Impulse für eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung setzen können, wurde bei den anwesenden Gemeindevertretern klar verankert. Angesichts des starken kommunalen Einflusses im Nationalrat stehen die Zeichen gut, dass sich dieses Bewusstsein seinen Weg auch in dieses Gremium bahnt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2023