BKAÄ: Ausbildung – Basis-Diskussion

10.05.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Nach dem erfolgreichen Abschluss eines Medizinstudiums folgt auf dem Weg in den Arztberuf, bevor es in die konkrete Facharztausbildung geht, die neun Monate dauernde Basisausbildung. Diese ist in Teilen der Ärzteschaft umstritten, wird in anderen Teilen aber sehr wertgeschätzt – ein Blick auf die Für und Wider der ärztlichen Basisausbildung.

Thorsten Medwedeff

Die verpflichtende ärztliche Basisausbildung gibt es in Österreich seit dem Jahr 2015. In Deutschland und in der Schweiz konnten und können die Absolventen des Medizinstudiums allerdings sofort mit der Facharztausbildung beginnen und müssen diese für Turnusärzte für Allgemeinmedizin oder für ein Sonderfach geltende Basisausbildung nicht absolvieren. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil im Ringen um die besten Köpfe. Acht Jahre später steht daher die Basisausbildung auf dem Prüfstand. In der Ärzteschaft sind die Meinungen so geteilt wie selten bei einem Ausbildungsthema. Die einen wollen die Basisausbildung auf dem Weg zum Facharzt ersatzlos streichen, die anderen befinden sie für extrem wertvoll und wichtig und wieder andere wollen, dass sie auf freiwilliger Basis weiterhin angeboten werden sollte. Fakt ist, dass sich seit ihrer Einführung die Zeiten stark verändert haben: Der Ärztemangel hat sich weiter verschärft, Mangelfächer werden immer häufiger und das Studium selbst wurde insbesondere durch das so genannte Klinisch-Praktische Jahr (KPJ) ab dem 11. Semester, und damit kurz vor dem Ende des Studiums, mehr in Richtung Praxis weiterentwickelt – um nur einige der Fakten zu nennen.

KPJ stärken und Basisausbildung abschaffen?

Das KPJ ist auch einer der Faktoren, der für die Befürworter einer Abschaffung der Basisausbildung ganz eindeutig für diesen Schritt spricht: „Mittlerweile gibt es das KPJ an allen Universitäten. Was die Studierenden in den 48 Wochen im klinisch-praktischen Jahr machen, und was sie in den anschließenden Monaten in der Basisausbildung machen, ist von den Aufgaben und Tätigkeiten und Lerninhalten sehr ähnlich“, betont Daniel von Langen, Vorsitzender des Bildungsausschusses der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Anästhesist am LKH Hochzirl-Natters, Standort Natters, in Tirol. „Aus heutiger Sicht ist es nicht zielführend, das gleiche Rad nochmals durchzumachen – auch wenn die Rollen sich unterscheiden. KPJ und Basisausbildung sind in ihrer aktuellen Form quasi eine Doublette, da wie dort lernt man verschiedene Abteilungen und Fächer kennen.“ Er könne sich auch eine weitere Stärkung des KPJ vorstellen – unter Einbeziehung der medizinischen Universitäten in Wien, Graz, Innsbruck und der Fakultät in Linz, aber auch der privaten Universitäten, an denen in Österreich Medizin studiert werden kann. „Vielleicht kann man die praktische Ausbildung im Studium so verfestigen, dass das KPJ die Basisausbildung 1:1 ersetzt und wir Letztere eigentlich nicht mehr brauchen. Ziel wäre es, hier eine gemeinsame Strategie mit den Universitäten anzudenken und zu entwickeln.“

Die Basisausbildung ist auch ein häufig genannter Grund, weiß von Langen, wenn es darum geht, warum der ärztliche Nachwuchs in vielen Fällen ins Ausland abwandert oder überhaupt aus dem ärztlichen Beruf ausscheidet. „Viele gehen weg, um gleich mit der Facharztausbildung zu beginnen. Besser wäre es, wenn wir das Angebot für das klinisch-praktische Jahr ausweiten würden und das KPJ in wirklich jedem Krankenhaus in Österreich anbieten könnten. Zudem fehlt es momentan an der Planbarkeit in der Basisausbildung – es steht nämlich keineswegs fest, ob ich danach in jenem Fach, für das ich mich entschieden habe, überhaupt eine Facharztausbildungsstelle an ‚meinem‘ Spital bekomme. Das wirkt natürlich nicht besonders motivierend.“

An der Schwelle zum Arztberuf

Eher pro Basisausbildung sieht sich Cornelia Sitter, Referentin im Referat für Jungmedizinerinnen und Jungmediziner der ÖÄK, aber auch sie schränkt ein: „Wenn die Basisausbildung ernst genommen wird, wie es bei mir der Fall war, und man als Ärztin oder Arzt nicht nur für Systemerhalter-Aufgaben herangezogen wird, dann ist sie sinnvoll und bringt einem die nötigen Basisfertigkeiten fürs spätere Berufsleben näher. Bei einer gut organisierten Basisausbildung kann man viel lernen und sieht viele Abteilungen in einem Haus.“ Die Durchführung der Basisausbildung variiere aber von Krankenhaus zu Krankenhaus und von Bundesland zu Bundesland zu sehr. Bei einer spontanen Umfrage unter Turnusärzten in der Ärztekammer Oberösterreich, wo die Turnusärztin am Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum Steyr als Turnusärztevertreterin und Kurienobmann-Stellvertreterin der angestellten Ärzte fungiert, hat sich die Mehrheit uneingeschränkt für die Beibehaltung der Basisausbildung ausgesprochen. Niemand war dezidiert dagegen. Sitters Schlussfolgerung: „Das zeigt aber auch, dass die Basisausbildung bei uns in Oberösterreich gut funktioniert und daher wertgeschätzt wird. In anderen Bundesländern läuft es offensichtlich teilweise nicht so gut.“ Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis ist auch die Turnusärzte-Umfrage der Bundeskurie angestellte Ärzte (BKAÄ) im Jahr 2020 gekommen. Von Langen ergänzt: „Man muss aber bedenken, dass alle diese Umfragen unter jenen abgehalten wurden, die eben nicht gegangen sind.“

„Was aber, sollte die Basisausbildung wirklich eventuell abgeschafft werden, nicht passieren darf, ist, dass alle Systemerhalter-Aufgaben dann auf die angehenden Allgemeinmediziner abgewälzt werden dürfen. Das wäre in höchstem Maße kontraproduktiv“, warnt Sitter abschließend.

Faktor Ausbildung, Faktor Zeit

Daher ist es generell ratsam, die ärztliche Ausbildung zu evaluieren und zu hinterfragen. Sei es, Inhalte ins Klinisch-Praktische Jahr zu verlagern und das dortige, sehr gut funktionierende Mentorensystem noch besser zu nutzen und die Basisausbildung eventuell abzuschaffen – oder diese eben zu verbessern und dort genau das zu tun, wofür sie da ist, nämlich eine optimale Basis für das spätere Wirken als Arzt zu legen.

Die ärztliche Ausbildung in Österreich muss ins Zentrum und nicht an den Rand gedrängt werden, betonen von Langen und Sitter unisono und können sich dabei der Unterstützung der gesamten Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK sicher sein: „Die jungen Kolleginnen und Kollegen wollen primär gute Ärzte sein und werden und dafür sind viele von ihnen bereit, einen beschwerlichen und langen Weg zu gehen.

Daher bedarf es dringend unser aller Anstrengungen, um die Bedingungen in der Ausbildung, aber auch der Arbeitsbedingungen als Arzt an sich, nachhaltig zu verbessern.“ Eine der wichtigsten Ressourcen dabei ist Zeit. Das führt einerseits von der ausreichenden Zeit für die Ausbildung und Lehre bis hin zu flexiblen, auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmten Arbeitszeit-Modellen bis hin zur Entlastung der Ärzte von administrativen und dokumentarischen Tätigkeiten, um mehr Zeit dafür zu haben, wofür sie jahrelang studiert, gelernt und praktiziert haben: fürs Arztsein und für Patienten da zu sein.

Schon bei der Online-Turnusärztebefragung, die die Bundeskurie angestellte Ärzte der ÖÄK in Zusammenarbeit mit IMAS im Jahr 2020 durchgeführt hatte, hatten 36 Prozent der 1.224 Teilnehmer angegeben, dass sie bereit sind ins Ausland zu gehen, wenn sie den Eindruck hätten, dass die Ausbildung dort besser ist. Die deutliche Mehrheit, nämlich 79 Prozent, hatte laut der Online-Umfrage den Eindruck, dass das Stammpersonal nicht genügend Zeit habe, um sich um die Ausbildung zu kümmern, lediglich 18 Prozent gaben an, dass genügend Zeit vorhanden sei. Dies korrelierte auch mit den Bewertungen der Ausbildung an sich – dort, wo die leitenden Ärzte ein Interesse an der Ausbildung und Zeit dafür haben, waren die Bewertungen gut, und dort schlecht, wo die Zeit dafür gering sei. „Und das hat sich seither nicht geändert, sondern eher noch verschärft“, fasst von Langen zusammen. „Die Arbeitsbelastung der Ärzte in den Spitälern nimmt weiter zu und Ausbildung wird vielerorts leider weiterhin als zusätzliches Hobby betrachtet. Die Ausbildung muss genutzt werden, um ärztliche Kompetenzen zu erwerben – und nicht, um Hilfsarbeiten auszuführen. Sie ist eine Verpflichtung und Teil des ärztlichen Selbstverständnisses. Die Politik, also Bund, Länder und ihre Spitalsträger sind gefordert, die nötigen Zeit-Ressourcen und damit Zeit für gute Ausbildung zu schaffen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2023