Horizonte: Alfred Nobel und der Nobelpreis – Das Dynamit und der Frieden

26.10.2022 | Service

Alfred Nobel arbeitete an der Erfindung des Sprengstoffs, um Kriege dadurch unmöglich zu machen; 1866 erfand er das Dynamit. In seinem Testament verfügte er, dass mit seinem Vermögen eine Stiftung gegründet werden sollte – was fünf Jahre nach seinem Tode erfolgte. Die ersten Nobelpreise wurden 1901 vergeben.

Manuela-C. Warscher

Eben sowie Bertha von Suttner machte sich auch der Techniker Alfred Nobel (1833-1895) Gedanken über Krieg und Frieden. Dafür arbeitete der schwedische Erfinder und Industrielle unbeirrt an der Erfindung eines Sprengstoffs „mit fürchterlicher, massenhaft verheerender Wirkung“, um „Kriege dadurch unmöglich“ zu machen. Nobel war sich der Widersprüchlichkeit seiner Arbeit an Sprengstoffen und Überlegungen zum Weltfrieden durchaus bewusst. Um mit dem inneren Zwiespalt fertig zu werden, verbrachte der für sein Einzelgängertum bekannte Forscher täglich mehr als 15 Stunden im Labor und verließ es manchmal oft tagelang nicht. Schon 1864 dachte Nobel, eine Methode entdeckt zu haben, Nitroglyzerin unter Kontrolle bringen zu können, und ließ sie patentieren.

Es war eine folgenschwere Fehlannahme. Zunächst kam es bei einem Versuch mit Nitroglycerin in Stockholm zu einer Explosion, bei der sechs Menschen – darunter auch der Bruder von Alfred Nobel, Emil – ums Leben kamen. Im Jahr1866 explodierte die Nitroglycerin-Fabrik von Alfred Nobel bei Geesthacht an der Elbe. Nach diesem neuerlichen Unglück riss die öffentliche Kritik an ihm nicht mehr ab. Er kündigte den Behörden im Herzogtum Lauenburg an, einen sichereren Sprengstoff zu erfinden – war doch der Bedarf beim Eisenbahn- und Tunnelbau enorm. Zahlreiche Versuche später fand Nobel mit Kieselgur die richtige Mischung zur Stabilisierung von Nitroglycerin. Umstritten bleibt allerdings bis heute, ob es sich dabei nicht um einen Zufall gehandelt hat. Kieselgur reduziert die Sprengkraft von Nitroglycerin nur um ein Viertel, allerdings wird es dadurch wesentlich unempfindlicher für Erschütterungen. Alfred Nobel bezeichnete es als „Dynamit oder Nobels Sicherheits-Pulver“ – nach dem altgriechischen Wort dynamis (Kraft). Das Patent dafür – eines von insgesamt 355 in seinem Leben – erhielt er 1867.

Geld für die Wissenschaft

Geld der Wissenschaft zu spenden, das dürfte Nobel schon lange vor seinem Tod geplant haben, sind seine Biografen überzeugt. Oft wird behauptet, er habe den Preis gestiftet wegen seines schlechten Gewissens, da seine Erfindungen für den Krieg genutzt wurden und er Eigner von Rüstungsunternehmen war. Viele halten es auch für möglich, dass die Nachrufe auf seinen vermeintlichen Tod im Jahr 1888 (sein Bruder Ludvig war gestorben; die Vornamen wurden verwechselt) den Anstoß für den Nobelpreis gaben. Immerhin wurde Nobel dort als „Kaufmann des Todes“, der „der Menschheit [nichts] Gutes getan“ habe, beschrieben.

Daraufhin verfügte Nobel in seinem Testament, dass mit seinem Vermögen eine Stiftung gegründet werden sollte, deren Zinsen „als Preis denen zugeteilt [würde], die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. Das Geld sollte zu fünf gleichen Teilen auf die Wissenschaftsbereiche Physik, Chemie, Physiologie/Medizin, Literatur und Friedensbemühungen aufgeteilt werden. Wieso es diese fünf Kategorien sind, ist nicht bekannt. Von seinem Vermögen in der Höhe von 31 Millionen schwedischen Kronen (entspricht aktuell einem Kaufwert von 1,65 Milliarden Kronen) sollten rund 94 Prozent für die Preise verwendet werden; das übrige Geld war für Zuwendungen an Menschen in seinem Umfeld gedacht.

Fünf Jahre nach dem Tod von Alfred Nobel wurde die Stiftung im Jahr 1900 ins Leben gerufen; ein Jahr später die ersten Nobelpreise verliehen. Kritik am Nobelpreis kam von den Zeitgenossen von Alfred Nobel: vor allem von den Skandinaviern und auch von der Familie, die Nobel enterbt hatte. Für den schwedischen Dramatiker August Strindberg blieb das Preisgeld „Dynamit-Geld“. Und Albert Einstein betonte 1945 in einer Rede bei einem Nobelpreisträgerbankett: „Um sein Gewissen zu erleichtern, stiftete [Nobel] den Nobelpreis.“

Die „Friedens-Bertha“

Die „Friedens-Bertha“ – wie Bertha von Suttner (1843-1914) von Zeitgenossen bezeichnet wurde, schlug Nobel vor, einen Teil seines Vermögens verschiedenen Friedensbewegungen zu spenden. Diesen „Friedenspreis“ sollte Suttner als erste Frau erst im fünften Jahr der Nobelpreisvergabe, 1905, erhalten. Die aus verarmtem böhmischen Landadel stammende Suttner – eine geborene Gräfin Kinsky – lernte Nobel 1876 kennen. Sie war damals zwei Wochen seine Privatsekretärin. Kaum bei Nobel in Paris angekommen, verließ sie ihn gleich wieder, um nach einer heimlichen Hochzeit mit ihrem Ehemann Baron Arthur von Suttner in den Kaukasus aufzubrechen und dort die nächsten acht Jahre zurückgezogen zu leben. In Paris blieb ein melancholischer verschmähter Nobel zurück. Der Kontakt zu Suttner riss jedoch zeitlebens nicht mehr ab.


Die Nobelpreis-Medaille

Von 1901 bis 1980 wurden die Nobelpreismedaillen aus 23-karätigem Gold hergestellt. Ab dann wurden sie aus 18 Karat Grüngold hergestellt; überzogen mit einer 24 Karat Goldschicht. Der Durchmesser der 175 Gramm schweren Medaille beträgt 66 Millimeter. Da der Entwurf der Medaille für die erste Preisverleihung im Jahr 1901 noch nicht ganz fertig war, haben sie erst ab 1902 das heutige Aussehen.

Bei der Herstellung und Gestaltung der Nobelpreis-Medaillen muss sich die schwedische Prägestätte an die Richtlinien der Nobelstiftung halten. Demnach muss auf der Vorderseite der Name Alfred Nobel sowie sein Geburts- und Sterbedatum eingraviert sein; die Rückseite variiert je nach Disziplin, die – bis auf die Friedensnobelmedaille (Gustav Vigeland) – der schwedische Bildhauer Erik Lindberg entwarf. Die Medizin-Medaille zeigt „Das Genie der Medizin“, die ein offenes Buch auf ihrem Schoß hält und Wasser auffängt, das aus einem Felsen rinnt, um den Durst eines kranken Mädchens zu stillen. Physik und Chemie-Medaillen haben das gleiche Symbol: Sie zeigt eine Göttin, die der Isis ähnelt, die mit einem Füllhorn den Wolken entsteigt.

Jede Medaille trägt den Namen des Preisträgers und das Jahr der Verleihung.


Seit der ersten Vergabe der Nobelpreise im Jahr 1901 wurden mehr als 900 Preisträgern mehr als 600 Nobelpreise zugesprochen. Wilhelm Conrad Röntgen (Physik), Jacobus H. van t-Hoff (Chemie), Emil von Behring (Physiologie/Medizin), Sully Prudhomme (Literatur) und Henry Dunant/Frédéric Passy (Frieden) waren die ersten Geehrten.

Seit dem Jahr 2020 beträgt das Preisgeld je Kategorie zehn Millionen schwedische Kronen (rund 907.000 Euro). Zusätzlich zum Preisgeld gibt es auch eine eigens konzipierte und personalisierte Medaille (siehe Kasten).

Quellen: Hamann: Suttner (1991); Nobel, Alpha (2022); Frieling: Nobel (2016)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 /25.10.2022