Rehabilitation und Kur: Frühzeitig und zielgerichtet

26.10.2022 | Politik

Knie- und Hüftgelenksarthrosen sind die häufigsten Gründe für eine Rehabilitation. Neue Wege beschreitet man beispielsweise mit dem PV RehaJET-Heilverfahren, der Tele-Rehabilitation sowie der Rehabilitation bei Long-COVID, die eine spezielle Vorgangsweise erfordert. Mit all diesen Themen befasst sich das Forum Reha 2022 Ende November in Wien.

Manuela-C. Warscher

Mit mehr als einem Drittel stellen Erkrankungen des Bewegungsapparates den häufigsten Grund für eine Rehabilitation dar. Darunter sind vor allem Knie- und Hüftgelenksarthrosen mit knapp einem Fünftel führend. „Für diese Patienten stehen zwei Möglichkeiten des Heilverfahrens zur Verfügung, die Gesundheitsvorsorge Aktiv und die Rehabilitation“, konkretisiert Chefarzt Martin Skoumal von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Wie Rehabilitation individuell, zielorientiert und nachhaltig erfolgen kann, steht im Mittelpunkt des von der PVA veranstalteten Kongresses, der Ende November im
Tech Gate in Wien stattfindet.

Die Gesundheitsvorsorge Aktiv unterscheidet sich von der früheren herkömmlichen Kur durch den modularen Aufbau, den Bewegungsschwerpunkt sowie den Fokus auf die psychische Gesundheit. „Wir haben hier bewusst den Schwerpunkt auf Bewegung im Alltag und auf die mentale Gesundheit gelegt, um so Patienten ohne ausgeprägte strukturelle und/oder funktionelle Schäden zu erreichen“, führt Skoumal aus, womit die berufliche Leistungsfähigkeit erhalten bleiben soll.

Neben der Gesundheitsvorsorge Aktiv steht nach einem Akutereignis als zweites Heilverfahren die medizinische Rehabilitation zur Verfügung. Vorrangiges Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit des Patienten zu erhalten oder wieder zu erlangen. Diese Rehabilitationsmaßnahmen erfolgen überwiegend im Anschluss an ein akutes medizinisches Ereignis oder bei schweren chronischen Erkrankungen. Dabei werden für den Patienten entlang des bio-psycho-sozialen Modells der ICF individuell medizinische, berufliche und soziale Maßnahmen erarbeitet, um die berufliche und soziale Teilhabe zu erhalten. „Die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation können stationäre und/oder ambulante Aufenthalte in Zentren umfassen. Die beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen beinhalten Weiterbildung oder Umschulung und die sozialen Maßnahmen berücksichtigen beispielsweise Darlehen zur behindertengerechten Adaptierung des Wohnraums“, erklärt Skoumal.

Sechs Pfade zur Erwerbsfähigkeit

Konkret könnte die Erwerbsfähigkeit über „sechs Pfade“ erhalten oder wiederhergestellt werden, erklärt der Chefarzt der PVA: Im besten Fall kann die Erwerbsfähigkeit des Patienten nach der ersten Rehabilitation vollständig wiederhergestellt werden. Sollte das nicht gelingen, können „medizinische Komponenten“ im Rahmen einer Wiederholungs-Reha nochmals gezielt in den Vordergrund gerückt werden. „Beispielsweise wird nach einem Insult bei Notwendigkeit nach der ersten Reha schon nach wenigen Wochen eine neuerliche Reha beantragt, um die Teilhabe am Leben voll umfänglich zu erreichen.“

Bei einer besonderen beruflichen Problemlage greift man auf das PV RehaJET-Heilverfahren zurück. „Diese medizinisch-berufsorientierte Reha für Job, Erwerbsfähigkeit und Teilhabe trainiert alle beruflich notwendigen Tätigkeiten besonders realitätsnahe in Arbeitssimulationstrainings, sodass der Patient wieder in den bisherigen Beruf zurückkehren kann“, erklärt Skoumal. Derzeit können 95 Prozent aller Berufe in fünf Zentren simuliert und individuelle arbeitsplatzbezogene Reha-Maßnahmen ausgearbeitet werden.

PV RehaJET ist jedoch auch für pflegende Angehörige von Pflegebedürftigen ab Pflegestufe 1 gedacht. Sie zielt darauf ab, die körperlichen und psychischen Überlastungsreaktionen, die mit der Pflege einhergehen, besser zu bewältigen. „Dafür wurde in Bad Schallerbach ein vierwöchiges Programm etabliert, das allein oder zusammen mit dem Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden kann“, so Skoumal.

Der vierte Pfad, die Tele-Rehabilitation (PV RehaTRAIN®), ermöglicht es Patienten nach einer stationären Phase II-Reha, den erreichten Status zu Hause mit Hilfe von kontrollierten und überwachten Maßnahmen zu erhalten. „Dieser PV RehaTRAIN ist vor allem für Menschen gedacht, denen es schwer oder gar nicht möglich ist, eine ambulante Reha in Anspruch zu nehmen.“ Nach der Pilotphase sagten 98 Prozent der Teilnehmer, dass sie diese virtuelle Rehabilitation weiterempfehlen würden (100 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 44 Jahren). Ende 2023 ist die flächendeckende Ausrollung dieses Angebotes vorgesehen. Die beiden letzten Pfade der Reha sind Umschulungsmöglichkeiten, wenn die Rückkehr in den Ursprungsberuf aufgrund der Erkrankung nicht mehr möglich ist, und die Berufsunfähigkeit/Invalidität – dies „versuchen wir aber weitgehend zu vermeiden“, betont Skoumal.

Eine Sonderform der medizinischen Rehabilitation stellt jene für Long-COVID-Patienten dar. Auch hier steht die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im Zentrum. „Je nachdem, ob es sich um Atembeschwerden, Depressionen, chronische Müdigkeit oder Magen-Darmbeschwerden handelt und je nach Einschränkung des beruflichen und sozialen Lebens wird eine Rehabilitation in den Indikationen Pulmologie, Orthopädie, Neurologie, Psychiatrie oder Kardiologie bewilligt“, so Skoumal. Seit Mai 2020 haben mehr als 6.000 Long-COVID-Betroffene auf der Grundlage des bio-psycho-sozialen Modells eine individuelle Rehabilitation absolviert. Diese besteht je nach Einschränkung aus Physiotherapie, Ausdauer-, Kraft- sowie Atemmuskelkrafttraining. Neben der diätologischen Beratung sowie der psychologischen und ergotherapeutischen Betreuung wird außerdem ein neurokognitives Training bei Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen angeboten. „Ein Standard-Therapiepaket für alle Betroffenen gibt es nicht und ist auch keine Lösung“, betont Skoumal.

Forum Reha 2022
Rehabilitation.individuell. zielorientiert.nachhaltig
Wann: 24. und 25. November 2022
Wo: Tech Gate Vienna
Anmeldung und Details unter: https://www.forum-reha.at/


Drei Fragen an …Martin Skoumal

Wann sollten ganz grundsätzlich rehabilitative Maßnahmen eingeleitet werden? Grundsätzlich gilt, je früher, umso besser. Denn frühzeitiges Zuweisen und Erkennen sind wesentliche Aspekte des Reha-Erfolges, nur so ist eine zielgerichtete Reha möglich.

Was macht die Rehabilitation von Patienten mit Long-COVID so schwierig? Die größte Herausforderung sind die vielfältigen Folgeerscheinungen von COVID-19 und damit die jeweils individuelle Einschränkung. Das bedeutet auch, dass die Rehabilitation oft in verschiedenen Indikationen aber unbedingt auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt erfolgen muss.

Wieso gibt es ein spezielles Reha-Programm für pflegende Angehörige? Diese Reha ist durch die steigende Zahl von pflegenden Angehörigen zum Thema geworden. Hier geht es vor allem darum, bei Überlastungsreaktionen gezielt gegenzusteuern.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2022