Portrait Konstantin Klötzer: Der Irrtum auf der Lernkurve

25.11.2022 | Politik

Die antiinflammatorische Wirkung der ketogenen Diät bei Glomerulonephritiden beforscht Konstantin Klötzer, PhD-Student an der MedUni Graz, aktuell mit einem Forschungsstipendium an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Seine Einstellung: Der Irrtum liegt im Labor auf der Lernkurve.

Ursula Scholz

Eine Nische in einem Nischenfach, so Konstantin Adrian Klötzer, sei das Thema Ernährung bei Glomerulonephritiden, die die vielfältigsten Ursachen haben können: von Infektionen über genetische Risikofaktoren bis hin zu Autoimmunerkrankungen. „Es gibt so viele komplexe Erkrankungen in der Nephrologie“, erklärt Klötzer. „Ich habe in den Glomerulonephritiden mein Aufgabengebiet gefunden, weil es hier dringend neuer Therapieoptionen bedarf.“ Wie so oft in ärztlichen Karrieren spielt beim Finden der persönlichen Nische auch der Zufall eine Rolle. Konstantin Klötzer wollte für seine Diplomarbeit unbedingt ein experimentelles Thema in Angriff nehmen und Laborluft schnuppern. In der Nephrologin Assoz. Prof. Kathrin Eller von der MedUni Graz fand er seine Mentorin.

Ermutigende erste Daten

Bei seiner Forschung am Mausmodell beschäftigt sich Klötzer damit, inwieweit eine ketogene und zusätzlich eiweißarme Diät den inflammatorischen Prozess bei Glomerulonephritiden eindämmen kann. Erprobt wird im Rahmen seines PhD-Studiums eine eher kurzfristige – für Wochen oder Monate –, aber drastische Ernährungsumstellung. Bei anderen entzündlichen Vorgängen konnte der positive Einfluss von ketogenen Diäten gezeigt werden. Die ersten Ergebnisse von Klötzer weisen darauf hin, dass eine extrem Kohlenhydrat-arme Ernährung auch im an Glomerulonephritis erkrankten Organismus einen positiven Effekt haben kann. „Die ersten Daten zeigen eine deutliche protektive Wirkung bei Mäusen mit einer besseren Nierenfunktion noch Wochen nach Beendigung der Diät“, erzählt Klötzer. „Um zu verstehen, ob die ketogene Diät auch bei nierenkranken Menschen erprobt werden sollte, wollen wir den Mechanismus der protektiven Wirkung verstehen. Dazu ist noch einiges an Forschungsarbeit notwendig.“ Zu diesem Zweck erlernt Klötzer nun in Philadelphia das Single-Cell RNA Sequencing, bei dem Tausende Einzelzellen und damit auch die seltenen Zelltypen erfasst und die molekularen Mechanismen aufgeschlüsselt werden. Dabei können die Auswirkungen der Diät auf viele unterschiedliche Zellen gleichzeitig untersucht werden. Seit August dieses Jahres lebt und arbeitet er in den USA; ein Jahr lang wird er bleiben. „Ermöglicht hat mir das einerseits die MedUni Graz, die mich für ein Jahr während meines noch bis Herbst 2023 laufenden PhD-Studiums freigestellt hat“, erzählt Klötzer. „Ohne das Marietta Blau Stipendium der OeAD und die finanzielle Unterstützung der Austrian Marshall Plan Foundation wäre der Aufenthalt aber nicht zu finanzieren gewesen.“

Zum Medizinstudium nach Österreich

In ein fremdes Land zu gehen, ist für Konstantin Klötzer nichts Neues, übersiedelte der gebürtige Deutsche, der im baden-württembergischen Vaihingen an der Enz sein Abitur gemacht hat, doch auch schon zum Studium nach Graz. „Aber das war schon etwas Anderes, da ich so viele familiäre Verbindungen nach Graz habe“, betont er. Obwohl seine Mutter aus Graz stammt und sein Vater, ein Chirurg, ebenfalls in Graz studiert hat, musste Klötzer vor Aufnahme seines Medizinstudiums in der EU-Bürger-Quote zum Aufnahmetest antreten. Ungeachtet dieser zusätzlichen Schwierigkeit hat er es geschafft und findet auch positive Aspekte am österreichischen Aufnahmeverfahren: „Während beim deutschen Numerus clausus die Musik- und Religionsnote mit ausschlaggebend sein können, bezieht sich der österreichische Aufnahmetest immerhin auf berufsrelevantes Wissen und man kann sich eine Schwäche in einem anderen Bereich leisten. Es ist auch erlaubt, ein Jahr später noch einmal besser vorbereitet anzutreten.“ Er selbst hätte mit seinem Abitur auch gute Chancen auf Studienplätze in Deutschland gehabt, konnte sich aber schon immer vorstellen, in Österreich zu studieren. Auf die Aufnahmeprüfung hat er sich während seines freiwilligen sozialen Jahres beim Rettungsdienst der Malteser in Stuttgart vorbereitet. Nicht nur im Rahmen der Praxis im Rettungs- und Sanitätsdienst, sondern vor allem nach Feierabend in der Bibliothek. „Das war eine ziemlich stressige Zeit, aber ich war auch sehr motiviert, weil ich wusste: Ich möchte das.“

Wissenschaftliche Heimat Graz

Schon früh wollte Konstantin Klötzer Arzt werden. „Ganz früh, bis ins Volksschulalter, fand ich Paläontologie oder Archäologie spannend.“ Dann kam der Schwenk in Richtung Chirurgie, um eventuell doch in die Fußstapfen des Vaters zu treten. „Erst im Rahmen der Famulaturen im Medizinstudium habe ich dann entdeckt, wie faszinierend die Innere Medizin eigentlich ist.“ Dorthin möchte er auch nach Abschluss des PhD-Studiums als Assistenzarzt gehen. Am liebsten in Graz, denn dort fühlt er sich privat und als Wissenschafter daheim.

An seinem Dissertationsthema fasziniert Klötzer nicht nur der nephrologische Aspekt, sondern auch der immunologische. Und in diesem Zusammenhang hat er sich für den Immunis Sponsorship for Young Science beworben, den Szabo-Scandic, ein österreichischer Handels- und Dienstleistungspartner für Medizin- und Laborprodukte, gemeinsam mit den „Next Generation Immunologists“, der Nachwuchsgruppe innerhalb der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), heuer zum zweiten Mal ausgelobt hat. Lange war er noch Kopf an Kopf mit der Zell- und Entwicklungsbiologin Ilaria Dorigatti von der MedUni Innsbruck im Rennen, die letztlich den Hauptpreis erhalten hat. Auch über den Anerkennungspreis freut sich der 27-jährige Jungforscher sehr.

Kochen wie im Labor

Am eigenen Leib hat er die ketogene Diät, die er „seinen“ Mäusen verordnet, noch nicht ausprobiert, obwohl er schon so umfassendes Wissen darüber gesammelt hat, dass er morgen damit beginnen könnte. „Ich bin eher der Typ für das intermittierende Fasten, werde die ketogene Diät aber sicher noch ausprobieren.“ Viele Freizeitbeschäftigungen sind für Klötzer neben der wissenschaftlichen Arbeit ins Hintertreffen geraten. Früher war da noch Zeit für Klavier, Gitarre, Fußball und Tennis – heute ist es eher das Fitnessstudio und das Kochen. „Ich koche sehr gerne, auch Aufwändigeres für meine Freundin und für Freunde. Da plane ich die Zubereitung im Voraus wie den Ablauf eines Experiments im Labor.“ Sein intensivstes Hobby, so Klötzer, bleibe die Arbeit im Labor und er sei dankbar dafür, dass er diese Tätigkeit nicht richtig als Arbeit empfinde. Auch wenn einmal etwas nicht wie geplant verläuft: „Der Irrtum liegt im Labor auf der Lernkurve.“ Was ihn im Innersten ausmache, sei seine Begeisterungsfähigkeit. Und auch wenn er schon gerne einmal selbst eine Forschungsgruppe leiten würde, formuliert er seine Vision von Erfolg viel offener: „Erfolg kann alles sein, bei dem man retrospektiv mit sich selbst zufrieden sein kann.“ Mit seiner Forschung und im Rahmen seiner zukünftigen klinischen Arbeit möchte Konstantin Klötzer etwas verbessern können – eine Therapieform oder das Leben genau jenes Menschen, dessen behandelnder Arzt er gerade ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2022