CIRSmedical: Zeit für Vernetzung

11.04.2022 | Politik

Das österreichische Fehlerberichts- und Lernsystem CIRSmedical wird überregional ausgeweitet: ÖÄK und deutsche Bundesärztekammer haben kürzlich eine entsprechende Kooperation vereinbart. Durch diese Vernetzung soll in Zukunft ein noch engerer Austausch von Wissen und Erfahrungen sichergestellt werden.

Manuela-C. Warscher

Das heimische medizinische Fehlerberichts- und Lern­system CIRSmedical kooperiert seit März 2022 mit Deutschland. Von dieser Kooperation profitieren alle Professionisten, die ­CIRSmedical aktiv nutzen, nicht nur Ärztinnen und Ärzte. Denn: „Ein Land in der Größe von Deutschland verfügt über Fälle, die in ­Österreich eher selten vorkommen. Ebenso treten aber auch in Österreich Fälle auf, die für die deutschen Ärztinnen und Ärzte von Interesse sind“, erklärt Artur Wechselberger, Referent für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), den Hintergrund der Zusammenarbeit. Die Österreichische Ärztekammer und die deutsche Bundesärztekammer haben nun kürzlich eine internationale Kooperation vereinbart.

Die Tatsache, dass Österreich und Deutschland über das gleiche System verfügen und auch bereits seit einigen Jahren ein enger Austausch besteht, hat sich dabei als Vorteil erwiesen. „Es ist an der Zeit, derartige Vernetzungsschritte zu gehen. Es wäre schade, solch ein Potential für die Patientensicherheit liegen zu lassen“, bekräftigt Wolfgang Moritz, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMED).

CIRS – es steht für Critical Incident Reporting System – gibt besonders Ärzten sowie allen Beschäftigten im Gesundheitswesen seit zwölf Jahren die Möglichkeit, mit dem anonymen Fehlerberichts- und Lernsystem Fehler, Beinahe-Schäden, entdeckte Risiken sowie kritische und unerwünschte Ereignisse anonym, unbürokratisch und sanktionsfrei darzustellen. Mehr als 780 Berichte und 600 Leserkommentare sind derzeit auf der Plattform CIRSmedical nachzulesen. Dennoch: „Man kann Dinge durch die eigene Brille sehen und gleichzeitig aus anderen Vorgehensweisen lernen“, so Moritz. Daher wurde mit der überregionalen Ausweitung der Fehlerbeobachtung ein wesentlicher Meilenstein dieses Qualitätssicherungsinstrumentes erfolgreich erreicht. Damit der Lerneffekt noch größer ist, werden bei den jeweiligen Berichten spezielle Fachkommentare veröffentlicht, im Rahmen derer der jeweilige Fall analysiert und konkrete Lösungsvorschläge für ähnliche Situationen präsentiert werden. Auch ist es möglich, als Leser einen Kommentar abzugeben.

Basis der Kooperationsvereinbarung ist der Austausch von ausgewählten Fällen, die in Österreich von einem Arzt und einem Juris­ten auf Relevanz geprüft und nach Freigabe durch das Bundes­institut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) dann publiziert werden. „Aus dem ersten Fallpaket aus Deutschland wurden fünf Fälle auf der CIRSmedical-Website veröffentlicht. Es handelt sich um Fälle, die auch in Österreich häufig auftreten, wie Verwechslung von Blutröhrchen aufgrund von Namens­gleichheit oder technische Probleme“, fasst Eva Gartner, Leiterin von CIRSmedical zusammen. Und exakt diese Häufung ­berge ein wesentliches Signal, denn „sie ist eine weitere Bestätigung dafür, dass hier eine vertiefende Information von Nutzen für die tägliche Praxis sein kann“, betont Wechselberger. Im Gegenzug werden auch relevante Berichte aus Österreich für das System in Deutschland weitergeleitet.

Regelmäßiger Newsletter

Darüber hinaus kommt einerseits dem spezifischen Newsletter, der von der ÖQMED regelmäßig verschickt wird, große Bedeutung zu; andererseits werden seit vier Jahren konkrete Fallkonstellationen exzerpiert und als E-learning angeboten. Das Angebot erreiche außer­dem erfreulicherweise (Moritz) Ärztinnen und Ärzte, die sich bislang noch nicht proaktiv mit CIRSmedical beschäftigt hätten.

„200 bis 300 Beinahe-Fehler führen zu einem Fehler mit Schaden für den Patien­ten“, so Wechselberger. Tatsächlich ist mehr als die ­Hälfte aller Beinahe-Fehler beispielsweise im Zusammenhang mit Arzneimittelverwechslungen oder eine fehlerhafte Arzneimitteldosis auf Kommunikationsfehler zurückzuführen. Gelingt es nun, einen Überblick über die restlichen Fehlerquellen zu erhalten, könnten gezielt Maßnahmen zur Vermeidung ausgearbeitet werden. „Großen Nutzen aus der Publikation und den konkreten Lösungsvorschlägen von diesen Beinahe-Fehlern erwarten wir nicht nur für den niedergelassenen Bereich, was sich natürlich wieder positiv auf die Behandlungsqualität vieler Patienten auswirkt“, sagt Moritz. Ganz generell sei bekannt, dass CIRS-Fälle auf Fachportalen größte Aufmerksamkeit erreichen. „Die CIRS-Postings auf der Facebook-Seite der Österreichischen Ärztezeitung beispielsweise zählen zu jenen mit den höchsten Zugriffsraten“, so Moritz.

Konsequenterweise wird nun ein weiterer Ausbauschritt ins Auge gefasst: „Fehler, die eigentlich nicht mehr vorkommen dürften – sogenannte Never Events“, sagt Wechselberger. Für diese gebe es bereits wirksame Vermeidungsstrategien, die aber noch nicht ausreichend unter Ärztinnen und Ärzten bekannt seien. Beispielsweise wisse man, dass Methotrexat bei rheuma­tischen Erkrankungen nur einmal wöchentlich genommen werden darf. Fehlt jedoch die entsprechende Patientenaufklärung, kann es bei täglicher Einnahme zu schweren bis tödlichen Neben­wirkungen kommen. „Bei dieser Thematik muss man am Ball bleiben. Die Schweiz macht hier schon beeindruckende Fortschritte“, sagt Wechselberger. Schließlich gehe es bei all den qualitätssichernden Maßnahmen um die Patientensicherheit.

http://www.cirsmedical.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 07 / 10.04.2022