Tropenkrankheiten – Rückgang vor dem Wiederanstieg

10.05.2022 | Medizin

Gastrointestinale Beschwerden und Fieber dominieren bei den Reiserückkehrern aus Südostasien, Lateinamerika und Sub-Sahara-Afrika. Da bei fieberhaften Erkrankungen klinisch die Unterscheidung zwischen Dengue und Malaria oft schwierig ist, kann die geographische Zuordnung hilfreich sein. Nach wie vor ein Problem ist jedoch das „Nicht-Erkennen“ einer Malaria.

Sophie Fessl

Krankheiten als „Reisemitbringsel“ aus den Tropen und Subtropen seien aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten beiden Jahren seltener geworden, berichtet Hermann Laferl von der Infektionsambulanz der Klinik Favoriten in Wien. „Aber sie werden wiederkommen und Fieber ist ein häufiges Leitsymptom nach einer Reise.“ Bei rund drei Prozent der Fernreisenden in die Tropen und Subtropen tritt eine fieberhafte Erkrankung auf. Deutlich mehr als ein Drittel der Patienten, die die Infektionsambulanz aufsuchen, leidet an gastrointestinalen Beschwerden, aber schon an zweiter Stelle, bei 25 bis 30 Prozent, liegen Patienten, die sich mit Fieber präsentieren. „Fieber ist ein Signal, das man ernst nehmen muss. Wenn sich jemand nach einer Reise mit Fieber präsentiert, ist auch im Jahr 2022 noch immer die Anamnese sehr wichtig“, erklärt Laferl.

Zentraler Punkt der Anamnese ist, wohin der Patient gereist ist, da je nach genauer Region die Wahrscheinlichkeit für Malaria oder Dengue höher ist. Auch seltenereErkrankungen können mit aktuellen Ausbrüchen in Verbindung gebracht werden. Andrea Schroll von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Innsbruck mit Infektiologie, Immunologie, Tropenmedizin, Rheumatologie, Pneumologie fasst die wichtigsten Punkte der Anamnesezusammen: „Wichtig ist, wo der Patient genau war, wann das Fieber auftrat, welche sonstigen Symptome wie Durchfall, Atemnot oder Ausschlag auftraten, wie der Impfstatus aussieht, welche Vorbehandlung an der Reisedestination durchgeführt wurde, und ob Mitreisende beziehungsweise Einheimische ebenfalls krank waren.“ Außerdem sollte erfragt werden, ob sich der Reisende hauptsächlich in Hotels aufhielt oder „Rucksack-Tourismus“ betrieb, ob es zu einem Mücken- oder Zeckenstich kam, und ob ein Hautausschlag oder ein Ulcus vor dem Fieber auffielen. Die Frage nach einer Reise sollte außerdem nicht nur unmittelbar zurückliegende Fernreisen umfassen. „Beim Reiserückkehrer mit Fieber kann eine Reise bis zu zwölf Monate danach eine Relevanz haben“, betont Laferl. Wesentlich sei außerdem, wann der Reisende zurückgekehrt ist, da auch die Inkubationszeit Rückschlüsse auf die wahrscheinliche Erkrankung zulasse. Jedenfalls bestehe laut Laferl bei Reiserückkehrern mit hohem Fieber Handlungsbedarf. „Es kann sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handeln, nach einer Diagnose kann eine adäquate Behandlung eingeleitet werden. Außerdem kann es natürlich eine Erkrankung sein, die weiter übertragen werden kann.“

Malaria-Test jedenfalls notwendig

„Mit rund 21 Prozent ist die Malaria die häufigste fieberhafte Erkrankung bei Reiserückkehrern aus den Tropen und Subtropen. An Malaria sollte man also immer denken!“, betont Schroll. Österreichweit werden pro Jahr rund 100 Personen wegen einer Malaria-Erkrankung behandelt, so Laferl; an der Klinik Favoriten in Wien waren es in den letzten Jahren zwischen 30 und 40 Personen pro Jahr. „Bis zum definitiven Ausschluss sollte jedes Fieber verdächtig für Malaria oder Dengue gesehen werden“, so Schroll. Sie plädiert außerdem dafür, dass bei jedem Tropen-Rückkehrer mit Fieber eine entsprechende Diagnostik durchgeführt werden sollte. Außerdem sollte die Frage nach einer Malaria-Prophylaxe gestellt werden, da die Einnahme einer Prophylaxe die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Malaria handelt, stark einschränkt. Eine breite geographische Angabe reiche nicht; bei der Anamnese müsse die genaue Destination erfragt werden, betont Laferl. „‘Afrika‘ reicht als Angabe nicht. Denn: Bei einer Reise nach Sub-Sahara-Afrika ist eine Malaria-Erkrankung wahrscheinlich. In Nordafrika gibt es hingegen seit Jahrzehnten keine Malaria und kann daher ausgeschlossen werden“, führt Laferl aus.

Früh diagnostiziert stelle Malaria eine Erkrankung dar, die durchaus behandelbar sei, so Laferl; dennoch müsse sie ernst genommen werden. „Rund drei bis vier Prozent derReiserrückkehrer mit einer Erkrankung haben eine lebensbedrohliche Krankheit. Davon präsentieren sich fast alle mit Fieber. Glücklicherweise sterben nur wenig von ihnen, deutlich unter ein Prozent der Kranken. Aber von ihnen leiden 80 Prozent an Malaria.“ Wie wichtig es ist, bei einem Reiserückkehrer mit Fieber an Malaria zu denken, zeigt sich anhand des letzten Malaria-Todesfalls an der Klinik Favoriten. Dabei handelte es sich um einen Rückkehrer aus Sub-Sahara-Afrika, der irrtümlicherweise nach seiner Rückkehr eine Woche lang mit der Diagnose „Influenza“ behandelt wurde. Laferl dazu: „Als er zu uns kam, war es zu spät. Dieser Fehler aus 2019 war derselbe, wie wir ihn bereits die Jahrzehnte davor immer wieder gesehen haben: das Nicht-Erkennen.“

Die Labordiagnostik kann durchaus einen Hinweis auf eine Malaria oder eine andere Erkrankung geben. So ist eine Malaria-Infektion oft mit einer Anämie, aber auch mit erhöhten Leberfunktionswerten oder einer Thrombopenie assoziiert. Trotzdem gestalte sich die Differenzierung von anderen Infektionen besonders in der Akutphase allein aufgrund der Symptome und Laborparameter schwierig, so Schroll. Deswegen sollte bei Verdacht unbedingt ein Schnelltest beziehungsweise ein Ausstrich („Dicker Tropfen“) durchgeführt werden. Dies ist an der Klinik für Innere Medizin in Innsbruck möglich; im Osten Österreichs ist eine Malaria-Diagnostik rund um die Uhr zum Beispiel am AKH Wien sowie an der Klinik Donaustadt und Klinik Favoriten möglich.

An eine Malaria-Erkrankung sollte man durchaus noch Wochen bis Monate nach einer Rückkehr denken. Während die von Plasmodium falciparum ausgelöste Malaria tropica eine Inkubationszeit von bis zu vier Wochen hat, kann eine von Plasmodium vivax ausgelöste Malaria tertiana auch erst nach sechs Wochen, eine von Plasmodium malariae ausgelöste Malaria quartana nach zwei bis drei Monaten auftreten. „Die später auftretenden Malaria-Formen sind häufig auch die weniger gefährlichen Formen“, fügt Laferl hinzu.

Malaria oder Dengue

Zahlenmäßig an der zweiten Stelle der fieberhaften Erkrankungen bei Reisenden in die Tropen beziehungsweise Subtropen liegt Dengue-Fieber. „Klinisch ist die Unterscheidung zwischen Dengue und Malaria oft etwas schwierig, da bei beiden Fieber, Schüttelfrost und starke Kopfschmerzen auftreten können“, erklärt Schroll. Eine gewisse Unterscheidung ist durch die geographisch unterschiedliche Häufigkeit der Erkrankung möglich, berichtet Laferl aus der Praxis. Während bei Reiserückkehrern aus Südostasien und Südasien oder auch Lateinamerika das Dengue-Fieber wahrscheinlicher ist – wiewohl es dort auch Malaria gibt – ist bei Reiserückkehren aus Sub-Sahara-Afrika eine Malaria-Erkrankung wahrscheinlicher, obwohl auch dort Dengue-Fälle auftreten. Deswegen sollte auch eine Dengue-Diagnostik durchgeführt werden. „Bei einer ordentlichen Anamnese sollte auch erfragt werden, ob andere Mitreisende oder Einheimische krank waren. Das gibt einen Hinweis auf Dengue“, sagt Schroll.

Obwohl es seit einigen Jahren eine Impfung gegen das Dengue-Virus gibt, ist diese nicht für Reisende verfügbar, da sie nur in einigen Ländern und nur für die einheimische Bevölkerung zugelassen ist. „Charakteristisch für Dengue ist die sehr kurze Inkubationszeit von meist wenigen Tagen bis zu maximal drei Wochen“, berichtet Laferl. Eine Untersuchung der Haut ist in dieser Hinsicht auch wichtig, da etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Dengue-Erkrankten ein Exanthem aufweist. Außerdem sei bei Dengue-Erkrankten das subjektive Krankheitsgefühl oft sehr hoch.

Obwohl global Dengue jährlich rund 20.000 Todesfälle verursacht, sei eine Dengue-Erkrankung bei Reisenden selten fatal, weiß Laferl. „Manchmal vorkommende schwerere Fälle müssen durchaus auf der Überwachungsstation behandelt werden. Doch die meisten Dengue-Erkrankten können ambulant betreut werden.“ Die Therapie ist symptomatisch. Aufgrund der oft auftretenden ausgeprägten Thrombozytopenie sollte laut Laferl nicht Acetylsalicylsäure, sondern Paracetamol zur Fiebersenkung und Schmerztherapie eingesetzt werden. Obwohl die Thrombozyten bei einer Dengue-Erkrankung oft stark erniedrigt sind, sei dies keine Indikation für eine Gabe von Thrombozyten-Konzentraten. „Bei Dengue ist selbst ein Thrombozytenwert unter 20.000 /µl keine Indikation für eine Thrombozytengabe“, erklärt Laferl.

Informationsquellen nutzen

Auch andere, seltenere Reise-assoziierte Erkrankungen können für Fieber bei Reiserückkehrern verantwortlich sein. „Es empfiehlt sich, auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts nachzuschauen, wo gerade Ausbrüche von Dengue, Zika, West-Nil-Fieber oder Chikungunya auftreten“, rät Schroll. Auch die WHO und die Centers for Disease Control seien eine nützliche Informationsquelle. Weiters sollte auch Typhus ausgeschlossen und erfragt werden, wie der Impfstatus des Patienten ist, ob ein Aufenthalt in einem Ausbruchsgebiet vorlag, was meist bei Sozialarbeitern oder ärztlichen Mitarbeitenden der Fall ist.

Rickettsiosen, die von Zecken, Milben, Flöhen oder Läusen übertragen werden, verursachen ebenfalls Kopfschmerzen, Fieber, Myalgie und Hautausschlag. „Klassischerweise würde man im Labor eine Leukopenie oder Thrombozytopenie sehen, was hinweisend sein kann“, berichtet Schroll. Aber auch hier gelte: sich mit der aktuellen epidemiologischen Situation auseinandersetzen, wo Rickettsiosen aktuell vorkommen.

Hohes Fieber um 40°C, das über mehrere Tage andauert, kann auch durch einen Amöben verursachten Leberabszess entstehen. „Wesentlich ist hier der Ultraschall, der durchaus zur Abklärung dazu gehört“, berichtet Laferl. „Wenn ein Patient hochfiebert, keine Malaria und keine respiratorische Ursache gefunden wird, sollte auch ein Ultraschall des Abdomens unter anderem zum Ausschluss von einem Amöben-Leberabszess durchgeführt werden.“ Im Lungenröntgen kann ein Begleiterguss rechts zu sehen sein. Der Amöben-Leberabszess äußert sich üblicherweise hauptsächlich durch Fieber; allerdings kann ein leichter Schmerz im Oberbauch auf den Abszess hinweisen. Der Amöben-Leberabszess kann sich auch erst nach einer langen Inkubationszeit äußern, wie auch die viszerale Leishmaniose (Kala Azar) und Hepatitiden. „Hepatitis A kann initial auch nur Fieber auslösen. Ein paar Tage später zeigt sich der Ikterus“, erklärt Laferl den Ablauf.

Eine fieberhafte Erkrankung, die mit einer Bauchsymptomatik wie Obstipation, Diarrhoe und Schmerzen einhergeht, ist Typhus abdominalis. „Wenn ein Reiserückkehrer schon länger fiebert und alles andere bereits ausgeschlossen wurde, kann es sich um Typhus abdominalis handeln. Pro Jahr sehen wir in Österreich rund zehn Fälle. Die meisten sind Heimaturlauber oder Reisende in Südostasien“, sagt Laferl.

„An sexuell übertragene Erkrankungen sollte bei Fieber nach einer Reise ebenfalls gedacht werden“, berichtet Schroll. „Eine akute HIV-Infektion kann mit Fieber und einem Hautausschlag einhergehen. Daher sollte auch das in der Anamnese unbedingt berücksichtigt werden.“ Ein akutes retrovirales Syndrom ist außerdem deshalb bedeutsam, weil diese Patienten in Folge rasch behandelt werden sollten und „weil sie in dieser Phase extrem ansteckend sind“, so Laferl.

Banales nicht vergessen

Obwohl bei Reiserückkehrern – unter die nicht nur klassisch urlaubende Personen fallen, sondern auch in Österreich wohnende Menschen, die auf Besuch in ihrer Heimat sind – eine Reise-assoziierte Erkrankung ausgeschlossen werden muss, ist es wichtig, „keinen Tunnelblick zu haben“, betont Laferl. So kann es sich bei Fieber nach einer Reise auch um eine Pneumonie oder einen Harnwegsinfekt handeln. „Auch nicht zu vergessen ist, dass die Influenza global gesehen eine ganzjährige Erkrankung ist“, mahnt Schroll. So stehen Influenza-Fälle, die in den Sommermonaten in Österreich verzeichnet werden, meist mit einer Reise auf die südliche Hemisphäre in Zusammenhang. Selbstverständlich solle auch eine SARS-CoV-2-Infektion ausgeschlossen werden.

Obwohl eine Malaria- beziehungsweise Dengue-Diagnostik durchgeführt werden sollte, könne schon im Vorfeld viel Diagnostik gemacht und mögliche Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden wie etwa eine Pyelonephritis. „Ein Lungen-Röntgen und ein Abdomen-Ultraschall sollten unbedingt durchgeführt werden“, rät Laferl. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sollte auch die Haut kontrolliert werden, da viele Erkrankungen wie Rickettsiosen aber auch Dengue mit Hautausschlägen einhergehen können. „Vor der Behandlung muss unbedingt eine Blutkultur gewonnen werden. Das ist essentiell für die Diagnose und gezielte Therapie in weiterer Folge“, konstatiert Laferl.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 09 / 10.05.2022