Kurz und informativ

01.07.2022 | Medizin

Selbst­wach­sen­des 3D-Tumor­mo­dell aus dem Drucker
Anhand eines soge­nann­ten 3D-Tumor­mi­kro­um­ge­bungs-Modells kann das Tumor­wachs­tum und die Wirk­sam­keit von Arz­nei­mit­teln im Live­mo­dus beob­ach­tet wer­den. Wäh­rend des 3D-Bio­prin­ting-Pro­zes­ses set­zen Inns­bru­cker For­scher um Daniel Not­h­durf­ter, Judith Hagen­buch­ner und Assoc. Prof. Michael Aus­s­erlech­ner kugel­för­mige Tumor­zell-Aggre­gate aus einem Neu­ro­blas­tom zwi­schen die Zel­len des Gewe­bes. Das Modell selbst besteht aus einer Kom­bi­na­tion von kom­ple­xem, gefäß­bil­den­dem Gewebe auf einem „flui­dic chip“. Dafür wer­den zunächst feine Kanäle in die Chips gela­sert und mit dem Bio­dru­cker ein drei­di­men­sio­na­les Hydro­gel mit Zel­len so auf­ge­baut, dass feine Kanäle im Gewebe direkt an die Kanäle im Chip ange­schlos­sen wer­den. In der zwei- bis drei­wö­chi­gen Zeit des Wachs­tums orga­ni­sie­ren sich die darin lie­gen­den Zel­len; sie wer­den durch Blut­ge­fäß-ähn­li­che 0,3 Mil­li­me­ter große Kapil­la­ren ver­sorgt. Diese wer­den zuvor direkt mit dem Bio­dru­cker gene­riert und ent­ste­hen mit­tels Bio-Tinte. Im Gewe­be­mo­dell konn­ten die For­scher beob­ach­ten, wie der kleine Tumor die Kapil­la­ren aus dem Gewebe anzog und diese dann in den Tumor hin­ein­wuch­sen. Der Tumor baue sich „seine eigene Ver­sor­gungs­struk­tur auf“. „Die­ses 3D-Modell wird uns hel­fen, die Mecha­nis­men der Kar­zi­no­ge­nese noch bes­ser zu ver­ste­hen und damit die Tumor­mi­kro­um­ge­bung als the­ra­peu­ti­sches Ziel für die Krebs­be­kämp­fung bes­ser nutz­bar zu machen“, so Aus­s­erlech­ner. APA

Neuer diä­te­ti­scher Ansatz bei Allergien
Eine Lutsch­ta­blette, die auf Beta-Lac­to­glo­bu­lin basiert, fun­giert als Trä­ger von Eisen, das auf diese Weise bei All­er­gi­kern über die Lym­phe anstatt über die Blut­bahn auf­ge­nom­men wird. So wird die All­er­gie-bedingte Hem­mung der Eisen­auf­nahme umgan­gen. Die Tablette hat ein For­scher­team um Univ. Doz. Fran­ziska Roth-Wal­ter vom Mes­serli For­schungs­in­sti­tut der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien, der Vete­ri­när­me­di­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien und der Uni­ver­si­tät Wien ent­wi­ckelt. Mit weni­ger als einem Mil­li­gramm Eisen gilt sie über­dies nicht als Eisen­prä­pa­rat. Ergeb­nis: Nach der sechs­mo­na­ti­ger Ein­nahme der Lutsch­ta­blette in Kom­bi­na­tion mit den not­wen­di­gen Medi­ka­men­ten („Com­bi­ned Sym­ptom Medi­ca­tion Score“) konnte bei Bir­ken- und Grä­ser­pol­len-All­er­gi­kern eine 45-pro­zen­tige Reduk­tion der Sym­ptome erreicht wer­den. Laut Roth-Wal­ter stelle diese Vor­gangs­weise einen neuen Ansatz bei der Betreu­ung dar: Durch eine diä­ti­sche Maß­nahme werde nicht die All­er­gie selbst, son­dern die zugrun­de­lie­gende Über­emp­find­lich­keit gegen­über All­er­ge­nen her­ab­ge­setzt. Med­Uni Wien/​The Jour­nal of Allergy and Cli­ni­cal Immu­no­logy: In Practice

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Pes­ti­zide haben Wis­sen­schaf­ter von der Uni­ver­si­tät für Boden­kul­tur Wien und der Med­Uni Wien in der Luft in Ost-Öster­reich emes­sen. Ein Vier­tel hat kar­zi­no­ge­nes Potential.

Pan­de­mie: stei­gen­der Analgetika-Bedarf
Der Bedarf an Schmerz­mit­teln ist seit Beginn der Corona-Pan­de­mie am stärks­ten gestie­gen – und zwar um 17 Pro­zent. Bei Anti­de­pres­siva wurde ein Anstieg von fünf Pro­zent regis­triert. Sel­te­ner wur­den in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren hin­ge­gen Anti­bio­tika ver­ord­net: Hier gab es zu Beginn der Pan­de­mie einen mas­si­ven Rück­gang. Ins­ge­samt liegt der Anti­bio­tika-Ver­brauch in Öster­reich seit Beginn der Pan­de­mie jedoch um rund zehn Pro­zent unter dem durch­schnitt­li­chen Ver­brauch. Seit heuer wer­den wie­der mehr Anti­bio­tika verordnet.

Glio­blas­tome: auch aus peri­vas­ku­lä­ren Zellen
Sowohl aus Glia­zel­len als auch aus peri­vas­ku­lä­ren Zel­len kön­nen Glio­blas­tome ent­ste­hen. Dass Tumore die­sen zwei Zell­li­nien zuge­ord­net wer­den kön­nen, hat ein Team um Prof. Patrik Ern­fors vom Karo­linska-Insti­tut in Stock­holm mit öster­rei­chi­scher Betei­li­gung her­aus­ge­fun­den. Dafür unter­such­ten die Wis­sen­schaf­ter mit­tels Com­pu­ter­al­go­rith­men die Akti­vi­täts­ver­än­de­run­gen in mali­gnen Gehirn­tu­mo­ren von 100 Pati­en­ten. Ergeb­nis: Bei allen war nur bei hoch­gra­di­gen Tumo­ren die peri­vas­ku­läre Ent­ste­hung ersicht­lich. Dazu Univ. Prof. Igor Ada­meyko vom Zen­trum für Hirn­for­schung der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien: „Unsere Resul­tate wei­sen dar­auf hin, dass Glio­blas­tome auch aus dem Blut­ge­fäß­sys­tem des Gehirns ent­ste­hen kön­nen.“ APA/​Sci­ence Advance

Neu ent­deck­tes Lipid ver­hin­dert Autophagie
Das in der Zell­mem­bran vor­kom­mende Lipid PI (18:1/18:1) unter­bricht typi­sche Stress­re­ak­tio­nen und ver­hin­dert unter ande­rem die Auto­pha­gie. Die Regu­la­tion die­ser Pro­zesse erfolgt unter ande­rem durch das Enzym SCD1, das gesät­tigte Fett­säu­ren in unge­sät­tigte umwan­delt. So wirkt es vor allem gegen Stress, der durch Fette in schäd­li­chen Kon­zen­tra­tio­nen aus­ge­löst wird. For­schern um Univ. Prof. Andreas Koe­berle vom Inns­bru­cker Michael-Popp-Insti­tut konn­ten die stress­hem­mende Wir­kung von SCD1 auf ein indi­rek­tes Pro­dukt die­ses Enzyms zurück­füh­ren: das Mem­bran­li­pid PI (18:1/18:1). Die­ses setzt sich groß­teils aus einer von SCD1 pro­du­zier­ten Fett­säure zusam­men. Alte­rungs­pro­zess, Resis­ten­zen gegen Che­mo­the­ra­pie und auch die Ent­ste­hung von Tumo­ren sind Vor­gänge, die mit Zell­stress ver­bun­den sind. Köberle sieht daher einen „kla­ren Zusam­men­hang, der neue the­ra­peu­ti­sche Ansätze eröff­net.“ Uni­ver­si­tät Innsbruck

Alters­be­dingte Herz­in­suf­fi­zi­enz durch IGF‑1
Der IGF-1-Signal­weg (Insu­lin like Growth Fac­tor) scheint für die alters­be­dingte Funk­ti­ons­ein­schrän­kung des Her­zens ver­ant­wort­lich zu sein. Bei Herz­in­suf­fi­zi­enz wird oft eine erhöhte Akti­vi­tät des IGF-1-Rezep­tors nach­ge­wie­sen. Des­we­gen unter­such­ten For­scher um Assoc. Prof. Simon Sedej und Mah­moud Abdel­la­tif von der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz die IGF-1- Rezep­tor­ak­ti­vie­rung anhand eines Maus­mo­dells mit einer erhöh­ten und eines mit einer nied­ri­gen IGF-1-Signal­ak­ti­vi­tät im Her­zen. Ergeb­nis: Hohe IGF-1-Signal­ak­ti­vi­tät im Herz wirkt sich bei der jun­gen Maus posi­tiv auf das Herz­mus­kel­wachs­tum, die Kon­trak­ti­ons­kraft und den Stoff­wech­sel aus. Im Alter hin­ge­gen ist eine nied­ri­gere IGF-1-Signal­ak­ti­vi­tät im Herz für Herz­funk­tion und erhöhte Lebens­er­war­tung vor­teil­haf­ter. „Künf­tige Stu­dien wer­den zei­gen, ob phar­ma­ko­lo­gi­sche Inhi­bi­to­ren des IGF-1-Signal­wegs, die der­zeit in der Krebs­the­ra­pie ein­ge­setzt wer­den, alters­be­dingte Herz­er­kran­kun­gen ver­hin­dern könn­ten“, erklärt Sedej. Med­Uni Graz

Neue Stra­te­gie von Anti­bio­tika: Zell­tod durch Proteinabbau
Bak­te­ri­elle Pro­teolyse-Tar­ge­ting-Chi­mä­ren (Bac­PROTAC) – so der Name einer neuen Art von Anti­bio­tika – haben Wie­ner For­scher um Ester Mor­reale und Tim Clau­sen vom Insti­tute of Mole­cu­lar Patho­logy (IMP) ent­wi­ckelt. Die Wis­sen­schaf­ter ent­wi­ckel­ten den PROTAC-Ansatz wei­ter: Bac­PROTAC benö­ti­gen im Gegen­satz zu PROTAC kein Enzym, son­dern bin­det direkt am bak­te­ri­el­len Pro­te­a­som an, wo das Pro­tein abge­baut wird. In vitro-Tests und in vivo-Tests an Gram-posi­ti­ven Bak­te­rien und Myko­bak­te­rien zeig­ten, dass die modu­lare Struk­tur der Bac­PROT­ACs so viel­sei­tig ist, dass sie an ver­schie­dene Ziel­pro­te­ine und Bak­te­ri­en­ar­ten ange­passt und jedes belie­bige Pro­tein in einer Bak­te­ri­en­zelle abge­baut wer­den kann. Diese Anpas­sungs­fä­hig­keit und Selek­ti­vi­tät sei „genau das, was wir brau­chen, um Anti­bio­tika-Resis­ten­zen bei bak­te­ri­el­len Krank­heits­er­re­gern zu bekämp­fen“, so Mor­reale. APA/​Cell

Pflas­ter mit Bio­mo­le­kü­len beschleu­nigt Wundheilung
Ein neu­ar­ti­ges Pflas­ter aus Bio­mo­le­kü­len, das die Wund­hei­lung beschleu­nigt, Bak­te­rien abweist, Ent­zün­dun­gen hemmt und Wirk­stoffe ziel­ge­rich­tet frei­setzt haben Wis­sen­schaf­ter um Prof. Oli­ver Lie­leg von der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen ent­wi­ckelt. Mög­lich wird dies durch einen Film aus zwei Lagen: Die obere Lage besteht aus einem bio­lo­gisch abbau­ba­ren Kunst­stoff für die Sta­bi­li­tät und Muci­nen. Diese wir­ken anti­bak­te­ri­ell und ent­zün­dungs­hem­mend. Die untere Lage besteht aus Hyalu­ron­säure. In Kom­bi­na­tion mit spe­zi­el­len Mole­kü­len wird die untere Lage kleb­rig, sobald sie mit Feuch­tig­keit in Kon­takt kommt, und der Film haf­tet selbst­stän­dig am Gewebe. Bei Tests auf ver­schie­de­nen tie­ri­schen Gewe­be­pro­ben konnte eine beschleu­nigte Wund­hei­lung nach­ge­wie­sen wer­den. Da sich das Pflas­ter bei Feuch­tig­keit nach und nach rück­stands­frei auf­löst, könnte es etwa beim Wund­ver­schluss im Kör­per­in­nen zum Ein­satz kom­men. Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät München

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​25.6.2022