Kurz und informativ

26.10.2022 | Medizin

Analgetika beeinträchtigen Hilfsbereitschaft
Nicht nur die Empathie, sondern auch die Hilfsbereitschaft von Menschen sinkt, wenn sie vermeintlich unter Schmerzmitteln stehen. Darauf deutet eine experimentelle Studie von Forschern um Univ. Prof. Claus Lamm und Helena Hartmann von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien hin. Die Forscher beobachteten die Reaktion von 90 Probanden auf vermeintliche Stromstöße, die anderen Personen zugefügt wurden. Sie konnten die Anzahl der Stimulationen durch das Zusammendrücken eines Kraftmessgerätes reduzieren. 45 Testpersonen hatten zuvor ein Placebo als vermeintliches Analgetikum eingenommen. Ergebnis: Die Teilnehmer der Placebo-Gruppe waren weniger oft bereit, zu helfen. Auch wurde in der Placebo-Gruppe das Kraftmessgerät weniger stark gedrückt als in der Kontrollgruppe. „Vorherige Studien hatten bereits gezeigt, dass so ein Scheinmedikament Empathie reduziert. Unser Experiment zeigt nun erstmals, dass dadurch auch die Bereitschaft zu tatsächlich helfendem Verhalten reduziert wird, auf Basis dieser reduzierten Empathie“, so Hartmann. APA/Psychological Science

Flaring: höherer Methanausstoß als angenommen
Bei „Flaring“, dem Abfackeln von austretendem Erdgas an Öl-Förderstellen, wird neuesten Berechnungen zufolge weniger des schädlichen Methans im Erdgas zerstört als bisher angenommen. Eine Forschergruppe um Genevieve Plant von der University of Michigan hat in den Sommermonaten 2020 und 2021 mithilfe von Messflugzeugen über den drei größten Öl- und Gasfeldern der USA, in Bakken in North Dakota sowie Eagle Ford und Permian in Texas, mehr als 300 Abgasfahnen von Erdgasfackeln gemessen. Das Ergebnis: Effektiv werden nur 91,1 Prozent und nicht wie bisher angenommen 98 Prozent des Methans verbrannt. Im Durchschnitt wird Methan nur zu 95,2 Prozent verbrannt; weitere 4,1 Prozent der Fackeln brennen nicht, weil sie ausgegangen oder nicht entzündet wurden, sodass Methan unverbrannt in die Luft entweicht. Demnach sollen im Jahr 2021 rund 144 Milliarden Kubikmeter Gas durch Abfackeln freigesetzt worden sein – das entspricht etwa zwei Drittel des Strombedarfs in der Europäischen Union. Die Maximierung der Rückgewinnung von Begleitgas ist eine mögliche Strategie. APA/Science

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Prozent der CO2-Emissionen könnten von gut bewirtschafteten Wälder ausgeglichen werden.

Haaranalyse zeigt Suizidrisiko
Bei Menschen, die an Depressionen leiden, ist der Kortisolspiegel im Vergleich zu gesunden Probanden stark erhöht. Das haben Innsbrucker Forscher um Ass. Prof. Alexander Karabatsiakis vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck herausgefunden. Sie analysierten dafür Haarproben von 45 Patienten, die Suizid begangen gegangen hatten. „Unsere neuen Beobachtungen könnten für die Prävention von psychischen Erkrankungen nach Stressbelastungen und deren langfristigen Konsequenzen, auch für die körperliche Gesundheit, sehr hilfreich sein“, so Karabatsiakis. APA/EPMA Journal

Zeckenspeichel behindert Immunreaktion der Haut
Der Speichel von Zecken hemmt die Abwehrfunktion der Haut und erhöht das Risiko für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder Lyme-Borreliose. Das hat ein Team um Johanna Strobl und Univ. Prof. Georg Stary von der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Univ. Prof. Hannes Stockinger vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien herausgefunden. Bei der Untersuchung von Hautproben von Probanden und menschlichen Hautmodellen zeigte sich, dass die Funktion der T-Zellen durch den Kontakt mit Zeckenspeichel gestört war. Laut den Forschern komme es durch das Ansaugen der Zecke zu tiefgreifenden Änderungen im Immunsystem. Strobl weiter: „Das führt dazu, dass sich gefährliche Erreger, die gemeinsam mit Zeckenspeichel in die Haut eingebracht werden, leichter vermehren und so zu einer Infektion führen können“. APA/Journal of Clinical Investigation

Corona I: Lungengewebe regeneriert sich
Auch schwere Lungenschäden nach COVID-19 bilden sich zurück, auch wenn es nach sechs Monaten zu einer Stagnation des Heilungsprozesses kommt. „Aus pneumologischer Perspektive berichten bis zu 30 Prozent der von Post-COVID-Betroffenen von Kurzatmigkeit und Husten“, betonte Univ. Prof. Judith Löffler-Ragg von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Innsbruck anlässlich der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖPG). In einer hospitalisierten Patientengruppe der Innsbrucker Universitätsklinik mit einem Anteil von 25 Prozent an ehemaligen Intensivpatienten zeigte noch jeder zweite nach einem Jahr Symptome. Nach zwölf Monaten litten noch 22 Prozent an Kurzatmigkeit und Husten. APA

Corona II: keine Unfruchtbarkeit durch mRNA-Impfung
Die niedrigere Geburtenrate während der Corona-Pandemie ist nicht auf Unfruchtbarkeit durch mRNA-Impfstoffe zurückzuführen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic Bern in Zusammenarbeit mit zehn Partnerbehörden in anderen Staaten 800 Millionen Menschen. So stieg etwa in Schweden und im deutschsprachigen Raum die Geburtenrate zu Pandemiebeginn stark an, um Anfang 2022 zu sinken. In Spanien, Japan, dem Vereinigten Königreich und den USA gab es schon vor der Impfkampagne einen deutlichen Rückgang. APA

Leberzirrhose: Prognose mit künstlicher Intelligenz
Wiener Forscher haben einen auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhenden Algorithmus entwickelt, mit dem bei Leberzirrhose aus dem Blut eine Prognose für schwere Komplikationen möglich ist. Dafür verwendete das Team um die Erstautoren Jiri Reinis vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften und Oleksandr Petrenko von der MedUni Wien Daten aus der „Wiener Zirrhose-Studie“. Auf der Basis von drei beziehungsweise fünf Parametern aus dem Blut konnte das Risiko für eine entscheidende Verschlechterung des Zustandes abgeleitet werden. Die Ergebnisse wurden mit Daten von 1.232 Patienten mit Leberzirrhose aus acht weiteren europäischen Behandlungszentren verglichen. Mit Hilfe eines vom Team entwickelten Online-Rechners kann das Risiko nun non-invasiv ermittelt werden. APA/Journal of Hepatology

Optimierte Diagnose bei Prostatakarzinom schont Niere
Bei der Diagnose des Prostatakarzinoms kombinierten Martin Béhé vom Zentrum für radiopharmazeutische Wissenschaften des Paul-Scherrer-Instituts und Viola Vogel vom Labor für Angewandte Mechanobiologie an der ETH Zürich das Fibronektin-bindende Peptid FnBP5 mit dem radioaktiven Isotop Indium-111. Da sich dieses allerdings auch in den Nieren anreichert, modifizierten die Forscher FnBP5 mit einem speziellen Protein, das wie eine Brücke zwischen dem ursprünglichen Peptid und dem Radionuklid wirkt und in den Nieren gespalten werden kann. Sobald das modifizierte Medikament in die Nieren kommt, wird es gekappt. Das Radionuklid gelangt direkt in den Harnweg, wird ausgeschieden und mögliche Nebenwirkungen fallen wesentlich geringer aus. APA/Bioorganic & Medicinal Chemistry

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2022