Kurz und informativ

16.08.2022 | Medizin

Embryo kontrolliert seine Entwicklung
Anhand von Mäuseblastoiden (aus Maus­Stammzellen gebildete Blastozyste) konnten Wissenschafter nachweisen, dass dabei der Epiblast (eigentlicher Embryo) mit Hilfe von Botenstoffen den Trophoblasten veranlasst, sich zu erneuern und zu vermehren sowie das Plazentagewebe zu verändern. Das Forscherteam um Nicolas Rivron vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fand außerdem heraus, dass diese molekularen Botenstoffe den Trophoblasten zur Sekretion der Moleküle WNT6 und WNT7B stimulieren. Diese signalisieren der Plazenta, die Blastozyste im frühen Entwicklungsstadium des Embryos zu umschließen. Dies könnte laut Rivron von großer Bedeutung sein, dass diese beiden Moleküle auch von den Trophoblasten der menschlichen Blastozyste freigesetzt werden. Sind diese grundlegenden Entwicklungsprinzipien auch im frühen Entwicklungsstadium des Menschen erhalten, könnte dies zur Verbesserung von IVF­Verfahren, der Entwicklung von Fruchtbarkeitsmedikamenten oder zu neuartigen Kontrazeptiva beitragen.

Hepatitis bei Kindern durch Adenovirus
Das bisher als harmlos eingestufte Adeno­assoziierte Virus AAV2 ist vermutlich die Ursache für die in letzter Zeit gehäuft aufgetretenen akuten Hepatitiden bei Kindern. Weltweit sind bisher rund 1.000 Kinder erkrankt. Zwei Teams von Wissenschaftern der Universität Glasgow sowie des University College in London untersuchten Blut­ und Gewebeproben von 25 betroffenen Kindern und sequenzierten die DNA. Dabei konnte das Team in den ersten neun Plasma­Proben sowie in vier Leberbiopsien das komplette Genom des Adeno­assoziierten Virus 2 nachweisen. Bei zwölf Kindern mit anderen Infektionen sowie bei 33 Kindern mit Hepatitis einer anderen Genese waren die Tests negativ. Da es sich bei AAV2 um ein kleines Virus handelt, benötigt es für die Vermehrung andere Viren wie etwa HAdV oder HHV­6B, eine Herpesvirus­Art. Auch wenn der Erreger bisher nicht im Elektronenmikoskop sichtbar gemacht werden konnte und der experimentelle Beweis für die Übertragung fehlt, sprechen laut den schottischen Wissenschaftern einige Inzidizen dafür, dass AAV2 der Auslöser ist: So konnten bei neun Kindern Doppelinfektionen von AAV2 mit HAdV beziehungsweise HHV­6B nachgewiesen werden. AAV2 wurde 1965 entdeckt; bei rund 80 Prozent aller Erwachsenen kann ein früherer Kontakt mit dem Virus nachgewiesen werden.

30,5
Prozent der Kinder, die 2021 geboren wurden, wurden laut Statistik Austria per Sectio entbunden – in 13 Prozent war sie nicht geplant.

Corona I: 96 Prozent der Tiroler Blutspender mit Antikörpern
96 Prozent der Tiroler Blutspender wiesen im April 2022 Antikörper gegen das Corona­Virus auf. Das ergab eine Studie mit Daten von 73.000 Blutspenden zwischen 18 bis 70 Jahren, die von Juni 2020 bis April 2022 erhoben wurden. Das bedeutet eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 83 Prozent, die im Rahmen einer Studie im Herbst 2021 durchgeführt wurde. Seither ist der durchschnittliche Antikörper­Spiegel mehr als das Fünffache gestiegen. APA

Corona II: Impfstoff gegen Omikron­Variante
Ein gegen die Omikron­Variante wirksamer Impfstoff war in einer Phase III­Studie bei 72 Prozent der Erwachsenen in Bezug auf symptomatische Infektionen wirksam; bei Genesenen sogar 93 Prozent. Der Protein­basierte Impfstoff wurde in der zweiten Stufe der Phase III­Studie an mehr als 13.000 Erwachsenen getestet. Er enthält Antigene der Corona­Linien D614 und Beta (B.1.351). Die Daten des von Sanofi und GSK gemeinsam entwickelten Vakzins sollen demnächst bei der Europäischen Arzneimittelbehörde eingereicht werden und den Zulassungsantrag ergänzen. Ebenso wird an einem angepassten Auffrischungsimpfstoff, der auf einer Beta­Variante basiert, geforscht. APA

Affenpocken I: Zahlreiche Mutationen
Rund 50 Unterschiede im Erbgut gibt es beim aktuellen Erreger der Affenpocken – im Vergleich zu Viren aus den Jahren 2018 und 2019. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um João Paulo Gomes vom National Institute of Health Doutor Ricardo Jorge in Lissabon nach der Analyse von portugiesischen Fällen. Die Forscher sehen in der „überraschend hohen“ Mutation ein Zeichen beschleunigter Evolution. Die Rate liegt in etwa bei einer Mutation pro Genom pro Monat; SARS­CoV2 weist rund zwei Mutationen pro Genom pro Monat auf – bei einem rund siebenmal kleineren Genom. Die Wissenschafter vermuten, dass Enzyme des menschlichen Immunsystems für die Veränderungen im Genom verantwortlich sind. APA/Nature Medicine

Infektion an Oberflächen möglich
Oberflächen, die Personen berührt haben, die an Affenpocken erkrankt sind, sind hochgradig kontaminiert, wie Prof. Johannes Knobloch vom Universitätsklinikum Hamburg­Eppendorf herausfand. Im Zuge dieser Studie konnte allerdings nicht bewiesen werden, dass sich andere Personen durch den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen anstecken können. „Wir gehen davon aus, dass Oberflächen sehr stark belastet sein müssten, um sich durch den Kontakt mit dieser Oberfläche anstecken zu können“, so Knobloch. Dies betreffe vor allem Personen, die Infizierte betreuen oder mit ihnen zusammenleben. Von öffentlich zugänglichen Handkontaktflächen wie Türklinken oder Aufzugsknöpfen gehe den bisherigen Erkenntnissen zufolge keine Gefährdung aus. APA

Kalium schützt Frauen vor akuter Herz­/Kreislauferkrankung
Frauen, die mehr Bananen, Avocados oder Lachs essen, kompensieren so das mittels Salz aufgenommene Natrium aus der Nahrung und schützen sich so vor einer akuten Herz­/Kreislauferkrankung. Zu diesem Schluss kommen Forscher um Prof. Liffert Vogt von der Amsterdam University Medical Centers. Sie verwendeten 24.963 Daten – 11.267 Männer, 13.696 Frauen – im Alter von 40 bis 79 Jahren – aus der britischen EPIC­Norfolk­Studie, die von 1993 bis 1997 in Ordinationen von Hausärzten durchgeführt wurde. Das Durchschnittsalter lag bei 60 Jahren; die durchschnittliche Beobachtungsdauer 19,5 Jahre. Das Ergebnis: Bei Personen mit der höchsten Kaliumaufnahme zeigte sich ein um 13 Prozent geringeres Risiko für eine akute Herz­Kreislauf­Erkrankung im Vergleich zu jenen mit der geringsten Kaliumaufnahme. Bei Männern betrug die Risikoreduktion sieben Prozent, bei Frauen elf Prozent. Außerdem bewirkt ein Gramm mehr Kalium pro Tag, das in Form von Obst, Gemüse und Fisch konsumiert wird, bei Frauen einen um 2,4 mmHg niedrigeren Blutdruck. Bei Männern wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt.

Vierter HIV­Patient geheilt
Infolge einer Knochenmarktransplantation wegen Leukämie konnte bei einem 66­jährigen Mann eine vollständige Heilung von einer HIV­Infektion festgestellt werden. Das teilte das „City of Hope“­Krebszentrum im US­amerikanischen Bundesstaat Kalifornien mit. Das Besondere daran: Der Knochenmarkspender hatte eine CCR5­Mutation, was das Eindringen des HI­Virus in die Zellen unmöglich macht und eine natürliche Immunität gegen HIV aufbaut. Demnach ist der 66­Jährige der mittlerweile vierte und bislang älteste HIV­Patient, der nach 31 Jahren davon geheilt wurde. City of Hope-Krebszentrum Kalifornien

USA: Polio durch Lebendimpfstoff
In den USA wurde erstmals seit einem Jahrzehnt ein Poliofall nachgewiesen, der von einem Geimpften verursacht wurde. Einer ersten Sequenzierung zufolge ist die Übertragung von einem Menschen ausgegangen, der mit dem oralen Polio­Impfstoff geimpft worden war, der attenuierte Lebendviren enthält. Da ein solches Vakzin in den USA nicht mehr zugelassen ist, könnte das Virus möglicherweise von außerhalb der USA stammen. In den USA gilt Polio seit 1979 als ausgerottet. Dort wird – ebenso wie in anderen westlichen Ländern – nur noch inaktiver Polio­Impfstoff eingesetzt. APA

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2022