Kurz und informativ

15.07.2022 | Medizin

Corona: 48 Prozent mehr schwere Essstörungen
Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen Essstörungen hat während der Pandemie im Vergleich zur Zeit davor um 48 Prozent zugenommen. Das ergab eine kanadische Übersichtsarbeit von Wissenschaftern um Ass. Prof. Daniel J. Devoe vom Department für Psychologie der Mount Royal University in Calgary (Kanada). Sie analysierten die Daten von 36.485 Betroffenen aus 53 Studien, die zwischen November 2019 und Oktober 2021 publiziert wurden. In insgesamt 19 Studien wurde eine Zunahme der Fälle von Anorexia nervosa nachgewiesen; in neun eine Zunahme von Angstzuständen und in acht von Depressionen. Die Steigerungsraten seien nach Angaben der Wissenschafter jedoch auch abhängig von der Diagnosestellung und vom Zeitpunkt; so hätten auch die Lockdowns eine Rolle gespielt. APA/Eating Disorders

SARS-CoV-2: Makrophagen bewirken Lungenschäden
SARS-CoV-2 kann Lungenbläschen nur begrenzt direkt infizieren; der überwiegende Teil wird von Makrophagen aufgenommen und löst in diesen eine gezielte Aktivierung des Immunsystems aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team von Prof. Andreas Hocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie von der Berliner Charité nach Untersuchungen an Lungen-Organoiden sowie anhand von Autopsiegewebe. Alveolen haben nur selten ACE2-Rezeptoren, die SARS-CoV-2 benötigt, um anzudocken. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass schwere Lungenschäden bei COVID-19 eher auf eine durch Makrophagen ausgelöste Immunaktivierung als auf eine direkte Zerstörung der Lungenbläschen durch das Virus zurückzuführen sind“, so Hocke. APA/European Respiratory Journal 

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Millionen Unfälle gab es im Jahr 2020 in der EU. Dabei kamen 154.000 Menschen ums Leben.

TREM2 als Biomarker für Fortschreiten der Steatohepatitis
TREM2-positive Makrophagen kommen vermehrt bei Entzündungsprozessen der nichtalkoholischen Fettleber in den betroffenen Bereichen der Leber vor. Das konnten Forscher um Univ. Prof. Christoph Binder und Tim Hendrikx vom Klinischen Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien im Tierversuch nachweisen. Weiters konnten sie in Knochenmark-Transplantationsmodellen nachweisen, dass ein hämatopoetischer TREM2-Mangel die effiziente Fettspeicherung und den Abbau von extrazellulärer Matrix verhindert, was zu einer verstärkten Steatohepatitis, Zelltod und Fibrose führt. TREM2 ist sowohl als Membranrezeptor auf Zellen vorhanden, als auch in löslicher Form im Blut nachweisbar. In der löslichen Form ist TREM2 laut den Wissenschaftern ein ausgezeichneter Biomarker für die Identifizierung und den Status einer fortgeschrittenen Lebererkrankung. APA/Journal of Hepatology

Noro- und Rota-Viren: Übertragung auch mit Speichel
Noro- und Rota-Viren können auch über den Speichel übertragen werden. Diesen Infektionsweg haben Forscher um Nihal Altan-Bonnet von den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA) in einer Studie an Mäusen und an menschlichen Speicheldrüsenzellen beschrieben. Die Wissenschafter infizierten gesunde Mäusekinder mit Noro- und Rota-Viren und konnten nachweisen, dass sie die Viren beim Säugen an der Brust an ihre Mutter weitergaben. Beim Stillen ist die Infektion in beiden Richtungen möglich, was nahelegte, dass die Infektion der Mutter durch das Kind über den kindlichen Speichel erfolgt. Dies belegte ein Versuch, bei dem der Speichel von infizierten Mäusen gesunden Mäusekindern verabreicht wurde, die daraufhin erkrankten. Ebenso untersuchten die Forscher, ob sich die Viren in Speicheldrüsenzellen vermehren können. Fazit: Nach einer Infektion von Mäusen mit verschiedenen Virenstämmen zeigte sich in den Speicheldrüsen nach fünf Tagen jeweils die 10.000-fache Menge an Viren im Vergleich zu sechs Stunden nach der Infektion. Bei den Noro-Virusstämmen MNV-3, MNV-4 und WU23 waren Ausmaß und Dauer der Virenvermehrung vergleichbar mit zentralen Darmbereichen. Das Noro-Virus CR6 hingegen konnte sich in Speicheldrüsen nicht vermehren. APA/Nature

Hoher Zuckeranteil in Joghurt, Topfencremes und Molke
Zwar ist der durchschnittliche Zuckergehalt in Milchprodukten in den vergangenen zehn Jahren um 18 Prozent von 14,1 auf 11,5 Gramm pro 100 Milliliter beziehungsweise Gramm zurückgegangen, in Joghurt, Topfencremes und Molkegetränken ist er jedoch nach wie vor zu hoch. Das zeigt ein Vergleich des Salzburger Instituts SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition). Demnach entsprechen 43 Prozent der Milchprodukte nicht den empfohlenen Zuckergrenzwerten (2012: 16 Prozent); bei Joghurt, Topfencremes und Molke sind 63,3 Prozent zu süß (2012: 93,4 Prozent). Bei einem Fruchtjoghurt oder Topfencreme mit 250 Gramm konsumiert man inklusive Milchzucker (4,6 Gramm pro Milliliter) eine Zuckermenge, die knapp acht Stück Würfelzucker entspricht. Bei einem Glas mit 250 Milliliter Milchgetränk oder Molke sind es knapp sieben Stück Würfelzucker. Laut WHO sollten pro Tag je nach Alter maximal 50 bis 60 Gramm Zucker konsumiert werden, was zwischen 13 bis 16 Stück Würfelzucker entspricht. Mehr als jedes zehnte Milchprodukt zum Trinken ist mit Süßstoff gesüßt; bei Joghurts, Topfencremes und Co ist es rund jedes 20. Produkt. Dazu SIPCAN-Vorstand Univ. Prof. Fritz Hoppichler: „Der Einsatz von Süßstoffen wird heute wissenschaftlich nicht mehr als allgemein sinnvolle Alternative zu Zucker bewertet“. Aktuelle Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Konsum von Süßstoff mit einem erhöhten Risiko für Tumore und auch für Gewichtszunahme. APA

Familiengröße beeinflusst kognitive Leistungsfähigkeit im Alter
Personen mit drei oder mehr Kindern weisen im Alter eine geringere kognitive Leistungsfähigkeit auf als jene mit zwei Kindern. Vegard Skirbekk vom norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit und der Columbia University nutzte dafür zusammen mit Eric Bonsang von der Universität Paris-Dauphine (Frankreich) Angaben aus der Datenbank „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe“ (SHARE). Diese enthält Informationen über den Gesundheitszustand, beruflichen Werdegang und sozioökonomischen Status von älteren Menschen aus 20 europäischen Ländern – darunter auch Österreich. Für die Studie wurden über 65-Jährige mit mindestens zwei leiblichen Kindern berücksichtigt. „Der negative Effekt von drei oder mehr Kindern im Vergleich zu zwei Kindern ist beträchtlich und entspricht in unserer Stichprobe einer Alterung von 6,2 Jahren“, so die Wissenschafter. Mehrere Mechanismen könnten dafür verantwortlich sein: ein zusätzliches Kind verringert das Familieneinkommen; mögliche finanziellen Sorgen und Unsicherheiten; eine geringere Erwerbstätigkeit der Frau – während sich Arbeit positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirke. Weiters könne der Stress durch zusätzliche Kinder das Gesundheitsverhalten der Eltern und deren kognitive Entwicklungbeeinträchtigen. APA/Demography

Österreich: resistenter Gonorrhö-Erreger nachgewiesen
Bei einem Reiserückkehrer aus Kambodscha wurde im April 2022 ein mehrfach resistenter Abkömmling von N. gonorrhoe nachgewiesen. Der Mann hatte fünf Tage vor Symptombeginn ungeschützten Geschlechtsverkehr in Kambodscha. Laut der Nationalen Referenzzentrale bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) handelt es sich bei dem vorliegenden Stamm um den zweiten weltweit, der sowohl gegen die beiden wirksamen Antibiotika als auch gegen andere Substanzen resistent ist. Der Erreger konnte auch nach der Therapie in zumindest einer Harnprobe weiterhin nachgewiesen werden. APA/Eurosurveillance

Mammakarzinom: stärkeres Wachstum in der Nacht
Mammakarzinome setzen nachts nicht nur mehr zirkulierende Krebszellen ab, sondern diese setzen sich auch eher als Metastasen fest. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Prof. Nicola Aceto von der ETH Zürich nach einer Studie mit 30 Krebspatientinnen und anhand von Mausmodellen. Die Dynamik der zirkulierenden Krebszellen werde laut den Wissenschaftern von Hormonen des Wach-Schlaf-Rhythmus wie Melatonin diktiert. Diese Erkenntnisse könnten künftig für die Diagnostik hilfreich sein, um beispielsweise Biopsien an einem streng kontrollierten Zeitpunkt durchzuführen. So könnte die Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet werden. Auch könnte das Therapieregime optimiert werden, indem die maximale Wirksamkeit während des Schlafs gewährleistet wird. APA/Nature

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2022