Kurz und informativ

10.05.2022 | Medizin

Lichtimpulse stimulieren Nerven
Implantierbare organische Pigmentfolien stimulieren Nervenzellen – zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Technischen Universität Graz, der MedUni Graz, der Universität Zagreb und dem Central European Institute of Technology in zellbiologischen Versuchen. Farbpigmente aus der Lebensmittelindustrie wurden in eine nur wenige Nanometer dünne Schicht verdampft. Diese Schicht wandelt ebenso wie in organischen Solarzellen Licht in elektrische Ladung um. Als die gezüchteten Nervenzellen, die auf der Folie wuchsen, mit mehreren wenige Millisekunden kurzen Lichtblitzen mit einer Wellenlänge von 660 Nanometern (rotes Licht) stimuliert wurden, reagierten sie mit Aktionspotentialen und stimulierten andere Nervenzellen. „Im Gegensatz zur derzeit gängigen Elektrostimulation mittels Metallelektroden stellen unsere Pigmentfolien eine vollkommen neue Möglichkeit dar, Nervenzellen anzuregen“, sagt Theresa Rienmüller vom Institut für Health Care Engineering der TU Graz. Die dünnen organischen Folien sind gut verträglich und können leicht implantiert werden. Verkabelungen wären künftig daher nicht mehr notwendig, was die Infektionsgefahr verringern würde. Mögliche Einsatzgebiete sind neurologische Verletzungen wie schwere Hirntraumen, die Schmerztherapie und als Netzhaut-Implantate. Die Forscher sind zuversichtlich, dass die ersten Pigmentfolien in den kommenden beiden Jahren implantiert werden können. Advanced
Materials Technologies

Gewebebildung auf Basis von 3D-Mikrogerüst
Mikrogerüste können zur Herstellung von Gewebe mittels Laser-basiertem 3D-Druck dienen und mit lebenden Zellen kultiviert werden. Die Zellen vervielfältigen sich, verschmelzen zu einem Gewebe und das Mikrogerüst wird abgebaut. Entwickelt wurde diese neue Methode, die bereits bei Knorpel- und Knochengewebe erfolgreich erprobt wurde, von Forschern um Univ. Prof. Aleksandr Ovsianikov vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien. „Wir konnten zeigen, dass die Zellen aus benachbarten Gerüst-Einheiten miteinander verwachsen und ein Gewebe bilden“, so Ovsianikov. Die im 3D-Druck hergestellten Gerüste haben die Form von Fußbällen mit einem Durchmesser von weniger als ⅓ Millimeter. Die Fünf- und Sechsecke bilden Streben, die eine Stärke von rund 0,035 Millimeter haben. Sowohl die Form als auch die mechanischen Eigenschaften der Gerüste sind flexibel adaptierbar; sie können rasch Tausende Zellen aufnehmen und in der Folge eine hohe Zelldichte erreichen. Beim Druck selbst kommt kommerziell verfügbares, biokompatibles, biologisch abbaubares auf Polyester basierendes Material zum Einsatz. Künftig könnten diese Mikrogerüstbasierten Gewebe-Einheiten für minimalinvasive Eingriffe injizierbar gemacht werden, so die Forscher. TU Wien

Deep Learning Modell identifiziert Broken-Heart-Syndrom
Künstliche Intelligenz übertrifft erfahrene Kardiologen bei der Differenzierung zwischen einem akuten Myokardinfarkt und der Takotsubo-Kardiomyopathie („Broken-Heart-Syndrom“), die in der akuten Phase einem Herzinfarkt ähnelt. Das fanden Forscher um den Kardiologen Prof. Christian Templin vom Universitätsspital Zürich in einem Kooperationsprojekt mit der ETH Zürich heraus. Die Wissenschafter nutzten die Daten von jeweils 224 Herz-Ultraschall-Untersuchungen aus dem internationalen Takotsubo-Register und dem Zürcher Register für akute koronare Herzkrankheiten. Zunächst sollte anhand eines eigens entwickelten Deep-Learning-Modells geklärt werden, ob künstliche Intelligenz in den unstrukturierten Rohdaten von 228 Patienten Muster erkennt, Bilder zuordnen oder Unterscheidungen vornehmen kann. Der auf diese Weise entwickelte Algorithmus diente für die Analyse von weiteren 200 Datensätze. Diese wurden parallel dazu auch von vier erfahrenen Kardiologen beurteilt. Ergebnis: Die vollautomatische Analyse mit Hilfe von künstlicher Intelligenz war den Kardiologen überlegen. Bevor die künstliche Intelligenz im klinischen Alltag zum Einsatz kommt, müssen – aufgrund der beschränkten Zahl der Datensätze und lediglich zwei Krankheits-bildern – weitere Studien folgen. Universitätsspital Zürich/JAMA Cardiology

USA: erster COVID-19-Atemtest zugelassen
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat den ersten COVID-19-Test, der SARS-CoV-2 in der Atemluft nachweisen kann, zugelassen. Mittels Gaschromatographie-Gasmassenspektrometrie (GC-MS) identifiziert der „COVID-19 Breathalyzer“ des Medizintechnikunternehmens InspectIR-Systems chemische Gemische und weist fünf flüchtige organische Verbindungen in Zusammenhang mit SARS-CoV-2 im Atem nach. Die FDA stützt sich bei ihrer Notfallzulassung auf eine Studie mit 2.049 Probanden mit und ohne Symptome. Demnach zeigte der Test eine Sensitivität von 91,2 Prozent und eine Spezifität von 99,3 Prozent. Außerdem habe er selbst bei geringer Prävalenz von SARS-CoV-2 eine hohe Vorhersagekraft von 99,6 Prozent gehabt, so die FDA. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde empfiehlt, dass der „Breathalyzer“ von geschultem Personal angewendet wird. Das Ergebnis liegt in weniger als drei Minuten vor; ein positiver Test sollte mittels PCR-Test verifiziert werden. APA

Corona-Varianten: Wirksamkeit bei Booster lässt nach
Bereits drei Monate nach dem Booster mit dem Bion-Tech/Pfizer-Vakzin reduziert sich bei Omikron und Delta sowohl der Schutz vor einer Spitalseinweisung als auch vor einem Notaufnahme-Besuch. Das ergab eine vom Impfstoffhersteller finanzierte Analyse von 11.123 Patienten, die von Dezember 2021 bis Feber 2022 entweder in ein Krankenhaus eingewiesen wurden oder die Notaufnahme besuchten, erklärte Epidemiologin Sara Y. Tartof vom Gesundheitskonsortium Kaiser Permanente in Südkalifornien. Demnach betrug der Schutz vor Krankenhauseinweisung wegen Omikron zunächst 85 Prozent; nach drei Monaten 55 Prozent; beim Besuch der Notaufnahme waren es 77 vs. 53 Prozent. Ähnlich die Situation bei der Delta-Variante; allerdings wurde die Wirksamkeit der Impfung zu jedem Zeitpunkt höher als bei Omikron eingeschätzt. Generell war die Wirkung des Impfstoffs gegen Omikron nach drei Dosen signifikant höher als nach zwei. APA/The Lancet
Respiratory Medicine

400
Prozent mehr Masern-Fälle als im Jahr 2021 wurden im ersten Quartal dieses Jahres in Afrika registriert. Aus insgesamt 20 Ländern wurden 17.500 Fälle gemeldet.

Kein SeehöhenEffekt bei Frühchen
Während die Seehöhe des Wohnortes einer Schwangeren das Wachstum von Föten bei Termingeburten in den letzten 36 Jahren zunehmend weniger beeinflusste, blieb der Seehöhen-Effekt bei Frühgeburten konstant. Den Grund dafür orten Forscher um Univ. Prof. Katrin Klebermaß-Schrehof von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien, Univ. Prof. Thomas Waldhör vom Zentrum für Public Health und Lin Yang von den kanadischen Alberta Health Services im Wachstum des Kindes im letzten Schwangerschaftsdrittel. Die Forscher analysierten die Daten von mehr als 2,2 Millionen Schwangeren und Kindern. Diese lebten zwischen 1984 und 2019 in Österreich auf einer Seehöhe zwischen 118 und 1.666 Metern. Neben Merkmalen der Schwangeren wurden Geburtsgewicht und Körpergröße von Termingeburten (Woche 38+) und Frühgeburten (Woche 30 bis 37) untersucht. Die Ergebnisse: Weiterhin ist der negative Effekt von höheren Lagen auf das Geburtsgewicht mit durchschnittlich 80 bis 100 Gramm pro 1.000 Meter hoch; nahm jedoch im Beobachtungszeitraum ab. Je 1.000 Höhenmeter wogen Neugeborene in den Jahren 1984 bis 1986 um 2,66 Gramm pro Zentimeter Körpergröße weniger; jene, die zwischen 2017 und 2019 geboren wurden, nur noch um 1,96 Gramm. Bei Frühgeburten blieb der Seehöhen-Effekt über die Jahre konstant und liegt bei etwa minus 1,5 Gramm pro Zentimeter Körpergewicht je 1.000 Höhenmeter. MedUni Wien

Hepatitis bei Kindern: Ursache weiterhin unklar
In zehn Staaten des EU-/EWR-Raumes wurden 40 Hepatitis-Fälle ungeklärter Ursache bei Kindern zwischen einem Monat und 16 Jahren – darunter zwei in Österreich – gemeldet; weltweit sind 190 Erkrankungen dokumentiert (Stand: 26. April). Betroffen waren vor allem Kinder unter zehn Jahren; am häufigsten erkrankten unter Fünfjährige. Bei 17 Kindern war eine Lebertransplantation erforderlich. Die European Centers for Disease Control (ECDC) untersuchen in Zusammenarbeit mit der WHO einen möglichen Zusammenhang mit Adenoviren. Die WHO vermutet, dass Kinder aufgrund der Pandemie-bedingten Karenz anfälliger für Adenoviren sind. Ebenso wird evaluiert, ob Doppel-Infektionen mit Adenoviren und dem Coronavirus eine Rolle spielen könnten. Ausgeschlossen werden können sowohl der Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen, Reise-bedingten Ursachen und Virus-Hepatitis A, B, C, D oder E. Auch handelt es sich nicht um die Nebenwirkung einer COVID-Impfung, da der Großteil der Erkrankten nicht geimpft ist. APA/ECDC

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 09 / 10.05.2022