Kurz und informativ

11.04.2022 | Medizin

Bronchialkarzinom: ­Früherkennung verringert Mortalität
Ein Bronchialkarzinom-Früherkennungsprogramm mit Niedrig-Dosis-Computertomographie könnte 86 Prozent der Erkrankungen im Frühstadium aufdecken. Anna Kerpel-Fronius vom Nationalen Koranyi Institut für Pulmologie und ihre Co-Autoren von der ­MedUni Wien (Klinische Abteilung für Thorax­chirurgie) untersuchten in ihrem Pilotprojekt 1.890 Personen, die einmal jährlich untersucht wurden. Zu Beginn waren es 81,2 Prozent negative Tests; 15,1 Prozent zunächst unbestimmte Ergebnisse und 3,7 Prozent positiv auf ein Lungenkarzinom. Bei den Letztgenannten erhärtete sich der Verdacht bei 1,2 Prozent nach der Biopsie. Während des gesamten Projektzeitraums wurde bei 1,5 Prozent der Teilnehmer die Diagnose Lungenkarzinom gestellt. Das laut den Wissenschaftern wichtigste Ergebnis: „Die meisten bösartigen Veränderungen der Lunge – 86,2 Prozent – wurden in einem frühen Stadium entdeckt.“ APA/European Radiology

Nanopartikel verbessern Strahlentherapie
Nanopartikel, die in Tumorzellen eingeschleust werden, können maligne Zellen empfindlicher gegenüber einer Strahlentherapie ­machen. „Ein Problem ist, dass sich die winzigen Teilchen nicht hochwertig im industriellen Maßstab herstellen lassen“, sagt Lukas Gerken von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Forschungsanstalt EMPA. Die Wissenschafter haben nun ein Syntheseverfahren entwickelt, mit dem je nach Anlage mehrere Kilogramm hochwertige Nanopartikel pro Tag synthetisiert werden können. Das Team um Gerken und Prof. Inge Herrmann verglichen daraufhin die Wirksamkeit von selbst hergestelltem Hafnium, Zirconium und Titanoxiden in Zellkulturen untereinander und mit Gold-Partikeln. Dabei reicherte sich besonders Hafniumdioxid in großer Menge in den Zellen ein: ein halbe Milliarde Nano-Partikel gelangte in jede einzelne Zelle, ohne dabei giftig zu sein. Damit übertrumpfen sie den bisherigen Standard mit Goldteilchen, die in der Strahlentherapie derzeit als das Optimum gelten, um das Zehn- bis 30-Fache. Außerdem tötet Hafniumdioxid maligne Zellen wirksam und schonend ab, ohne dabei gesunde Zellen zu schädigen. APA/­Chemistry of Materials

1.264
Fälle von Influenza und Influenza-ähnlichen Erkrankungen pro 100.000 Einwohner registrierte die AGES in Kalenderwoche 11 dieses Jahres. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum 318.

Schlafmuster zeigt Risikofreudigkeit an
Menschen mit einer geringeren Slow-wave Activity (SWA, Indikator für Tiefschlaf) im präfrontalen Cortex zeigen eine höhere Neigung für risikofreudiges Handeln. Wissenschafter um Prof. Daria Knoch von der Universität Bern haben dafür die Gehirnströme von 54 gesunden Erwachsenen während des Schlafes zu Hause und bei einem Computerspiel, in dem Risikofreude gefragt war, erfasst. Mit Actigraphen wurde das Bewegungsmuster im Schlaf aufgezeichnet. Anschließend wurden mit einem tragbaren polysomnographischen System mit 64 EEG-Elektroden am Kopf Schlafdaten erhoben. Dazu Co-Autorin Lorena Gianotti: „Die Schlafdauer hat in Bezug auf die Risikofreudigkeit keinen Einfluss. Vielmehr ist Ausschlag-gebend, dass der Tiefschlaf insbesondere in den ‚richtigen‘ Hirn­regionen stattfindet, hier also im Areal, das für die Fähigkeit zur Impulskontrolle steht“. ­APA/Neurolmage

Astrozyten beeinflussen ­räumliches Lernen
Nicht intakte Astrozyten-Netzwerke führen im Tierversuch zu erheblichen Defiziten beim räumlichen Lernen und der Gedächtnisbildung. Das konnte ein internationales Forschungsteam um Prof. Aiman Saab und Prof. Bruno Weber vom Neuroscience Center der Universität Zürich an genetisch veränderten Mäusen zeigen. Demnach trägt die Astrozyten-Kopplung zur Funktion des Hippocampus, wo das räumliche Gedächtnis gebildet wird, bei. Störungen des Astrozyten-Netzwerks beeinträchtigen die Signalübertragung und damit die Informa­tionsspeicherung. Da auch die Hirnalterung mit einer veränderten Astrozyten-Kopplung einhergeht, könnte laut den Wissenschaftern auch die altersbedingt nachlassende Lernfähigkeit und Gedächtnisbildung damit zusammenhängen. APA/Cell Reports

Corona I:
Impfstoffkandidat als Nasenspray
Einen nasal attenuierter Lebendimpfstoff, der als Nasenspray zur Verfügung stehen soll, hat ein Forschungsteam um Prof. Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie der Universität Bern und Kollegen der Universitäten Genf, Berlin und des Friedrich-Löffler-Instituts entwickelt. Der Impfstoff enthält nicht nur das Spikeprotein, sondern alle Virusproteine und wirkt daher auch bei neuen Virusvarianten. Außerdem ist er bei höheren Temperaturen stabil, wodurch Transport und Lagerung vereinfacht würden. Im Hamstermodell konnte der Impfstoff einen starken Immunschutz in den oberen Atemwegen hervorrufen. Die ersten Schritte zur Entwicklung eines Impfstoffkandidaten wurden vom Nationalen Forschungsprojekt (NFP78) des Schweizerischen Nationsfonds unternommen. In Zusammenarbeit mit dem Biotech-Unternehmen RocketVax AG soll der Impfstoff für eine klinische Phase 1-Studie vorbereitet werden. APA

Corona II: Geruchsverlust wegen defekter Stützzellen
Defekte Stützzellen des Epithels behindern die Funktion von Nervenzellen und als indirekte Folge kommt es zur Störung oder zum Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns. Zu diesem Ergebnis kommen Marianna Zazhytska von der Columbia University/New York und Co-Autoren nach Labor-Experimenten mit Riechepithelien von COVID-19-Patienten und infizier­ten Hamstern. Bisher war man davon ausgegangen, dass es zu einem Verlust von Neuronen kommt, die die Geruchs-Informationen aufnehmen beziehungsweise weiterleiten. Durch die Infektion von benachbarten Zellen wird offensichtlich die Funktion der nahegelegenen Neuronen verändert. Das bewirkt eine Downregulation der Gene von Geruchsrezeptoren und den entsprechenden Signalwegen. APA/Cell

Drogenmonitoring im Abwasser: Cannabis dominiert
Das Abwasser-basierte Drogenmonitoring 2021 ergab, dass der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol und Nikotin innerhalb von Österreich einheitlich ist, nicht jedoch bei den verbotenen Drogen. Mit dem Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck beteiligt sich Österreich seit 2016 am Score-Drogenmonitoring. In Zuge dessen wurden europaweit Abwässer von 110 Kläranlagen in 90 Städten analysiert, darunter neun Kläranlagen in Österreich und eine in Südtirol. So kann der Drogenkonsum von knapp einer Millionen Menschen in Österreich und Südtirol analysiert werden. Cannabis dominiert bei den verbotenen Drogen in fast allen Regionen mit einem höheren Anteil im urbanen Raum. Kokain führt bei den Stimulantien: In Westösterreich und Südtirol ist der Pro-Kopf-Konsum höher als in Ost-Österreich. Speed und Crystal Meth wurden am stärksten in Ost-Österreich – speziell Graz – konsumiert. Im Vergleich zu 2019 und 2020 kam es 2021 zu einem Rückgang des Konsums von Partydrogen: Ecstasy (minus 50 Prozent), Kokain (minus zehn Prozent) und Cannabis (minus zehn Prozent). Allerdings nahm der Konsum von Crystal Meth und Speed zu (plus 130 Prozent beziehungsweise 30 Prozent). Die West-Ost-Verteilung von Stimulantien und synthetischen Drogen beschränkt sich nicht auf Österreich, sondern ist in ganz Europa zu finden. Im Vergleich mit anderen untersuchten europäischen Staaten liegen die in Österreich und Südtirol überwachten Regionen bei allen analysierten Substanzen im Mittelfeld. Medizinische Universität Innsbruck

Beta-Lactoglobulin verhindert allergische Reaktion
Das ständige Einatmen von Beta-Lactoglobulin (BLG) sorgt dafür, dass Bauernkinder seltener an Allergien leiden. Im Kuhstall verbreitet sich diese Substanz über Rinderurin im Stallstaub und bildet eine Art Allergie-Schutzglocke mit 300 Meter Radius um den Stall, sagen Forscher um Priv. Doz. Isabella Pali-Schöll vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Zahlreiche Studien belegten, dass Kinder, die im bäuerlichen Umfeld aufwachsen, zu einem hohen Prozentsatz vor Asthma, Allergien und Neurodermitis geschützt sind. Auch war schon bekannt, dass der Genuss von unverarbeiteter natürlicher Rohmilch das Allergierisiko zu senken scheint. Nun konnten die Wissenschafter in Versuchen mit Mäusen nachweisen, dass Kuhstallstaub mit Beta-Lactoglobulin eine allergische Reaktion gegen Birkenpollen verhindern ­konnte; Kuhstallstaub ohne dieses Milcheiweiß hatte keine Schutzwirkung. APA/Clinical and Translational Allergy

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 07 / 10.04.2022