Interview Johann Bauer: Jahrestagung der ÖGDV – Dermatologie im Alltag

25.11.2022 | Medizin

Biologika und JAK-Inhibitoren zählen zu den wichtigsten Neuerungen bei der Behandlung von Psoriasis und Neurodermitis, erklärt Univ. Prof. Johann Bauer, Kongresspräsident der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie, Anfang Dezember in Wien. Über weitere aktuelle Entwicklungen in der Dermatologie berichtet er im Gespräch mit Julia Fleiß.

Welche aktuellen Entwicklungen sind in der Dermatologie entscheidend? Der Einsatz von Biologika beispielsweise bei Psoriasis und Neurodermitis zählt zu den bedeutendsten Neuerungen. Auch die neuen JAK-Inhibitoren sind ein breites Zukunftsgebiet. Diese ‚small molecules‘ können ebenfalls bei Psoriasis und atopischer Dermatitis eingesetzt werden und zwar oral. Das vereinfacht die Therapie. Seit diesem Jahr gibt es Indikationserweiterungen in Richtung Alopezie und Vitiligo. Diese Erkrankungen werden initial häufig mit Kortison therapiert, was aber bei der Lokaltherapie die Hautatrophie als Nebenwirkung mit sich bringt. JAK-Inhibitoren wirken in diesen Fällen so gut wie Kortison, allerdings ohne Nebenwirkungen. Im Vergleich zu Biologika sind JAK-Inhibitoren nicht ganz so effektiv. Daher werden sie bei manchen Erkrankungen nicht als Firstline eingesetzt, sondern nur dann, wenn Biologika nicht in Frage kommen, etwa wegen einer Allergie gegen diese Antikörper.

Ein Schwerpunktthema der Tagung lautet „The single cell revolution“. Worum geht es hier konkret? Bisher haben bei der Untersuchung von Hautzellen neben den zu analysierenden Zielzellen eine Unmenge an Hintergrundzellen zu einer gewissen Beeinträchtigung der Analyse geführt. Jetzt gibt es Einzelzellanalysen, bei denen man mit Hilfe von neuen Techniken die Reaktionen einzelner Zellen auf verschiedene Krankheiten untersucht. Dabei kann man auch topographisch zuordnen, ob eine Zelle vermehrt in der Dermis oder Epidermis vorkommt. Bei entzündlichen Erkrankungen ist es wichtig, ob und wo Immunzellen vom Typ Th1, Th2 oder Th17 vorhanden sind. Oft sitzen sie in der Nähe von dendritischen Zellen und interagieren mit diesen. Das ist für die Diagnose relevant und in weiterer Folge für die Therapie, weil man neue, antigene Zielstrukturen entwickeln kann.

Stichwort Hautkrebs: Wie sieht es aktuell mit den Heilungschancen aus? Hautkrebsscreening ist ein wichtiges Thema. In Deutschland gab es breit angelegte Programme, im Zuge derer Patienten ab dem 35. Lebensjahr einmal jährlich auf potentiellen Hautkrebs untersucht wurden. Ob sich das stark auf das Gesamtüberleben dieser Patienten auswirkt, ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig. Deshalb ist ein bevölkerungsweites Hautkrebsscreening in Österreich nicht implementiert. Aber es wird daran gearbeitet, zu beweisen, ob das sinnvoll ist. Generell sind bestimmte frühe Hautkrebsformen – wie Sonnenschäden – einfach zu erkennen, und mit entsprechender Schulung und wenn flüssiger Stickstoff verfügbar ist, auch in der Ordination eines niedergelassenen Arztes behandelbar.

Anders sieht es hingegen beim Melanom aus. Es gibt in der Immuntherapie neue Kombinationstherapien. Die Effektivität der Immuntherapie, gerade die Kombinationstherapie Ipilimumab und Nivolumab, ist sehr gut. Das Fünf-Jahres-Gesamtüberleben ist von fünf auf 50 Prozent gestiegen. Aber dafür ist die Nebenwirkungsrate relativ hoch. Es treten die unterschiedlichsten Autoimmunphänomene auf. Wie ein Patient individuell reagiert, kann man nicht vorhersehen: Einer entwickelt eine massive Colitis, ein anderer eine Autoimmunthyreoiditis oder eine Hepatitis. Das kann man in einer palliativen Situation in Stadium IV riskieren, wenn es tatsächlich ums Überleben geht. In einer adjuvanten Situation ist das Risk­Benefit­Assessment nicht unbedingt gegeben. Auch bei Patienten, die nach einer Operation krebsfrei sind, wird derzeit mit Immuntherapie behandelt, um das Rezidivrisiko um 50 Prozent zu senken. Jemanden, bei dem ein Rezidiv ungewiss ist, den Nebenwirkungen der bisherigen Immuntherapie auszusetzen, ist zu diskutieren. Es gibt jetzt eine brandneu zugelassene Kombination im Stadium IV von Nivolumab mit einem anderen Immuntherapeutikum, Relatlimab. Das gibt Hoffnung, da es zu deutlich weniger Nebenwirkungen kommt.

Ein zentrales Thema der Tagung ist der „Off-label use in der Dermatologie“. Um welchen Aspekt genau geht es dabei? In der Dermatologie ist Off­label­use kein neues Thema. Eine rechtlich verbindliche Definition ist dem österreichischen Recht, insbesondere dem Arzneimittelgesetz, nicht zu entnehmen. In einer älteren französischen Studie wurde der Prozentsatz von Off­label­use mit 14 Prozent angegeben. Das wird sicher zunehmen, da bei immunologischen Erkrankungen wie Alopezie, Vitiligo, Lichen ruber planus oder bullösem Pemphigoid derzeit neue Biologika und JAK­Inhibitoren ‚off­label‘ angewendet werden. Aufgrund der vergleichsweise geringen Prävalenz gibt es teilweise noch keine Zulassungsstudien.

Wie sollte man vorgehen? Kann in einer möglichst randomisierten Studie die Effektivität für eine Indikation nachgewiesen werden, muss man das bei der Österreichischen Gesundheitskasse vorlegen und für eine Erstattung argumentieren. Es birgt natürlich eine gewisse Gefahr für den verschreibenden Arzt. Auch in der pädiatrischen Dermatologie ist Off­label­use ein großes Thema.

Das Tragen von FFP2-Masken bleibt nicht ohne Folgen. Wie sieht es damit aus? Das Tragen von Gesichtsmasken kann mit einer Exzerbation von Akne oder Rosacea einhergehen. Außerdem treten Handekzeme durch die vorgeschriebene Handhygiene vermehrt auf. Bis zu 80 Prozent des Krankenhauspersonals haben seit Pandemiebeginn Hygiene­assoziierte Handekzeme entwickelt. Da hilft nur viel Aufklärung und freier Zugang zu Handpflege­Produkten, wie in einer Studie in Osnabrück festgestellt wurde. Ansonsten helfen Kortison-haltige Externa, aber nicht als Dauerlösung.


Details zum Kongress
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie
1. – 3. Dezember 2022, Hofburg Wien
Details und Anmeldung: www.oegdv-jahrestagung.at


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2022