Impf­sai­son 2022/​2023 – Influ­enza im Kommen

11.10.2022 | Medizin

Nach zwei Jah­ren, in denen es keine nen­nens­werte Zir­ku­la­tion des Influ­enza-Virus gege­ben hat, gehen Exper­ten davon aus, dass es in der dies­jäh­ri­gen Herbst-/ Win­ter­sai­son zu einer grö­ße­ren Influ­enza-Welle kom­men wird. Von Bedeu­tung sind auch die bei Älte­ren exis­ten­ten Impflü­cken bei DTP sowie MMR bei Kindern.

Mar­tin Schiller

„Am Infek­ti­ons­ge­sche­hen in Aus­tra­lien haben wir bereits bemerkt, dass etwas auf uns zukommt“, berich­tet Univ. Prof. Ursula Wie­der­mann-Schmidt vom Insti­tut für Spe­zi­fi­sche Pro­phy­laxe und Tro­pen­me­di­zin der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien und Zen­trum für Patho­phy­sio­lo­gie, Infek­tio­lo­gie und Immu­no­lo­gie. Im Öster­rei­chi­schen Impf­plan wird die Influ­enza-Imp­fung beson­ders für Per­so­nen ab dem voll­ende­ten 60. Lebens­jahr und noch nach­drück­li­cher ab dem voll­ende­ten 65. Lebens­jahr emp­foh­len; aber auch für Kin­der, Schwan­gere, Per­so­nen mit geschwäch­tem Immun­sys­tem, chro­ni­sche Herz-/Kreis­lauf- oder Lun­gen­er­kran­kun­gen sowie allen im Gesund­heits­we­sen Täti­gen. Ab 60 Jah­ren steht dafür der inak­ti­vierte tetra­va­lente Hoch­do­sis-Impf­stoff Efluelda zur Ver­fü­gung, für Per­so­nen ab 65 Jah­ren und immun­sup­p­ri­mierte Per­so­nen der adju­van­tierte, inak­ti­vierte, tetra­va­lente Impf­stoff Fluadt­e­tra. Abge­se­hen von die­sen Per­so­nen­grup­pen emp­fiehlt Wie­der­mann-Schmidt die Imp­fung in den kom­men­den Wochen „für alle Bevölkerungsgruppen“.

Auch Pneu­mo­kok­ken-Infek­tio­nen könn­ten in den kom­men­den Mona­ten ver­mehrt auf­tre­ten, so die Befürch­tung der Exper­ten. Für Wie­der­mann-Schmidt hat die Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung für ältere Men­schen daher hohe Prio­ri­tät, da ab dem 60. Lebens­jahr das Risiko für inva­sive Pneu­mo­kok­ke­n­er­kran­kung deut­lich erhöht ist. „Für diese Per­so­nen­grup­pen ste­hen nun auch höher valente kon­ju­gierte Impft­stoffe − sowohl ein 15-valen­ter als auch ein 20-valen­ter – zur Verfügung“.

Immun­se­nes­zenz im Blick

Nicht nur die bei­den genann­ten Imp­fun­gen stel­len einen wich­ti­gen Gesund­heits­schutz im Alter dar. Wie­der­mann-Schmidt weist auf den früh­zei­ti­ge­ren Abfall von Anti­kör­pern ab etwa 60 Jah­ren hin. „Aus die­ser Immun­se­nes­zenz ergibt sich ein ver­kürz­ter Impf­schutz, wes­halb bei­spiels­weise die Imp­fung gegen Diph­the­rie, Teta­nus, Keuch­hus­ten (und Polio) ab 60 alle fünf Jahre auf­ge­frischt wer­den sollte.“ Teta­nus­fälle gäbe es gene­rell „zum Glück“ sehr sel­ten; wenn, dann handle es sich um Per­so­nen, die ent­we­der gar nicht geimpft, oder keine Auf­fri­schungs­imp­fung erhal­ten hat­ten. Aber auch bei Diph­the­rie zei­gen sich Impflü­cken, und zwar in ganz Europa und vor allem bei der älte­ren Bevöl­ke­rung. Wei­ters nehme der Schutz gegen Per­tus­sis im Alter ab. „Es besteht auch eine Impflü­cke bei älte­ren Men­schen, weil im Rah­men der Teta­nus­imp­fung oft keine Kom­bi­na­tion mit der Per­tus­sis-Imp­fung erfolgt ist.“ Außer­dem müsse man auch vor Polio gewapp­net sein: „Das ver­deut­li­chen jüngste Hin­weise auf eine Akti­vi­tät von Poli­o­er­re­gern in New York“, betont Wiedermann-Schmidt.

Affen­po­cken: gestie­ge­nes Impfinteresse 

Seit 9. Mai 2022 wur­den laut AGES in Öster­reich 304 Fälle von Affen­po­cken gemel­det; 99 Per­so­nen sind gene­sen (Stand: 23.9.2022). Im Sep­tem­ber die­ses Jah­res wurde in Öster­reich ein stark gestie­ge­nes Inter­esse an der Imp­fung gegen Affen­po­cken regis­triert. Vom Gesund­heits­mi­nis­te­rium gibt es aktu­ell keine Impf­emp­feh­lung für die breite Bevöl­ke­rung (Stand: 19.9.2022). Die Imp­fung ist prä­ex­po­si­tio­nell nur für bestimmte Risi­ko­grup­pen indi­ziert und in der EU erst ab 18 Jah­ren zuge­las­sen. „Die Infek­tio­nen kon­zen­trie­ren sich der­zeit auf bestimme Bevöl­ke­rungs­grup­pen, wobei MSM – ‚Men who have Sex with Men‘ – als beson­dere Risi­ko­gruppe iden­ti­fi­ziert wur­den“, erklärt Wie­der­mann-Schmidt. Eine pro­phy­lak­ti­sche Imp­fung sei sinn­voll bei ent­spre­chen­dem Risi­ko­ver­hal­ten bezie­hungs­weise mög­li­chem erhöh­ten Expo­si­ti­ons­ri­siko. Wei­ters kommt die pro­phy­lak­ti­sche Imp­fung für Gesund­heits­per­so­nal in Frage. „Das betrifft vor allem Bediens­tete auf Haut­sta­tio­nen, HIV-Sta­tio­nen und alle, die in Berei­chen tätig sind, in denen sexu­ell über­trag­bare Krank­hei­ten behan­delt werden.“

Weil der Impf­stoff knapp ist, erfolgt die zwei­ma­lige Imp­fung der­zeit mit einem Teil der Dosis und zwar intrader­mal. „Mit intrader­ma­len Imp­fun­gen haben wir bereits bei Toll­wut gute Erfah­run­gen gemacht“, erklärt Wie­der­mann-Schmidt dazu. Post­ex­po­si­tio­nell erfolgt die Imp­fung alters­un­ab­hän­gig und sub­ku­tan und mit der vol­len Dosis. Bei jenen Men­schen, die noch gegen Pocken geimpft wur­den, geht man von einem hohen Maß an Kreuz­pro­tek­tion aus. Daher wird zumin­dest vor schwe­ren Ver­läu­fen ein Schutz erwar­tet und nur eine post­ex­po­si­tio­nelle Imp­fung ver­ab­reicht. Alle Ande­ren erhal­ten nach Expo­si­tion zwei Imp­fun­gen. Bei Kin­dern gilt im Fall einer post­ex­po­si­tio­nel­len Pro­phy­laxe die­selbe Dosie­rung und das­selbe Impf­schema wie bei Erwach­se­nen, so die Emp­feh­lung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums (Stand: 19.9.2022).

Seit dem Aus­bruch der Corona-Pan­de­mie ist es in Öster­reich zu einem Rück­gang der Raten bei der Masern-Mumps-Röteln-Imp­fung gekom­men. Die Stei­ge­rung der Durch­imp­fungs­rate der MMR-Imp­fung hat ins­ge­samt eine hohe Prio­ri­tät und Kin­der soll­ten laut Impf­plan 2022 „frü­her (mit neun Mona­ten) und kon­se­quent mit zwei Dosen (im Abstand von ein bis drei Mona­ten) gegen MMR geimpft wer­den“. Wie­der­mann-Schmidt macht jedoch auf einen wei­te­ren Aspekt auf­merk­sam: „Es ist mög­lich, dass zwar die erste Imp­fung nach neun Mona­ten ver­ab­reicht wurde, die zweite Imp­fung aber auf­grund der Pan­de­mie viel­leicht noch nicht statt­ge­fun­den hat.“ Ein Check auf all­fäl­lige Ergän­zun­gen von Grund­im­mu­ni­sie­run­gen sei jeden­falls wertvoll.

Die im Öster­rei­chi­schen Impf­plan 2022/​2023 emp­foh­le­nen kos­ten­lo­sen Kin­der­schutz­imp­fun­gen beinhal­ten auch die Imp­fung­ge­gen Influ­enza. Bei der erst­ma­li­gen Imp­fung eines Kin­des sol­len laut Impf­plan bis zum voll­ende­ten neun­ten Lebens­jahr zwei Imp­fun­gen mit der vol­len Dosis des Impf­stoffs im Abstand von min­des­tens vier Wochen erfol­gen. Für Kin­der bis zum voll­ende­ten 24. Lebens­mo­nat (ins­be­son­dere in Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen und bei Kon­tra­in­di­ka­tio­nen für den Lebend­impf­stoff) steht ein inak­ti­vier­ter, tetra­va­len­ter Impf­stoff zur Ver­fü­gung. Für Kin­der ab 24 Mona­ten bis zum voll­ende­ten 15. Lebens­jahr steht die intra­na­sale, tetra­va­lente Lebend­vak­zine Flu­enz tetra zur Ver­fü­gung (die Zulas­sung gilt bis zum voll­ende­ten 18. Lebens­jahr). Wei­ters sollte bei Kin­dern die Auf­fri­schungs­imp­fung gegen Per­tus­sis bevor­zugt mit dem Schul­ein­tritt erfol­gen, da es ab sechs Jah­ren zu einem deut­li­chen Abfall der Anti­kör­per­spie­gel und stei­gen­den Infek­ti­ons­zah­len kommt.

Imp­fun­gen posi­tiv ansprechen

Nach mehr als zwei Jah­ren Corona-Pan­de­mie haben sich den Aus­sa­gen der Exper­tin zufolge einige „zusätz­li­che Impflü­cken“ in der Bevöl­ke­rung auf­ge­tan. Wie­der­mann-Schmidt appel­liert daher an nie­der­ge­las­sene Ärzte, jede Gele­gen­heit zu nüt­zen, um Pati­en­ten an Imp­fun­gen zu erin­nern und die-se dabei posi­tiv anzu­spre­chen. „Jeder Arzt­be­such kann für den Pati­en­ten auch gleich die Mög­lich­keit eines Impf-Check-ups sein.“ Der Tipp der Exper­tin: „Mit dem Öster­rei­chi­schen Impf­plan steht ein her­vor­ra­gen­der Leit­fa­den zur Ver­fü­gung, den man immer wie­der zur Hand neh­men sollte.“


Pneu­mo­kok­ken-Update

Die Indi­ka­tio­nen für die Imp­fung sind im Öster­rei­chi­schen Impf­plan 2022 unver­än­dert, jedoch gibt es für Erwach­sene seit heuer zwei neue, kon­ju­gierte Impf­stoffe: der 15-valente Impf­stoff PNC15, Vax­neu­vance, und der 20-valente Impf­stoff PNC20, Apexx­nar, die noch mehr Sero­ty­pen abde­cken. Laut der Emp­feh­lung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums (Stand: 11.4.2022) sol­len sie bei Per­so­nen ab 18 Jah­ren vor­zugs­weise ver­wen­det wer­den. „Wer in den ver­gan­ge­nen Jah­ren als gesun­der Erwach­se­ner geimpft wor­den ist, bleibt jedoch im bis­he­ri­gen Schema“, erklärt dazu Priv. Doz. Maria Paulke-Kori­nek von der Abtei­lung Impf­we­sen im Gesund­heits­mi­nis­te­rium. Und wei­ter: „Die Imp­fung muss also nicht wie­der­holt wer­den. Jene Per­so­nen, die bis dato nur die 23-valente Imp­fung ein­mal erhal­ten haben, soll­ten im Abstand von einem Jahr eine kon­ju­gierte Imp­fung erhal­ten.“ Für Risi­ko­per­so­nen gibt es eigene Impf­sche­mata. Die Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung kann gleich­zei­tig mit jener gegen Influ­enza und COVID-19 erfolgen.

Paulke-Kori­nek weist beson­ders auf die große Bedeu­tung der Imp­fung von Kin­dern hin. „Kin­der haben eine hohe Rate an asym­pto­ma­ti­schen Besie­de­lun­gen und sind klas­si­scher­weise die Über­trä­ger auf ältere Per­so­nen. Daten zei­gen, dass eine hohe Durch­imp­fungs­rate bei Kin­dern zu einer Reduk­tion der Fälle bei Senio­ren führt. Jene Sero­ty­pen, mit denen Kin­der geimpft wer­den, neh­men auch bei Erwach­se­nen maß­geb­lich ab.“ Die Inzi­denz bei Kin­dern ist im ers­ten Lebens­jahr am höchs­ten und hier wie­derum beson­ders in der zwei­ten Hälfte. „Impft man im drit­ten oder fünf­ten Monat wie emp­foh­len, besteht genau für diese Zeit ein guter Schutz. Daher ist es so wich­tig, diese Imp­fung nicht zu ver­schie­ben“, betont Paulke-Korinek.


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2022