FAQs: Gesprächsführung kompakt

26.09.2022 | Medizin

Die wichtigsten Informationen rund um das Thema „Gesprächsführung in der Medizin“ bietet folgende Übersicht.

Als Fundament einer guten Behandlung … gewinnt das Arzt-Patient-Gespräch an Bedeutung, wobei eine „Theorie-Praxis-Kluft“ zu beobachten ist. Die Vermittlung von kommunikativen Kompetenzen ist in der Ausbildung verankert. Laut dem Internisten, Psychosomatiker und Kommunikationswissenschafter Wolf Langewitz ist die Erkenntnis der Wichtigkeit der Gesprächsführung in der Medizin zwar nicht neu, aber immer noch aktuell: „Patienten wollen gehört werden, wenn es darum geht, ihre Beschwerden diagnostisch einzuordnen und allenfalls zu behandeln.“

Der Faktor Zeit … wird oft als Ursache für die „Theorie-Praxis-Kluft“ genannt. Untersuchungen bestätigen aber, dass Patienten-zentrierte Gespräche nicht länger  dauern. Zwar entsteht zu Beginn der Arzt-Patient-Interaktion meist ein höherer Zeitaufwand, wenn der Patient seine Symptome vollständig beschreibt und seine Anliegen anspricht. Für die weitere Behandlung ist dies aber vorteilhaft und effizient.

Hinweise auf die emotionale Belastung des Patienten … im Anamnese-Gespräch und das Ansprechen von emotionalen Belastungen führen laut Studien dazu, dass ärztliche Gespräche weniger lang dauern als jene, bei denen dies nicht beachtet wird. Die durchschnittliche Zeitreduktion beträgt

  • bei Allgemeinmedizinern 12,5 Prozent,
  • bei chirurgischen Konsultationen 10,7 Prozent und
  • bei onkologischen Konsultationen zwischen zehn und zwölf Prozent.

 

Für den Arzt … ergibt sich bei sogar geringerem Zeitaufwand ein Zuwachs an Verständnis für den Patienten. Die Arbeitszufriedenheit ist erwiesenermaßen höher, ebenso die Wertschätzung der Tätigkeit des Arztes vonseiten der Patienten und Angehörigen. Für das Gesundheitssystem bedeutet wirksamere Kommunikation eine verbesserte Versorgung bei geringeren Gesundheitskosten. Außerdem nimmt die Wahrscheinlichkeit juridischer Klagen deutlich ab.

Aus Sicht des Patienten … nimmt das ärztliche Gespräch eine Schlüsselrolle in der Behandlung und der Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen ein. Die wichtigste Informationsquelle bei gesundheitlichen Problemstellungen sind laut Befragungen in erster Linie Ärzte.

Die fortschreitende Spezialisierung, Technologisierung und Digitalisierung … beeinflussen zweifellos die Kommunikation und damit auch die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Ob sich daraus zusätzliche Risiken oder neue Chancen für effektive Kommunikation und eine mehr Patienten-zentrierte Versorgung ergeben, beispielsweise durch den Einsatz von Telemedizin oder gezielte Prävention, bleibt noch abzuwarten.

Bei Befragungen der Bevölkerung … über verschiedene europäische Länder hinweg schneidet Österreich bei der ärztlichen Gesprächsqualität unterdurchschnittlich ab. So gaben hierzulande 22 Prozent der Befragten an, sie hätten Schwierigkeiten zu verstehen, was ihr Arzt sagt. 32 Prozent beschreiben es als schwierig, mithilfe der Information des Arztes Entscheidungen bezüglich ihrer Krankheit zu treffen.

Das Disease-Illness-Modell (1984) … von McWhinney et al. soll es ermöglichen, die vorrangigen Agenden beider Gesprächspartner im ärztlichen Gespräch miteinander zu verbinden. Für den Arzt stehen die Diagnostik und Behandlung einer Krankheit (Disease) im Vordergrund. Es wird versucht, durch Untersuchungen die Verdachtsdiagnose zu bestätigen, sodass eine evidenzbasierte Behandlung für die Krankheitsentität eingeleitet werden kann. Beim Patienten steht oft das subjektive Erleben der Erkrankung (Illness) im Mittelpunkt. Die Einbeziehung der subjektiven Patientenperspektive fördert eine symmetrische Ausrichtung des Gesprächs bei einer grundsätzlich asymmetrischen Ausgangslage in der Arzt-Patient-Beziehung. Das Disease-Illness-Modell verknüpft Diagnostik und Behandlung mit dem Erleben der Erkrankung und deren subjektive Auswirkungen zum optimalen Arzt-Patient-Gespräch.

Patienten-zentrierte Kommunikation … zeichnet sich durch Folgendes aus:

  • Es wird eine tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung etabliert.
  • Die Patientenperspektive wird erkundet.
  • Der Arzt greift Hinweise (nonverbal und verbal) auf emotionales Erleben verbal auf.
  • Es wird Einigkeit erzielt hinsichtlich der Agenda des Gesprächs.
  • Die gemeinsame Entscheidungsfindung führt zum Festlegen der Behandlungsstrategie.


Positive Ergebnisse durch effektive Kommunikation …
lassen sich in folgenden Bereichen erzielen:

  • Qualität der Arzt-Patient-Beziehung
  • Diagnostische Genauigkeit
  • Compliance/Adhärenz
  • Gesundheitsverhalten
  • Gemeinsame Entscheidungsfindung
  • Behandlungsergebnisse
  • Patientenzufriedenheit
  • Patientensicherheit


Die empfohlene Gesprächsstruktur …
zwischen Arzt und Patient (nach erweitertem Calgary-Cambridge-Modell) wird im typischen Arzt-Patient-Gespräch in vier Abschnitte gegliedert: 1) Beginn des Gesprächs – 2) Sammeln von Informationen – 3) Teilen von Informationen, Erklären und Planen – 4) Beendigung des Gesprächs. Nach dem Sammeln von Informationen findet in der Regel eine körperliche Untersuchung statt. Das Calgary-Cambridge-Modell weist auf zwei weitere Ebenen hin, die während der Gesprächsführung zu beachten sind: die erforderliche Strukturierung und den Beziehungsaufbau.

Der Beziehungsaufbau zu Beginn des Gesprächs … wird gefördert durch einfache Grundlagen im Auftreten gegenüber dem Patienten:

  • Beachten eigener Signale: die Begrüßung des Patienten mit Namen und der Augenkontakt.
  • Orientierung bieten: Gerade im Krankenhaussetting muss sichergestellt werden, dass der Patient weiß, mit wem er spricht. Eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des geplanten Gesprächsinhalts vorweg nimmt Ängste und Unsicherheiten.

Zum Sammeln von Informationen … empfiehlt es sich:

  • gezielt offene Fragen einzusetzen,
  • Inhalte laut zusammenzufassen, sodass der Patient hört, was beim Arzt angekommen ist, und der Arzt sich vergewissern kann, dass der Patient die Information korrekt verstanden hat.

Beim Erklären einer Diagnose und Planen einer Therapie … sollte der Arzt:

  • den Informationsstand des Patienten berücksichtigen.
  • Informationen in kleinen Blöcken vermitteln und medizinischen Fachjargon vermeiden.
  • nach Möglichkeit eine partizipative Entscheidungsfindung (shared decision-making) erwägen, wobei die medizinische Entscheidungssicherheit eine erhebliche Rolle spielt. Voraussetzung ist die Aufklärung über vorhandene Wahlmöglichkeiten (zum Beispiel operatives oder konservatives Vorgehen) sowie deren Vor- und Nachteile. Zusätzlich sollten Erwartungen, Ängste und Präferenzen des Patienten miteinbezogen werden.

Fallgruben in Diagnose und Therapie … sind etwa ein vorschnelles Abschließen der Anamnese oder das Außer-Acht-Lassen von grundlegenden psychischen und sozialen Faktoren. Die vermeintliche Zeitersparnis im Gespräch kann falsche Behandlungen, unnötige sowie kosten- und zeitintensive Untersuchungen zur Folge haben.

Eine nachhaltige Verbesserung des Kommunikationsverhaltens … ergibt sich eher durch fallorientierte Trainingsprogramme, die sich an konkreten kommunikativen Lernzielen der Lernenden orientieren. Praxisnähe und ausreichend Zeit für ein wiederholtes Üben kommunikativer Fertigkeiten sollten gegeben sein. Der Einsatz von Schauspielern, die sich als simulierte Patienten für das Kommunikationstraining in einer Kleingruppe zur Verfügung stellen, hat sich dafür bewährt – inklusive konstruktivem Feedback im Anschluss an die Gesprächssequenz.

Persönliche Belastungen und negative Emotionen … können auch bei Ärzten durch Arzt-Patienten-Beziehungen entstehen. Dadurch kann auch die Arbeitsfähigkeit untergraben werden. Bei besonders belastenden oder häufigen belastenden Arzt-Patient-Kontakten wird empfohlen, diese mithilfe von Supervision oder Balintarbeit zu reflektieren, sich zu entlasten und den persönlichen Erlebens- und Verhaltensspielraum zu erweitern.

JF

Quelle: State of the Art: „Gesprächsführung in der Medizin“ von Priv. Doz. Christian Fazekas, ÖÄZ 10/25. Mai 2019

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2022