Wahlarzt-Diskussion – Die Folgen: Späte Überraschung

10.05.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

In der zunächst hitzigen Wahlarzt-Debatte hat die ÖGK einen unerwarteten Sinneswechsel vollzogen – die ÖÄK hieß diesen vorsichtig willkommen.

Sascha Bunda

„Der Vorschlag von ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss, die Wahlärzte abzuschaffen, schlug große Wellen. Nicht nur entbrannte eine Diskussion über diese Anregung, von Vertretern der oberösterreichischen Landespolitik wurden noch weitere Ideen ventiliert. Christine Haberlander hatte etwa Pflichtdienste für Wahlärzte, zum Beispiel in der Drogentherapie oder bei Nachtdiensten vorgeschlagen. Schließlich werde das Medizinstudium öffentlich finanziert, so ihr Argument. „Meines Wissens gibt es nach wie vor einen öffentlichen Zugang zu Universitäten und der Steuerzahler finanziert jedes angebotene Studium. Nach dieser Argumentation müssten dann alle Akademikerinnen und Akademiker zu Zwangsdiensten verpflichtet werden können“, kommentierte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Der Arztberuf ist ein freier Beruf und das wird auch so bleiben“, unterstrich Steinhart.

Zudem würde ein derartiger Schritt nur noch mehr junge Menschen davon abschrecken, hier als Arzt tätig zu sein. „Angesichts dessen, dass ohnehin schon viele Absolventen des Medizinstudiums nicht in Österreich zu arbeiten beginnen, wäre das eine brandgefährliche Entwicklung. Sowohl im niedergelassenen als auch im angestellten Bereich steht eine große Pensionierungswelle bevor. Wenn der Nachwuchs weiter abgeschreckt wird, dann wird die versorgungspolitische Mängelwirtschaft auf Jahrzehnte zementiert“, warnte Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer.

Seitens der ÖGK-Spitze wurde in der Folge versucht, eine kleine Kehrtwendung in der Diskussion zu schaffen. Generaldirektor Bernhard Wurzer sprach sich für eine Stärkung des Kassensystems aus, für Änderungen am Wahlarztsystem sei der Gesetzgeber zuständig, formulierte er diplomatisch. Diese angekündigte Gesprächsbereitschaft der ÖGK sorgte bei der niedergelassenen Ärzteschaft für Zustimmung und Überraschung. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder vor den Fehlentwicklungen im Kassensystem gewarnt, haben Konzept um Konzept ausgearbeitet, immer wieder unsere Lösungsansätze präsentiert und in jahrelanger Anstrengung sogar einen modernen einheitlichen Leistungskatalog für ganz Österreich erarbeitet und der ÖGK fix und fertig vorgelegt. Geschehen ist bis dato nichts, zu ernsthaften Gesprächen war unser Gegenüber nicht bereit. Umso mehr freut es uns, dass es hier offenbar einen Sinneswandel gegeben hat“, reagierte Steinhart auf diese Aussagen. „Es muss aber klar sein, dass wir fokussiert und ernsthaft an Verbesserungen für Kassenärztinnen und Kassenärzte arbeiten müssen. Für Scheingespräche oder PR-Gags sind wir nicht zu haben“, betonte der ÖÄK-Vizepräsident. Es bräuchte neue Arbeitsmodelle und eine zeitgemäße Honorierung, damit sich junge Ärzte für eine Kassenstelle entscheiden und ihren Patienten die Zeit und die Versorgung bieten können, die sie brauchen, so Steinhart. Ebenso stünden Maßnahmen zu Verschlechterungen oder Zwangsdiensten im funktionierenden Wahlarztsystem nicht zur Debatte. „Wir werden nicht zulassen, dass diese beiden Systeme gegeneinander ausgespielt werden“, unterstrich er.

Dass Verbesserungen nur möglich sind, wenn mehr Geld ins Gesundheitssystem kommt, liege auf der Hand, sagte Steinhart. „Auch dabei werden wir die ÖGK selbstverständlich gerne unterstützen, schließlich ist auch das eine langjährige Forderung von uns.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 09 /10.05.2022