Standpunkt Johannes Steinhart: Gemeinsam für uns alle

10.05.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Dr. Johannes SteinhartIn den kommenden Jahren stehen uns Ärzten und unserem Gesundheitssystem entscheidende Weggabelungen bevor und welchen Weg die Politik einschlägt, davon kann die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte abhängen. Wir sehen uns einer Pensionierungswelle in der Ärzteschaft gegenüber, im Kassenbereich bedarf es dringender Handlungen, der internationale Wettstreit um den Nachwuchs verschärft sich zusehends und zu all diesen Herausforderungen gesellt sich die Ungewissheit, was die budgetpolitische Aufarbeitung der Pandemiekosten mit sich bringen wird. Umso wichtiger wird es für uns Ärzte sein, stark und geeint aufzutreten, Fehlentwicklungen weiter offen anzusprechen und auch klare rote Linien zu definieren, die wir dann auch entsprechend scharf verteidigen.

Das Wichtigste ist dabei aber der Zusammenhalt. Nur dieser macht uns — auch als Ärztekammer — im Gesundheitssystem zu einem einflussreichen Faktor. Umso verwerflicher finde ich daher durchsichtige Versuche, einen Keil in die Ärzteschaft zu treiben, wie es gewisse Kreise in der Österreichischen Gesundheitskasse jüngst bei der von ihnen völlig unnötig vom Zaun gebrochenen Wahlarzt-Debatte angestrebt haben. Die Wahlärzte sind eine wesentliche Stütze unseres Gesundheitssystems. Wer jahrelang den Kassenbereich mit Limitierungen, Degressionen und Bürokratie knechtet, braucht sich nicht zu wundern, wenn junge Ärzte nicht Schlange stehen, um sich darin zu betätigen. Die Gründe für diese Attacke – die aus dieser Richtung ja leider schon Tradition hat – ist ja leicht zu durchschauen. Aber ideologische Reflexe zu bedienen anstatt das Beste für die Bevölkerung anzustreben, hat sich noch nie als guter Ratgeber erwiesen und zum Glück versteht der überwiegende Großteil der politischen Entscheidungsträger, dass das Wahlarztsystem eine wichtige Säule unserer Gesundheitsversorgung ist. Dennoch muss uns dieses Beispiel wachsam halten – auch völlig widersinnige Vorschläge können gefährliche Eigendynamiken entwickeln, wenn sich nur genügend Beteiligte davon persönliche Vorteile versprechen.

Darum sollten wir den Weg der kommenden Jahre so geeint wie möglich beschreiten. Natürlich braucht es einen ehrlichen Diskurs im Umgang miteinander, aber bei der Vertretung unserer Interessen sollten wir uns nicht auseinanderdividieren lassen.

Dr. Johannes Steinhart
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 09 / 10.05.2022