BKNÄ: Interview Johannes Steinhart – Kassenverhandlungen: „Grossartiger Schritt“

10.02.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Zwei Kassenverhandlungen konnten unmittelbar vor dem Jahresende 2021 noch erfolgreich abgeschlossen werden. Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, erklärt im Gespräch mit Sascha Bunda die Hintergründe und Ergebnisse.

Das Jahr 2021 hat mit zwei erfolgreichen Honorarabschlüssen geendet – und zwar mit der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS). Wie kam es dazu? Ja, diese Abschlüsse waren nach einem weiteren komplizierten Jahr so sicher nicht zu erwarten und sie sind keineswegs selbstverständlich. Dieser Erfolg konnte durch das Verhandlungsgeschick und den Einsatz der Ärztekammern erreicht werden, aber es wäre auch nie ohne die konstruktive Herangehensweise unseres jeweiligen Gegenübers möglich gewesen. Diese haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind den Kampf gegen Mängel im kassenärztlichen System mit uns gemeinsam angegangen. Zudemkann ich mich nur bei den Kollegen in den Bundesländern bedanken, die mit ihrem wertvollen Input ebenfalls zum Gelingen der Verhandlungen beigetragen haben.

Wie sehen die konkreten Ergebnisse nun aus? Beginnen wir zunächst bei der BVAEB. Hier war die Ausgangslage extrem schwierig, weil diese Kasse durch die Zusammenlegung von BVA und VAEB finanziell angeschlagen ist und daher nicht den größten Spielraum hat. Dennoch konnte – auch aufgrund der Abschlüsse anderer Berufsgruppen – eine Honorarerhöhung um 3,2 Prozent für 2022 erreicht werden. Zusätzlich wurde aber auch ein Corona-Bonus in der Höhe von 12 Millionen Euro vereinbart, der im Februar ausbezahlt wird. Der durchschnittlichen Ordination sollte das rund 1.500 Euro bringen. Das ist meiner Meinung nach ein mehr als herzeigbares Ergebnis.

Wie liefen die Verhandlungen mit der SVS? Lassen Sie mich hier zunächst ein großes Lob aussprechen: Die SVS hat sich als fortschrittliche und problembewusste Kasse erwiesen, der die Harmonisierung ihrer Leistungen und Tarife ebenso wie die Versorgung ihrer Versicherten wirklich am Herzen liegt. Wir haben mit der SVS ja im Rahmen der Zusammenlegung von SVA und SVB schon 2019 einen Pfad zur Anpassung der SVB-Tarife an die höheren SVA-Tarife vereinbart. Diese Anpassung sollte vereinbarungsgemäß eigentlich 2024 abgeschlossen sein, nun haben wir diese Tarifharmonisierung schon ab 1.1.2022 vereinbart. Das ist wirklich ein großartiger Schritt, bei dem die SVS fairerweise auch die Umsatzrückgänge 2020 berücksichtigt hat.

Was bedeutet das nun in Zahlen? Zusammen mit einer Erhöhung um 1,65 Prozent für alle Tarife steht unter dem Strich nun eine massive Honorarsteigerung von rund 8,5 Prozent. Dazu kommt auch hier ein Corona-Bonus in Höhe von rund fünf Millionen Euro, der ebenfalls im Februar ausbezahlt wird und der durchschnittlichen Ordination 700 Euro mehr bringen wird. Wenn man das alles zusammenrechnet, beträgt die Honorarerhöhung für 2022 hier über 10 Prozent.

Wer wird besonders davon profitieren? Besonders natürlich Allgemeinmediziner – aber auch Fachärzte – im ländlichen Raum, die bisher viele Bauern behandelt haben. Hier hat die SVS erkannt, dass es vor allem in diesem Bereich schnelle und unkomplizierte Lösungen braucht. Generell will man sich bei der SVS künftig vermehrt auf Prävention und Vorsorgeleistungen konzentrieren und auch bei der Telemedizin hat man sich sehr gesprächsbereit gezeigt.

Was nehmen Sie aus den Verhandlungen atmosphärisch mit? Ich muss sagen, es war richtiggehend erfrischend, wie selbstbewusst und eigenständig die beiden Kassen ihre Verhandlungen geführt haben. Von der Österreichischen Gesundheitskasse kennen wir da ja eher ein festes Gängelband der Zentrale. Somit konnten wir mit unserem Gegenüber in einer Atmosphäre von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen sinnvolle Abmachungen treffen, die dann auch gehalten haben. Zudem haben unsere Verhandlungspartner nach diesem schweren Jahr auch erkannt, dass wir Ärzte ständig da waren und die medizinische Versorgung für die Versicherten aufrechterhalten haben. So konnte es gelingen – wie gesagt alles andere als erwartbar –, diesen Erfolg zu erzielen, der sich immerhin auf ein Viertel aller Kassenhonorare auswirken wird.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 03 / 10.02.2022