Interview Lukas Stärker: „Schluss mit Tigerkatze123“

25.11.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Lukas Stärker, Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer, erläutert im Interview mit Sascha Bunda, welche Lehren aus der ÖÄK-Enquete „Gegen Hass im Netz“ zu ziehen sind und welche Forderungen daraus abgeleitet werden.

Warum hat die Österreichische Ärztekammer diese Enquete abgehalten? Gewalt gegen Ärzte ist ein Thema, das uns leider schon seit einiger Zeit begleitet und sich während der Corona-Pandemie hochgradig verschärft hat, gipfelnd in den tragischen Vorkommnissen rund um den Tod einer Ärztin. Die Österreichische Ärztekammer weist schon seit geraumer Zeit darauf hin, dass Ärzte zunehmend Bedrohungen und Gewalt, darunter auch im Internet, ausgesetzt sind. Mit der Enquete „Gegen Hass im Netz“ verfolgt die Österreichische Ärztekammer das Ziel, klar die vorliegenden Probleme zu thematisieren und Information, Lösungsmöglichkeiten und Hilfestellung anzubieten.

Was leisten die Ärztekammern aktuell, um diesem Thema zu begegnen? Die Ärztekammern leisten Hilfestellung in den relevanten Facetten – in jeder Ärztekammer stehen für betroffene Ärzte Ansprechpartner bereit. Das umfasst ein breites Angebot, das von Anti-Aggressionstrainings bis zu rechtlichen „Full-Service-Paketen“ reicht. Die Angebote wurden bereits im Pandemieverlauf ausgeweitet. Pläne für weiteren Ausbau gibt es ebenfalls schon. Diese Angebote helfen jedoch nur, wenn sie auch genutzt werden. Daher appellieren wir an alle Ärztinnen und Ärzte, diese Angebote im Falle des Falles auch in Anspruch zu nehmen und die Unterstützung zu suchen. Dies ist wichtig und wurde von uns im Rahmen der Enquete nochmals betont.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Veranstaltung? Der Input der Experten und der anschließende Erfahrungsaustausch waren extrem wichtig. Es haben sich im Rahmen der Enquete klar die Punkte herauskristallisiert, an denen man nun ansetzen muss, um Ärztinnen und Ärzte besser vor Bedrohung sowie physischer und verbaler Gewalt zu schützen. Die Ärztekammern werden vermehrt auf ihre Angebote hinweisen und diese auch wie erwähnt ausbauen, aber es bedarf noch mehr Veränderungen, hier ist die Politik gefordert.

Was meinen Sie damit? Zunächst einmal wäre es wichtig, die rechtlichen Werkzeuge, die man ohnehin schon hat, auch einzusetzen, d.h. vorhanden Regelungen endlich auch anzuwenden, wie zB das Hass im Netz Bekämpfungsgesetz, hier sind Polizei und Justiz gefordert. Eine Verschärfung der Gesetze zum Schutz gegen Hass im Netz, die ebenfalls notwendig wäre, bringt nur dann etwas, wenn diese Regelungen dann auch angewandt werden. Behörden müssen deutlich mehr für das Thema, die Tatbestände und die Möglichkeiten sensibilisiert werden. Auch die Einrichtung eigener Behörden, die sich auf dieses Thema spezialisieren, sollte angedacht werden. Und selbstverständlich müssen Betroffene auch wissen, welche Möglichkeiten sie haben und an wen sie sich wenden können. So hat etwa Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit – in seinem Nationalen Aktionsplan dazu mehr Informationskampagnen durch die öffentliche Hand gefordert. Dieser Forderung schließt sich die Österreichische Ärztekammer an. Ebenso sollte die grenzüberschreitende Amtshilfe rascher und effektiver funktionieren und Betroffenen einen besseren Zugang zu – auch europaweitem – Rechtsschutz geben. Gerade betreffend Internet und social media sind viele Aspekte und Fragen, vor allem auch im internationalen Zusammenhang, klärungsbedürftig noch nicht ausjudiziert.

Ein großes Thema der Vorträge war auch die Klarnamenpflicht – wie stehen Sie dazu? Die Referate der Experten, vor allem der Juristen, haben uns in der Annahme bestärkt, dass die Klarnamenpflicht viele der auftretenden Probleme zumindest deutlich reduzieren könnte. So ist es beispielweise nicht nachvollziehbar, dass man unter dem Pseudonym ‚Tigerkatze123‘ jeden Unsinn und jede Beleidigung einem weltweiten Publikum mitteilen kann, weil man kaum mit ernsthaften Konsequenzen rechnen muss. Das Problem beginnt, wenn man zum Gesagten nicht mit seinem Namen stehen möchte. Plattformen ab einer gewissen Reichweite müssten daher unbedingt eine Registrierungspflicht einführen. Wir haben auch in der Diskussion rund um die Bewertungsportale gesehen, wie viel Einfluss konzertierte negative Bewertungen unter dem Deckmantel der Anonymität, und damit auch Nichtüberprüfbarkeit, haben können – das reicht bis zur Existenzgefährdung. Damit muss Schluss sein!

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2022