Interview Christian Toth: „Die Ausbildung ist das Wichtigste“

16.08.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Christian Toth, der neue Präsident der Ärztekammer Burgenland, spricht im Interview mit Sophie Niedenzu über Wertschätzung der älteren Generationen, die wichtige Stellung der Wahlärzte als Ergänzung im österreichischen Gesundheitssystem und wieso er gerne auch im Krankenhaus arbeitet.

Sie sind mit einer neuen Liste, „Angestellte Ärzte für Veränderung“ angetreten. Welche Veränderungen sollen kommen? Veränderung sehe ich in erster Linie als ein mit der Zeit gehen, denn die Anforderungen der jungen Kollegen hinsichtlich neuer Dienstmodelle, Kombination von Beruf, Familie und Freizeit haben sich geändert, dies müssen wir in unserer Tätigkeit berücksichtigen. Weiters möchte ich neue Kommunikationsformen etablieren, um näher an den Problemen und Wünschen der Kollegen zu sein. Die thematischen Schwerpunkte sehe ich in der Attraktivierung der ärztlichen Tätigkeit, sowohl im angestellten als auch im niedergelassenen Bereich. Wie können wir junge Mediziner motivieren, im Burgenland zu arbeiten? Wie schaffen wir es, Kassenstellen wieder erstrebenswerter zu machen? Zusätzlich sehe ich eine Herausforderung in der Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung der Patienten.

Sie sind sowohl als Spitalsarzt, als auch als Wahlarzt tätig. Weswegen haben Sie sich für diese Kombination entschieden? Was gefällt Ihnen in der Arbeit als angestellter Arzt, was als Wahlarzt? Hier möchte ich an erster Stelle auf die meines Erachtens nach wichtige Stellung der Wahlärzte als Ergänzung im österreichischen Gesundheitssystem hinweisen. Ich unterstütze jedes Bestreben, Kassenstellen zu attraktivieren, auch vermehrt in Kassenstellen zu investieren – eine Abschaffung des Wahlarztsystems bzw. den Patienten eine Rückerstattung zu verwehren kann jedoch niemals eine Verbesserung des Gesundheitssystems darstellen. Ich kann sagen, dass ich beide Tätigkeiten – sowohl die Tätigkeit als angestellter Arzt im Krankenhaus als auch die Wahlarzttätigkeit – mit großer Freude betreibe. Einerseits ist es der direkte Kontakt mit den Patienten in der Ordination, die Möglichkeit, mir auch ausreichend Zeit für das persönliche Gespräch zu nehmen. Andererseits liegt mir besonders auch die Ausbildung der jungen Kollegen am Herzen, dieser kann ich mich im Rahmen meiner Tätigkeit im Krankenhaus vermehrt widmen. Darüber hinaus ist es auch die Durchführung diagnostischer und therapeutischer kardiologischer Verfahren, die in einer Ordination nicht angeboten werden können, die ich an der Krankenhaustätigkeit schätze.

Gibt es Projekte zur Patientenversorgung im Burgenland, die österreichweit denkbar wären? Jegliche Anstrengung der Politik, die Patientenversorgung im Burgenland zu verbessern, ist zu begrüßen. Es gibt eine Initiative des Landes, ab Herbst 55 Studienplätze an der Privatuniversität Krems zur Verfügung zu stellen. Dies stellt einen ersten Schritt dar – die Herausforderung wird es aber in weiterer Folge sein, diese Jungmediziner auch im Burgenland zu halten. Hier wird es wiederum darum gehen, die Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit zu stärken. Weiters gibt es auch eine Landesförderung bei der Übernahme oder Eröffnung einer Ordination, um dem sich zunehmend verstärkenden Landärztemangel entgegen zu wirken.

Welche Meilensteine hat es im Burgenland bzw. Österreich gegeben, die zu einer Verbesserung der Arbeitssituation bei Ärzten geführt hat? Österreichweit kann die jeweilige Entwicklung eines neuen Gehaltsschemas sicherlich als Meilenstein gesehen werden. Wenn ich mich hier auf die Situation im Burgenland beziehe, würde ich diesbezüglich von Fortschritten in den vergangenen Jahren sprechen – um von einem Meilenstein zu sprechen sind meines Erachtens nach jedoch noch Optimierungen vorzunehmen welche ich im Hinblick auf die Attraktivität des Standortes Burgenland als unabdingbar bezeichnen würde. Einen weiteren Meilenstein sehe ich natürlich auch in der stetigen Verbesserung der Ausbildungsqualität und Optimierung der Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus. Im niedergelassenen Bereich würde ich von einem Meilenstein sprechen, wenn es gelänge, Leistungen und Honorare an das Niveau der übrigen Bundesländer anzupassen.

Stichwort junge Generation: Was halten Sie davon, dass österreichweit viele private Medizinunis neben den öffentlichen bestehen? Ich glaube, das Wichtigste ist es, jungen Menschen eine hochwertige Ausbildung anbieten zu können. Das Land Burgenland hat sich hier zu einer Kooperation mit der Donauuniversität Krems entschieden und kann auf diesem Weg geförderte Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen – man kann das Angebot der Privatuniversitäten in diesem Sinne also durchaus als einen nützlichen Bestandteil in der Abwendung des Ärztemangels sehen, wenngleich sie nicht die Lösung des Problems darstellen können und werden.

Welche Anreize müssten geschaffen werden, damit junge Ärzte nach ihrer Ausbildung in den Spitälern bleiben bzw. in die wohnortnahe Versorgung gehen, also in Österreich bleiben? In Anbetracht des in Österreich herrschenden föderalistischen Systems lautet die Frage derzeit eher: Was können wir tun, um Mediziner im jeweiligen Bundesland zu halten? Wenn man sich hier selbst die Frage stellt, warum man sich für ein Angebot unabhängig vom jeweiligen Beruf entscheidet, werden immer die gleichen Kriterien ausschlaggebend sein: das finanzielle Angebot, die Arbeitsbedingungen, „Work­Life­Balance“ und auch das Angebot neuer Arbeitsmodelle wie auch die Zusammenarbeit mit mehreren Kollegen, um nur einige Schlagwörter zu nennen. In Zeiten von immer größerer Bereitschaft zur Mobilität und immer geringer „Heimattreue“ kommt diesen Dingen eine zunehmend höhere Bedeutung zu.

Umgekehrt: Was müsste getan werden, damit erfahrene angestellte Ärzte auch bis ins hohe Alter im Spital bleiben, um die Weitergabe vom Know-How zu sichern? Was wären altersgerechte Arbeitszeitmodelle? Auf diesem Weg hat uns sicherlich schon die Einführung des neuen KA­AZG geholfen. Das Recht auf geregelte Arbeitszeit ist in jeder Altersgruppe von Bedeutung, zunehmend natürlich im höheren Alter. Teilzeitmodelle gewinnen hier zunehmend an Bedeutung, ein weiterer Faktor ist sicherlich auch die Möglichkeit, Nachtdienste zu reduzieren. Insgesamt ist es wichtig, das Know­How der älteren Generation auch wertzuschätzen und entsprechend zu honorieren. Denn oft wird in der Diskussion bezüglich des Ärztemangels auf diese Generation vergessen, wenngleich nur dieses Wissen und seine Weitergabe eine hohe Ausbildungsqualität garantieren können, welche wiederum einen Bestandteil eines attraktiven Arbeitsplatzes darstellt.

Was zeichnet das österreichische Gesundheitssystem besonders aus, verglichen auch mit den Nachbarländern? Durch die Zusammenarbeit von Hausärzten, niedergelassenen Fachärzten, Wahlärzten und Krankenhäusern/ Kliniken steht allen Österreichern, unabhängig der finanziellen Situation, wohnortnahe eine kompetente, hoch­wertige Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Um Gutes zu erhalten bedarf es aber stetiger Veränderung, wie ich auch mit meiner Liste zum Ausdruck bringen will. Wir haben ein gutes, aber sicher nicht das beste Gesundheitssystem der Welt. Die Weiterentwicklung und Anpassung wird hier in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle spielen.

Welche Lehren sollte man aus der Pandemie in Bereich der Gesundheitsversorgung ziehen? Die Pandemie hat uns die Limitierungen unseres Gesundheitssystems vor Augen geführt, gleichsam aber auch die Bedeutung desselben unterstrichen. Eine Vorhersagbarkeit der Ereignisse war und ist nicht gegeben. Sämtliche Anpassungen mussten spontan und in kurzer Zeit erfolgen. Wenn man vielfach bereits am Limit arbeitet, so ist eine Steigerung der Kapazitäten weder personell noch versorgungstechnisch möglich. Das Vorhalten von Kapazitäten ist somit nicht als Luxus zu bezeichnen, sondern Teil eines vorausschauenden Gesundheitssystems. Es bedarf einer ausreichenden Wertschätzung der Kollegen, die die vergangenen zwei Jahre unter großer psychischer und körperlicher Anstrengung ihren Beitrag zum Management der Pandemie geleistet haben. Wenn wir in „normalen“ Zeiten schon zu wenig Kollegen in der Versorgung der Patienten im niedergelassenen wie auch im Krankenhausbereich haben, dann wird eine Pandemie zukünftig nicht zu bewältigen sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2022