BKNÄ: Freie Ärzte – freie Wahl

10.05.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Der Vorschlag aus gewissen Kreisen der Österreichischen Gesundheitskasse, das Wahlarztsystem zu zerschlagen, sorgt weiter für Aufregung. Momen Radi, Leiter des ÖÄK-Referates für  Wahl- und Privatärzte, erklärt die Sinnlosigkeit und Bigotterie des Vorschlages.

Sascha Bunda

„Das ist offensichtlich die einzige glorreiche Idee der ÖGK“, kommentiert Momen Radi ironisch den jüngsten Vorstoß von ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss, der wieder einmal zu einer Attacke auf die Wahlärzte ausgeritten war (siehe dazu auch ÖÄZ 8/22). „Wieder einmal tut sich die ÖGK hervor, indem sie den Wahlarztrückersatz für ihre Versicherten abschaffen will“, sagt Radi. Derartige Angriffe kämen ohnehin pünktlich wie die Uhr, nämlich immer dann, wenn die ÖGK gefordert sei, Konzepte gegen den Kassenärztemangel vorzuweisen. „Nichts ist da leichter, als aus einem klassenkämpferischen Reflex heraus dabei die Wahlärzte als die Wurzel allen Übels und Rosinenpicker an den Pranger zu stellen“, so Radi. Die Konsequenzen eines solchen Vorgehens wären aber gravierend: Nicht nur würde damit die ÖGK ihren Versicherten die freie Arztwahl nehmen – eine Errungenschaft, die mit Einführung des ASVG bereits 1956 für eine wohnortnahe medizinische Versorung gesorgt hat. „Nein, sie tut auch noch so, als ob die Kosten für den Rückersatz und den Verwaltungsaufwand eine großartige Ersparnis wären“, ärgert sich Radi.

Bereits 1969 habe die WHO das österreichische Gesundheitswesen wegen folgendem Punkt kritisiert „…die steigende Tendenz der praktizierenden Ärzte, ihre Patienten in ein Spital einzuweisen und Förderung dieser Tendenz durch das Honorierungssystem“. Seit dieser Zeit spare sich die ÖGK offensichtlich Geld, indem sie dazu beitrage, die Systemversorgung zum beträchtlichen Teil in die Krankenhäuser zu verlagern, wo sie gegen einen kleinen Pauschalbeitrag aus einem anderen Topf finanziert werde, erklärt der ÖÄK-Referatsleiter.

ÖGK profitiert von Wahlärzten

Das habe sich bis heute nicht geändert. „Dieses Sparverhalten im Sinne des fehlenden Versorgungausbaues im niedergelassenen Bereich, der nebst dem finanziellen Aushungern auch noch mit der Einführung der EDV jede Menge Bürokratie auf die Schreibtische der Kassenärzte verlagert, hat das System für Ärzte, aber vor allem für Patienten, über die Jahre unattraktiv gemacht“, schlussfolgert Radi. Besonders bigott findet er das Vorgehen der ÖGK auch daher, weil die Gesundheitskasse auf der anderen Seite von den Wahlärzten massiv profitiere. „Wir wissen ja alle, dass viele Patienten den bürokratischen Aufwand gar nicht auf sich nehmen, eine Rückerstattung einzureichen. Insofern ist es auch zu bezweifeln, ob der ÖGK überhaupt an attraktiveren Kassenstellen gelegen ist. Die Aktionen oder besser Nicht-Aktionen der vergangenen Jahre legen eine klare Antwort nahe“, sagt Radi. Eine große Ersparnis könne die ÖGK durch den Huss-Vorschlag sicher nicht erwarten. Die 0,9 Prozent der Gesundheitsausgaben, die die Ausgaben für die Wahlärzte ausmachen würden, seien „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Radi: „Dafür müsste die ÖGK aber die freie Arztwahl ihrer Versicherten opfern, die sie zuerst offensichtlich aus dem System vertrieben haben.“ Er zog einen Vergleich mit der Wirtschaft: „Wenn ein Betrieb, dessen Kunden und Verkäufer fliehen, weil sie sich anderswo besser aufgehoben fühlen, dann ist wohl am Betrieb etwas faul und nicht am Kunden, nicht am Verkäufer und nicht am alternativen Anbieter.“ Es werde also nichts nützen, den Kunden zu bestrafen, indem man ihm die Wahlmöglichkeit nimmt, auch nicht den Verkäufer, oder gar den anderen Anbieter an die Kandare nimmt.

Aber genau das stelle der Vorschlag von Huss dar. „Der Betrieb bleibt also ein seit Jahrzehnten kaum beweglicher Staatsmoloch, der so tut, als ob ihm die Belange seiner Versicherten das größte Anliegen wäre“, resümiert Radi. Es freue ihn zwar, dass seitens der Politik – abgesehen von einzelnen Bundesländer-Vertretern – keine Unterstützung für die Pläne signalisiert wurde und Huss dem Vernehmen nach auch innerhalb der ÖGK ohne nennenswerte Unterstützung dastehe, aber eines vermisse Radi doch schmerzlich: „Warum gab es keine dezidierte öffentliche Ablehnung der ÖGK-Verantwortlichen der Pläne ihres Vizeobmanns?
Sowohl Ärzte als auch Versicherte hätten sich hier ein deutliches Bekenntnis zur Versorgungssicherheit erwartet.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 09 / 10.05.2022