BKAÄ: Kritik an Jungmediziner-Stipendien: Keine Lösung

25.04.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Steiermark will mit Stipendien für Jungmediziner an einer Wiener Privatuniversität den drohenden Ärztemangel in Österreich stoppen. Davon hält die Österreichische Ärztekammer nichts.

Thorsten Medwedeff

Der drohende Ärztemangel in Österreich verleitet die Politik zu zweifelhaftem Aktionismus: So will das Land Steiermark mit der Finanzierung von Studienplätzen an einer Privatuniversität dem Ärztemangel entgegenwirken. Dafür greift die Politik tief in die Finanzschatulle und übernimmt für die kommenden drei Jahre mit insgesamt neun Millionen Euro die Studiengebühren für 60 Studierende. Die Steirer kooperieren dabei mit der Wiener Sigmund-Freud-Universität. Die Empfänger der Stipendien müssen sich im Gegenzug dafür verpflichten, zehn Jahre für die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) zu arbeiten.

„Die Politik mag diese Idee vielleicht für fantasievoll halten, ich halte sie für völlig daneben. Denn anstatt den gefährlichen Trend, dass immer mehr Absolventen des Medizinstudiums am Ende gar nicht den Arztberuf in Österreich ergreifen, zu stoppen, produzieren sie damit noch mehr Ärzte, die dann in die Schweiz, nach Deutschland oder auch nach Skandinavien wechseln“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte.

Laut Rechnungshofbericht vom Vorjahr liegt die Drop-Out-Rate, also jener Medizinstudentinnen und -studenten, die nach Beendigung des Medizinstudiums in Österreich den Arztberuf hier niemals ausüben, bei 31 Prozent. Das hat eine Auswertung der Jahre 2008 bis 2019 ergeben. Vor 16 Jahren lag diese Quote noch bei 17 Prozent. Tendenz: steigend.

Schildbürgerstreich mit Steuergeld

Auch Herwig Lindner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und steirischer Landesärztekammerpräsident, machte seinem Ärger bei Bekanntgabe der Kooperation des Landes Steiermark mit der Sigmund-Freud-Privatuni in Wien Luft: „Mehr Medizinstudierende lösen das Grundproblem nicht. Bei den Arbeitsbedingungen gehört angesetzt, damit die Ärzte auch in der Steiermark bleiben. Wenn schon Stipendien, dann sollte unbedingt eine Kooperation mit der steirischen Medizinischen Universität in Graz gesucht werden. Dass steirisches Geld nach Wien geht, statt in der Steiermark zu bleiben, ist ein Schildbürgerstreich.“ Mit den Verantwortlichen der MedUni Graz war aber zu keinem Zeitpunkt darüber gesprochen worden, wie Rektor Hellmut Samonigg medial betonte und kritisierte. Man hätte besser auf die Absolventen der MedUni Graz zugehen und vom Verbleib überzeugen sollen.

Mehr Studienplätze bis 2028

Bis ins Jahr 2028 wird es ohnehin mehr Studienplätze an den öffentlichen Universitäten geben: Die 1.850 Studienplätze an den Medizin-Unis in Wien, Innsbruck, Graz und der medizinischen Fakultät der JKU Linz werden bis 2028 auf 2.000 Plätze ausgebaut.

Schon bei diesem von der Bundesregierung gefassten Beschluss gab es von vielen Seiten Zweifel und Kritik, insbesondere von der Österreichischen Ärztekammer: „Diese Maßnahme wird das Problem des drohenden Ärztemangels alleine nicht lösen, wenn nicht gleichzeitig die Arbeitsbedingungen verbessert werden und das Arztsein in Österreich attraktiver gestaltet wird, wie wir es seit Jahren fordern. Dazu gehört eine leistungsgerechte Entlohnung, die auch dem internationalen Vergleich standhält, ausreichend besetzte Dienstposten, verbesserte Karrierechancen und Teilzeit-Modelle, aber auch eine qualitative Ausbildungsoffensive – wie zum Beispiel die Einführung eines Ausbildungsoberarztes an jeder Abteilung, an der ausgebildet wird.“

Europaweite Koordination muss her

Überhaupt müsse eine europaweit abgestimmte Strategie für das Medizinstudium her, fordert Mayer: „Es muss ganz klar sein, in welchem Land wie viele Personen Medizin studieren dürfen. Sonst bilden wir in Österreich für den gesamten deutschsprachigen Raum aus.“ Jetzt seien Maßnahmen nötig, um die Absolventen in Österreich zu halten: „Wir bilden genügend Ärzte aus und müssen es bloß schaffen, ihnen ein derart attraktives Angebot mit attraktiven Arbeitsbedingungen zu machen, dass sie erst gar nicht vom Ausland zu träumen beginnen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 08 / 25.04.2022