BKAÄ: Fokus Ärzteausbildung – Fehler im System

25.05.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Trotz drohendem Ärztemangel werden viele bereits genehmigte Facharzt-Ausbildungsplätze in Österreich einfach nicht besetzt. Wie man dieser Fehlentwicklung entgegenwirken kann, um einen hausgemachten Ärztemangel zu verhindern – eine Analyse.

Thorsten Medwedeff

Seit Jahren wird vor dem drohenden Ärztemangel gewarnt, werden Ideen geschmiedet, wie man dieser Entwicklung entgegenwirken und junge Menschen dazu motivieren kann, den Arztberuf zu ergreifen und diesen anschließend in Österreich auch auszuüben – und dann genügt ein kurzer Blick auf ein paar Excel-Listen, um zu erkennen, dass es einen schier unglaublichen Fehler im System gibt, der diesen Mangel hausgemacht befeuert: Selbst in einigen sehr attraktiven medizinischen Spezialfächern wie Radiologie, HNO, Augenheilkunde, Dermato-logie und Kinderheilkunde sind bis zu 46 Prozent der Ausbildungsstellen unbesetzt. Und die genannten Fächer stehen nur exemplarisch für das gesundheitspolitische Versagen.

„Das Ganze kommt einer mutwilligen Blockade in der Ärzteausbildung gleich“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Und er weiß auch, wo die Ursache der Blockade liegt: Manchen Bundesländern fehlt der Wille, mittel- und langfristig zu planen. Noch dazu haben sich die Länder die Kompetenz, sich um die Bewilligung und Qualität der Ausbildungsstellen selbst zu kümmern, vor kurzem „gekrallt“. Eine Kompetenz, die bisher die Österreichische Ärztekammer innehatte und mit hoher medizinischer Perspektive ausgeübt hat – die aber dank eines umstrittenen Nationalratsbeschlusses im Sommer 2021 an die Bundesländer ging.

„Wir haben immer unabhängig und auf Basis unserer jahrzehntelangen Erfahrung geprüft, wie viele Ausbildungsstellen an jeder Spitalsabteilung in Österreich möglich sind – und nun stellt sich heraus, dass die Träger diese Posten nicht nutzen bzw. nicht nutzen können, weil sie – mangels Dienstposten – keinen Arbeitsvertrag anbieten wollen oder können. Die Länder blockieren mit ihrer Haltung, gar nicht in neue Stellen investieren zu wollen, die Ärzteausbildung und unterfüttern dadurch den drohenden Ärztemangel“, skizziert Mayer. „Es ist jetzt an der Zeit, dass die neun Bundesländer zu arbeiten und zu investieren beginnen, um ausreichend neue Dienstposten und eine attraktive Zukunftsperspektive für unsere in Ausbildung befindlichen Ärzte zu schaffen. Sollte das nicht gelingen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir unsere top-ausgebildeten Medizin-Absolventen ins Ausland vertreiben und wenn wir nur, weil wir das Potenzial nicht ausgeschöpft haben, in wenigen Jahren vor einem Scherbenhaufen namens akutem Ärztemangel stehen.“

Werbung für den Arztberuf?

Die Jungärzte selbst sind jedenfalls nicht an diesem düsteren Zukunftsszenario schuld: Es gibt Klagen, dass in vielen Spezialfächern einfach keine Ausbildungsplätze angeboten werden – trotz starken Interesses an den Ausbildungen – und dass es lange Wartezeiten gibt. Selbst für die Basisausbildung. „Werbung für den Arztberuf sieht anders aus“, so Mayer. „Dabei wäre ein attraktives Angebot dringend nötig, wie man am sinkenden Interesse am Medizinstudium und an der gleichbleibend hohen Drop-Out-Quote sieht: Immerhin ergreift rund ein Drittel aller unserer Medizinstudium-Absolventen nie den Arztberuf in Österreich!“

Aber anstatt Werbung zu machen und attraktive Pakete zu schnüren mit international vergleichbarer, leistungsgerechter Entlohnung, Teilzeitarbeitsmodellen, attraktiven Wohnmöglichkeiten, um die Jungen auch aus den Uni-Städten zu locken und Strategien für eine verbesserte Arbeitssituation, gebe es, so Mayer, seitens der Politik noch immer neue abstruse Ideen für neue Hürden, mit denen man dem Nachwuchs den ärztlichen Lebensweg erschwert. „Weder die Wiener Idee, Jungärzte nach der Ausbildung dazu zu verpflichten, mehrere Jahre Zwangsdienst in öffentlichen Spitälern leisten zu müssen, noch die oberösterreichische Idee, Wahlärzte zu diversen Pflichtdiensten, etwa bei Nachtdiensten im hausärztlichen Notdienst, zu vergattern, stellen attraktive Zukunftsperspektiven dar. Und schon gar nicht der Salzburger Ruf, die Arbeitszeit immer wieder zu erhöhen. Das könnte einen jungen Menschen, der sich eigentlich durchaus vorstellen kann, Arzt zu werden, leicht dazu bringen, sich bei der Berufswahl anders zu orientieren.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2022