BKAÄ: Enquete – Wie viel Personal braucht das Spital?

12.09.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Bundeskurie der angestellten Ärzte der Österreichischen Ärztekammer lädt am Donnerstag, 22. September 2022 (14–17.30 Uhr) gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien zur Enquete „Wieviel Personal braucht das Spital?“. Die Teilnahme an der Veranstaltung, die im Van Swieten Saal der MedUni Wien stattfindet, ist kostenfrei. Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, spricht im Interview mit Thorsten Medwedeff über die Intention der Enquete und reißt erste Lösungsansätze an.

Welche Intension verfolgt die Enquete zum Thema „Wieviel Personal braucht das Spital“? Wir wollen mit einigen der wichtigsten Player aus den Bereichen Spitals-wesen, Medizin und Forschung – aus dem öffentlichen wie aus dem privaten Bereich – über die Herausforderungen der Zukunft diskutieren und stehen auch für Fragen aus dem Auditorium zur Verfügung. Die brennendsten Fragen sind aus meiner Sicht: Was braucht das Spital der Zukunft, um gut zu funktionieren? Wie kann es uns gelingen, die wichtigste Ressource, das Personal, zu stärken und unsere in Österreich top-ausgebildeten jungen Ärzte durch attraktive Angebote und unum-gängliche Investitionen in die Ausbildung im Land zu halten – und: Was können alle involvierten Stakeholder dafür tun, damit das alles auch gelingt?

Das sind ja große Brocken, die Sie hier ansprechen – haben Sie bereits Ideen und Strategien, was die konkrete Umsetzung dieser Vorhaben angeht? Natürlich. Die Politik wirft der Österreichischen Ärztekammer zwar immer wieder vor, keine konkreten Strategien zur Attraktivierung des Arztberufs und wider den drohenden Ärztemangel vorlegen zu können. Ganz im Gegenteil kennt die Politik unsere konkreten Standpunkte, wie man diese Probleme bewältigen könnte, sehr gut, nur will sie offensichtlich niemand aufgreifen. Sei es aus finanziellen Gründen, aus Gründen fehlender Ressourcen bei der Umsetzung oder weil die nötige Expertise fehlt – diese stellen wir aber sehr gerne zur Verfügung. Und mit der Enquete wollen wir zeigen, dass es genügend Expertise im Land gibt, die nur genutzt werden muss, sei es von wissenschaftlicher Seite wie es bei der Medizinischen Universität Wien und deren Rektor Markus Müller der Fall ist, oder von privater Seite, die bei der Enquete durch Werner Fischl, Geschäftsführer der PremiQaMed Privatkliniken, abgedeckt wird. Martin Rupprecht, Personaldirektor, Oberösterreichische Gesundheitsholding GmbH, wird alles von der Human Resources-Seite beleuchten – und Präsident Johannes Steinhart und ich skizzieren die Standpunkte der ÖÄK.

Können Sie uns den einen oder anderen Ansatz bereits verraten? Unsere Ansätze sind ohnehin nicht geheim, wir wollen sie aber im Rahmen der Enquete mit Fachleuten aus allen Bereichen diskutieren und gemeinsame Lösungen anstreben – am Ende der Veranstaltung wäre es schön, eine noch stärkere Allianz für zukunftsfitte Spitäler in Österreich geschmiedet zu haben als bisher – das sollte uns gelingen. Denn bei vielen Punkten sind wir uns einig: Dass mehr Studienplätze nichts bringen, außer, dass noch mehr unserer top-ausgebildeten Jungärzte ins Ausland gehen werden. Schon jetzt werden nicht genügend Ausbildungsstellen angeboten und es ist zu befürchten, dass die Qualität der Ausbildung, die künftig in der Hand der Bundesländer liegen soll, nicht besser werden wird. Übrigens auch ein Thema, das am 22. September zu diskutieren sein wird: Warum die Politik die Festlegung der Ausbildungsstellen in Österreichs Spitälern und deren Qualitätskontrolle in die Hand der Länder gibt und der Österreichischen Ärztekammer entzieht, die das mit unabhängiger Expertise jahrelang erfolgreich und im Sinne von Auszubildenden und Spitälern gemacht hat – aus meiner Sicht ein teurer und sinnloser Schildbürgerstreich.

Die optimale Ausbildung ist generell eine der wichtigsten Säulen. Wie kann diese gestärkt werden? Das Anbieten von Ausbildungsstellen – was meiner Ansicht nach viel zu zögerlich geschieht, wodurch wir viele Junge verlieren – ist das eine. Länder und Spitalsträger müssen aktiv Ausbildungsstellen anbieten! Das andere ist, dass es an jeder Abteilung in Österreich, an der ausgebildet wird, einen Ausbildungsoberarzt geben muss. Ausbildung muss ernst genommen werden und ist kein ärztliches Hobby – mit der Ausbildung steht und fällt das Gesundheitssystem der Zukunft und damit auch das Spital der Zukunft. Nur wenn Ausbildung mit dem entsprechenden Engagement und dem dafür nötigen Zeitaufwand durchgeführt wird, bringt es etwas. So nebenbei lässt sich das seriös nicht machen.

Die Ausbildung löst aber nicht alle Probleme? Korrekt. Aber vieles hängt damit zusammen – nur wenn genügend sehr gut ausgebildeter ärztlicher Nachwuchs da ist, können auch offene Dienststellen nachbesetzt werden oder auch neue Stellen initiiert werden. Mehr Fachpersonal bedeutet auch eine Verbesserung der generellen Arbeitsbedingungen im Spital, paaren wir das mit einer leistungsgerechten Entlohnung, die auch internationalen Standards standhält, sind wir auf einem guten Weg.

Geld allein ist für die Jungärzte im 21. Jahrhundert aber nicht mehr alles … Einer der wichtigsten Faktoren heißt heutzutage Zeit. Einerseits müssen wir darauf schauen, dass in den Spitälern zu hundert Prozent das KA-AZG eingehalten wird – und zwar ohne versteckte Überstunden. Andererseits ist es dringend nötig, flexible Arbeitsmodelle zu ermöglichen und eine strikte Trennung in „angestellt“ und „freiberuflich“ aufzulösen. Wir müssen endlich weg von dem geradezu steinzeitlichen Gedanken, dass nur „Vollzeit“ sinnvoll fürs Arbeiten im Spital ist. In der Schweiz zum Beispiel können sich Ärzte Hausarztstellen teilen und mit ihrer restlichen Arbeitskraft frei umgehen. Und es geht auch um mehr Zeit für die Familie: Wir müssen den Jungen konkrete Zukunftsperspektiven anbieten, etwa das Zulassen innovativer, flexibler Work-Life-Balance Modelle, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und den Bedürfnissen der jeweiligen Lebenssituation entsprechen. Dazu gehört auch die Schaffung von betriebsnahen Kinderbetreuungsplätzen und die exakte Planbarkeit von Einsatzzeiten im Spitalsdienst, aber auch die Möglichkeit von Reflexionsgesprächen und die berufliche Gesundheitsförderung während der gesamten Ärztelaufbahn.

Denken Sie, dass die Corona-Pandemie und die verbalen wie physischen Anfeindungen der Ärzteschaft die Attraktivität des Berufs verringert haben? Der eine oder andere mag bestimmt darüber nachdenken, ob es wirklich so erstrebenswert ist, Arzt zu werden. Generell glaube ich aber schon, dass unser Beruf ein schöner und erfüllender ist – allerdings würde ich mir generell mehr gesellschaftliche Wertschätzung für den Arztberuf wünschen. Es kann und darf nicht sein, dass jenen, die mit übermenschlicher Anstrengung unsere Gesundheitsversorgung auch während der Pandemie auf Top-Niveau aufrechterhalten haben, mit verbaler oder physischer Gewalt gedroht oder dass über ärztliche Zwangsarbeit jeglicher Form nachgedacht wird.


Enquete „Wieviel Personal braucht das Spital?“ am Donnerstag, 22. September 2022, 14-17:30 Uhr, Van Swieten Saal der MedUni Wien, Van-Swieten-Gasse 2a, 1090 Wien. Die Teilnahme ist kostenlos.

Es referieren:

  • Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der MedUni Wien
  • MR Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer
  • Dr. Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der ÖÄK
  • Dr. Martin Rupprecht, Personaldirektor, Oberösterreichische Gesundheitsholding GmbH
  • Mag. Werner Fischl, Geschäftsführer der PremiQaMed Privatkliniken

Moderation: Mag.a Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des „Standard“
Um Anmeldung wird gebeten unter pressestelle@aerztekammer.at


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2022