Hori­zonte: Per­sön­lich­kei­ten – Wie Rönt­gen zur Strah­lung kam

25.01.2021 | Service

Durch einen Zufall ent­deckte der Phy­si­ker Wil­helm Con­rad Rönt­gen die nach ihm benannte Strah­lung, die die Medi­zin revo­lu­tio­nie­ren sollte. 1901 erhielt er für seine Leis­tun­gen den ers­ten für Phy­sik ver­ge­be­nen Nobel­preis. Die bahn­bre­chende Ent­de­ckung gelang ihm vor 125 Jah­ren, die indi­rekt auch zur Ent­de­ckung der Radio­ak­ti­vi­tät beitrug.

Wil­helm Con­rad Rönt­gen wurde vor 175 Jah­ren im deut­schen Len­nep, das zum heu­ti­gen Rem­scheid gehört, gebo­ren; und vor 125 Jah­ren machte er seine bahn­bre­chende Ent­de­ckung der Rönt­gen­strah­lung. Rönt­gen legte eine eher aty­pi­sche wis­sen­schaft­li­che Kar­riere hin. So hatte der Sohn eines groß­bür­ger­li­chen Tuch­fa­bri­kan­ten kei­nen Schul­ab­schluss: Er musste die Lehr­an­stalt aus Dis­zi­pli­nar­grün­den ver­las­sen, weil er einen Päd­ago­gen kari­kiert hatte. Rönt­gen schaffte es aber den­noch, 1868 sein Diplom als Maschi­nen­in­ge­nieur an der Eid­ge­nös­si­schen Tech­ni­schen Hoch­schule Zürich (ETH Zürich) zu erlangen. 

In den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren wid­mete er sich einem Auf­bau­stu­dium in Phy­sik beim Phy­si­ker und Mathe­ma­ti­ker August Kundt, der unter ande­rem die Disper­sion von Gasen und die Ein­ato­mig­keit von Queck­sil­ber­dampf bewies. Zu sei­nen Schü­lern gehörte bei­spiels­weise der öster­rei­chi­sche Phy­si­ker Franz Exner, der maß­geb­lich dazu bei­trug, dass man sich in Öster­reich bereits früh mit Radio­ak­ti­vi­tät, Spek­tro­sko­pie, Elek­tro­che­mie, der Elek­tri­zi­tät in der Atmo­sphäre und der Far­ben­theo­rie aus­ein­an­der­setzte. 1869 pro­mo­vierte Rönt­gen an der Uni­ver­si­tät Zürich.

„Phy­si­ka­li­sches Kabi­nett“ in Würzburg

Im Jahr 1870 beglei­tete Rönt­gen sei­nen Lehr­meis­ter Kundt als Assis­tent nach Würz­burg ans „Phy­si­ka­li­sche Kabi­nett“ der Alten Uni­ver­si­tät in der Domer­schul­straße. Noch im glei­chen Jahr schloss er sich der Phy­si­ka­lisch-Medi­zi­ni­schen Gesell­schaft in Würz­burg an. Zwei Jahre spä­ter hei­ra­tete er die Züri­che­rin Anna Ber­tha Lud­wig. Wenige Monate nach der Hoch­zeit wech­selte er zusam­men mit Kundt an die Kai­ser-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Straß­burg, wo er 1874 habi­li­tierte und als Pri­vat­do­zent begann. 1876 ver­schaffte Kundt Rönt­gen eine Stelle als außer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor für Phy­sik in Straß­burg. 1879 erlangte er schließ­lich erst­mals eine ordent­li­che Pro­fes­sur an der Uni­ver­si­tät Gie­ßen und 1888 an der Uni­ver­si­tät Würz­burg, wo er spä­ter auch Rek­tor wurde. 


Rönt­gen­strah­lung in der Diagnostik

  • Im Bereich Radio­lo­gie wur­den in Öster­reich im Jahr 2015 knapp 12,9 Mil­lio­nen Unter­su­chun­gen durchgeführt.
  • Der Anteil von kon­ven­tio­nel­len Rönt­gen-Unter­su­chun­gen lag bei 45,5 Pro­zent; der Anteil der Zahn­rönt­gen bei 34,8 Prozent.
  • Das bedeu­tet: Pro 1.000 Ein­woh­ner wur­den 1.486 Unter­su­chun­gen durchgeführt. 
  • Seit 2007 kön­nen – etwa bei Ein­ren­kun­gen – Rönt­gen-Videos gefilmt und zeit­gleich am Bild­schirm ver­folgt werden.
  • Das MRT wird 1971 vom US-ame­ri­ka­ni­schen Che­mi­ker Paul C. Lau­ter­bur erfun­den; 1977 wird erst­mals ein Tho­rax-MRT aufgenommen.
  • Im glei­chen Jahr ent­wi­ckelt der Brite God­frey N. Houns­fild, der als Inge­nieur bei der Schall­plat­ten­firma EMI ange­stellt ist, den Computertomographen.

Quelle: GÖG 2017 für das Daten­jahr 2015; erstellt im Auf­trag des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Gesund­heit und Frauen 


Am 8. Novem­ber 1895 fand Rönt­gen bei sei­nen For­schun­gen zu elek­tri­schen Ent­la­dun­gen in ver­dünn­ten Gasen in einer nahezu luft­leer gepump­ten Glas­röhre (Katho­den­röhre) durch Zufall eine unbe­kannte Form durch­drin­gungs­fä­hi­ger unsicht­ba­rer Strah­lung. Erzäh­lun­gen zufolge war es im Labor fast dun­kel; nur Leucht­erschei­nun­gen in der Röhre erzeug­ten etwas Licht. Er umhüllte die Röhre mit schwar­zem Kar­ton und bemerkte, dass sich ein ent­fernt ste­hen­der Leucht­schirm auf­hellte. Als er seine Hand zwi­schen Röhre und Leucht­schirm hielt, sah er auf dem Schirm den Schat­ten sei­ner Hand­kno­chen – die Geburts­stunde der Radio­lo­gie. Berühmt ist die Auf­nahme der Hand sei­ner Frau, die Rönt­gen am 22. Dezem­ber 1895 anfertigte. 

Im Rah­men einer Son­der­sit­zung der phy­si­ka­lisch-medi­zi­ni­schen Gesell­schaft prä­sen­tierte er ein gutes Jahr spä­ter die X‑Strahlung – im Eng­li­schen sollte sich spä­ter der Begriff ‚X‑Ray‘ durch­set­zen. Mit ‚X‘ meinte er so viel wie „unbe­kannte Strah­len“. Der Ana­tom Albert Köl­li­ker schlug die Umbe­nen­nung in „Röntgen‘sche Strah­len“ vor, was von der Ver­samm­lung der Son­der­sit­zung ange­nom­men wurde. 1900 wurde Rönt­gen die Bar­nard-Medaille ver­lie­hen; 1901 der erste Nobel­preis für Phy­sik „als Aner­ken­nung des außer­or­dent­li­chen Ver­diens­tes, das er sich durch die Ent­de­ckung der nach ihm benann­ten Strah­len erwor­ben hat“. Die neue dia­gnos­ti­sche Methode revo­lu­tio­nierte die Medi­zin: Zum ers­ten Mal war eine Durch­leuch­tung des mensch­li­chen Kör­pers mög­lich – die Ana­to­mie und die Funk­tion leben­der Organe konnte so auf neue Weise stu­diert wer­den. Anfangs dia­gnos­ti­zier­ten Ärzte damit vor­ran­gig Kno­chen­brü­che, Fremd­kör­per und Ver­än­de­run­gen des Ske­letts – damals noch unter erheb­li­cher Strah­len­be­las­tung. Der Gefah­ren durch Strah­lung war man sich noch nicht bewusst; Blei­schür­zen wur­den zum Bei­spiel erst in den 1920er Jah­ren ein­ge­führt. Schon im Februar 1896 – inspi­riert durch Rönt­gen – begann der fran­zö­si­sche Phy­si­ker Henri Bec­que­rel mit lumi­nes­zie­ren­den Mate­ria­lien zu expe­ri­men­tie­ren und stieß auf die durch­drin­gende Wir­kung einer neuen Art von Strah­lung. Die Ent­de­ckung der Rönt­gen­strah­len ermög­lichte somit indi­rekt auch jene der Radio­ak­ti­vi­tät, für die Bec­que­rel gemein­sam mit Marie und Pierre Curie im Jahr 1903 den Nobel­preis erhielt. 

Rönt­gen mel­dete seine weg­wei­sende Ent­de­ckung übri­gens nie zum Patent an. Ihm ging es nicht um die Ver­mark­tung der Rönt­gen­strah­len, son­dern darum, dass sich die Methode und das Wis­sen dar­über vor allem schnell ver­brei­ten und genutzt wer­den kön­nen. Rönt­gen starb am 10. Februar 1923 im Alter von 77 Jah­ren an Darm­krebs in Mün­chen, wo er ab 1900 als Pro­fes­sor für Phy­sik gear­bei­tet hatte. (JW)

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.01.2021