Horizonte: Lyme-Borreliose – Lyme, Borrel & Burgdorfer

25.04.2021 | Service

Der US-amerikanische Ort Lyme und der französische Bakteriologe Amédée Borrel sind die Namensgeber der Lyme-Borreliose. Willy Burgdorfer, ein US-amerikanischer Bakteriologe, jedoch war es, dem 1981 der Nachweis der neuen Borrelien-Art erstmals gelang.

Als in den 1970er Jahren in den waldreichen Gemeinden East Haddam, Lyme und Old Lyme im US-Bundesstaat Connecticut bei Kindern eine 100-fach höhere Zahl an juveniler rheumatoider Arthritis auftrat als im Rest des Landes, fanden die Wissenschafter zunächst keine Begründung. Die Krankheit, an der auch Erwachsene litten, wurde als Lyme-Arthritis, eine endemisch auftretende Oligoarthritis nach einem Erythema chronicum migrans (ECM) mit neurologischen und kardialen Manifestationen, charakterisiert. 1975 begannen Wissenschafter der Universität Yale, die Fallberichte zu analysieren und zu dokumentieren, ohne allerdings den Grund für die Gelenksentzündungen zu finden. Die Ursache entdeckte sieben Jahre später der Schweizer Willy Burgdorfer durch einen Zufall.

Zecken-Sektion zeigt Borrelien

1925 in Basel geboren, arbeitete Burgdorfer schon seit den 1950er Jahren am Rocky Mountain Laboratory des  National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Hamilton, Montana. Seiner Promotion am Schweizer Tropeninstitut über die Übertragung des Zeckenrückfallfiebers durch Lederzecken folgten jahrzehntelange Forschungen zum Erreger des Rocky-Mountain-Fleckfiebers und anderer Zoonosen, die Übertragung der Pest durch Flöhe und Gelbfieber-Virus. Untersuchungen von Ausstrichen der Hämolymphe blieben ergebnislos. Erst bei der Sektion der Zecken und Färbung der Organausstriche mit Giemsa fand er spiralförmige Einzeller in den Darmausstrichen von Rotwild-Zecken, die bis dato nicht als Träger von Spirochäten galten. Konkret waren 60 Prozent der 124 untersuchten Zecken (I. dammini) mit Spirochäten infiziert. Damit widerlegte Burgdorfer einen bis dahin gültigen Grundsatz von Akarologen (Zeckenforschern), wonach Schildzecken frei von Borrelien seien. Mit Hilfe von molekularen Untersuchungen konnte er eindeutig nachweisen, dass die I. dammini-Spirochäte zur Gattung Borrelia gehört. Die Entdeckung von Burgdorfer 1981 sollte den Grundstein für die Erforschung der Lyme-Borreliose legen. Beim ersten Lyme Disease-Symposium 1983 in Yale wurde der neue Erreger zu Ehren von Burgdorfer nach ihm benannt. Willy Burgdorfer starb 2014 an M. Parkinson.

Borrel: Fokus auf Krebs-Pathogenese

Die Bezeichnung „Borrelia“ geht auf den französischen Mikrobiologen Amédée Borrel zurück. 1867 in Cazouls-lès-Bézier geboren, war Borrel nicht nur Forscher, sondern auch Maler und Bildhauer. Die künstlerischen Darstellungen seiner Beobachtungen stellte er mehrfach in der Société nationale des Beaux-Arts aus. Seine wissenschaftliche Karriere begann 1892, als seine Dissertation über das Epitheliom an der Universität von Montpellier die Aufmerksamkeit des russischen Nobelpreisträgers Elias Metschnikow erregte. Dieser holte Borrel in sein Forschungsteam im Pasteur Institute und übertrug ihm unter anderem die Verantwortung für die Mikroben-Sammlung des Institutes. Borrel fokussierte seine Arbeit zunehmend auf die Pathogenese von Krebs und versuchte früh, einen Zusammenhang zwischen Viren und Krebs zu finden. Im 1. Weltkrieg kreierte er eine der ersten Gasmasken, errichtete in Fréjus ein Diagnose- und Impfzentrum, um afrikanische Truppen vor einer Tuberkulose-Infektion zu schützen und um sie an das europäische Klima zu gewöhnen. Nach dem Krieg übernahm er einen Lehrstuhl für Bakteriologie an der Universität Strasbourg. Borrel verstarb 1936 an Tuberkulose. Zu Ehren von Borrel benannte der niederländische Bakteriologe Nicholas Swellengreb im Jahr 1907 eine Bakterien-Gattung Borrelia. 

Im Rahmen des 2. Internationalen Lyme-Disease-Kongresses in Wien 1985 erfolgte die Umbenennung der Krankheit in Lyme-Borreliose; seit 2015 wird sie als Borreliose bezeichnet. (MCW)


Lyme-Borreliose: Symptome

Borrelien, die gramnegativen spiralförmigen Bakterien, gehören zur Familie der Spirochäten. Borrelia burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii und B. spielmanii sind Erreger der Lyme-Borreliose. Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung: In Europa sind fünf bis 35 Prozent der Zecken mit Borrelien befallen.
Die Lyme-Borreliose verläuft in drei Stadien.

1. Frühstadium: Lokalinfektion

Inkubationszeit zwischen fünf und 29 Tagen; Lokalinfektion der Haut mit Erythema chronicum migrans. Typisch: heller roter (Doppel-)Ring mit zentraler Abblassung. Prädilektionsstellen: Achselhöhle, Leiste und Kniekehlen; bei Kindern auch Kopf und Nacken. Allgemeines Krankheitsgefühl mit Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit, Fieber und Kopfschmerzen.

2. Stadium: Dissemination des Erregers

Nach vier bis 16 Wochen Grippeähnliche Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen; charakteristisch: starke Schweißausbrüche. Befall von Organen, Gelenken, Muskeln sowie des zentralen und peripheren Nervensystems. Weiters Arthriden, Myalgien, Störungen des Tastsinns, Sehstörungen, Sinustachykardien und Karditis. 

3. Stadium: Spätmanifestation

Acrodermatitits chronica athrophicans (ACA); chronisch rezidivierende Lyme-Arthritis, Neuroborreliose mit Polyneuropathie, Borrelien-Meningitis, Lyme-Enzephalomyelitis, Enzephalitis.

Mögliche Differentialdiagnosen: FSME, Anaplasmosen, Rickettsiosen sowie Syphilis und Leptospirose, neurotrope Viren. Bei einer Gelenksentzündung sind aktivierte Arthrose, rheumatoide Arthritis und andere Gelenksentzündungen mögliche Differentialdiagnosen.

Quellen:

D. J. M. Wright, Borrel’s accidental legacy, Clin Microbiol Infect2009;15:397–399
Willy Burgdorfer, Zur Entdeckung der Lyme-Krankheit-Spirochäte, Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft pp 12–15
Univ. Prof. Dr. Gerhard Stanek, Penicillin und Lyme-Borreliose; www.antibiotikamonitor.at

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2021