Hori­zonte: Daniel E. Sal­mon: Vor­rei­ter der Fleischhygiene

27.09.2021 | Service

Inten­sive For­schun­gen über die Schwei­ne­pest führte zur Ent­de­ckung der der Bak­te­rien aus der Fami­lie der Ente­ro­bac­te­riaceae, deren Namen auf Daniel E. Sal­mon zurück­ge­hen: Sal­mo­nel­len. Als ers­ter pro­mo­vier­ter Vete­ri­när­me­di­zi­ner der USA grün­dete er das Natio­nal Vete­ri­nary Col­lege, des­sen Fokus die Aus­bil­dung von Fleisch­in­spek­to­ren war.
Manuela‑C. War­scher

Mit dem Buch „Der­Dschun­gel“ (The Jungle) scho­ckierte 1905 der bis dahin rela­tiv unbe­kannte US-ame­ri­ka­ni­sche Schrift­stel­ler Upton Sin­clair die Ver­ei­nig­ten Staa­ten. In die­sem Sozi­al­ro­man schil­dert der über­zeugte Sozia­list scho­nungs­los die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen in den Union Stock Yards in Chi­cago, dem größ­ten Schlacht­hof der Welt. Jedes Detail im Roman ent­sprach den Tat­sa­chen. Was folgte, war der Nie­der­gang der US-ame­ri­ka­ni­schen Fleisch­in­dus­trie. Schlag­ar­tig waren ihre Miss­stände und ebenso auch der junge Schrift­stel­ler bekannt. „Ich zielte auf die Her­zen der Men­schen und zufäl­lig traf ich ihre Mägen“, so Sin­clair über den Ein­fluss des Buches, das den US-ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­dent Theo­dore Roo­se­velt und den Kon­gress ver­an­lasste, 1906 zwei Gesetze zu ver­ab­schie­den: „Meat Inspec­tion Act“ und „Pure Food and Drug Act“. Außer­dem schränk­ten die USA den Fleisch­im­port – unter ande­rem aus Deutsch­land – durch erhöhte Zölle emp­find­lich ein.

Vor­wurf der Vetternwirtschaft

Doch damit noch nicht genug: Gegen den renom­mier­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Vete­ri­när­me­di­zi­ner Daniel Elmer Sal­mon wurde der Vor­wurf der Vet­tern­wirt­schaft erho­ben, da er in sei­ner Zeit als Direk­tor des Bure­aus of Ani­mal Indus­try (BAI) Part­ner eines Unter­neh­mens war, das einen Ver­trag mit dem BAI zur Pro­duk­tion von Fleisch-Eti­ket­ten hatte. Nach­dem aller­dings Sal­mon kei­nen finan­zi­el­len Pro­fit aus der Part­ner­schaft zog, wurde der Vor­wurf fal­len­ge­las­sen. Den­noch emi­grierte der Vor­zeige-Vete­ri­när 1906 nach Uru­guay, wo er an der Uni­ver­si­tät von Mon­te­vi­deo die Escuela de Vete­ri­na­ria de Mon­te­vi­deo (Vete­ri­när­me­di­zi­ni­sche Abtei­lung) auf­baute. Erst 1912 kehrte er in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten zurück.

Pio­nier in vie­len Bereichen

Sal­mon war ein Pio­nier in vie­len Berei­chen sei­nes Lebens – vom Stu­dium über die Pro­mo­tion bis hin zum Direk­tor des New York Vete­ri­nary Col­lege. Vor allem aber war er ein Vor­rei­ter in Fra­gen der Fleisch­kon­trolle und Fleisch­hy­giene. Wenig über­ra­schend also, dass er zum bedeu­tends­ten Vete­ri­när der Ver­ei­nig­ten Staa­ten avan­cierte. Dabei waren vor allem seine frü­hen Jahre von Ver­lus­ten und Ein­schrän­kun­gen geprägt: Mit acht Jah­ren schon Voll­waise, ver­diente er sei­nen Lebens­un­ter­halt zunächst durch Arbeit auf einer Farm und als Ver­käu­fer in einem Lebens­mit­tel­ge­schäft im hei­mat­li­chen Mount Olive (New Jer­sey). Er war der erste pro­mo­vierte Vete­ri­när­me­di­zi­ner der USA und arbei­tete nach sei­nem Abschluss 1876 als Tier­arzt in Newark (New York), ver­ließ aber bereits nach knapp einem Jahr die Pra­xis zuguns­ten der Wis­sen­schaft. Es folgte 1877 eine Reihe an vete­ri­när­me­di­zi­ni­schen Vor­trä­gen an der Uni­ver­sity of Geor­gia. Ab 1879 forschte er im Auf­trag des US-Staa­tes New York über Schweine- und Rin­der­seu­chen und spä­ter für das US-Depart­ment of Agri­cul­ture über Tier­er­kran­kun­gen in den Süd­staa­ten. 1892 grün­dete Sal­mon in Washing­ton D.C. das Natio­nal Vete­ri­nary Col­lege, des­sen Rek­tor er bis 1898 war. Fokus am Col­lege war die Aus­bil­dung von Fleisch inspektoren.

Und Fleisch­in­spek­to­ren waren drin­gend not­wen­dig. Immer­hin stell­ten Ende des 19. Jahr­hun­derts Tier­seu­chen und vor allem die Schwei­ne­pest eine mas­sive Bedro­hung nicht nur für die US-ame­ri­ka­ni­sche, son­dern auf­grund ihrer rasan­ten Aus­brei­tung für die welt­weite Schwei­ne­zucht dar. Daher wurde das 1884 neu­ge­grün­dete BAI mit der Erfor­schung von Nutz­tier-Krank­hei­ten beauf­tragt. Ihr ers­ter Direk­tor Sal­mon legte einen kla­ren Fokus auf Bak­te­rio­lo­gie und Patho­lo­gie. In die 21 Jahre sei­ner Amts­zeit fie­len die Aus­ar­bei­tung von Qua­ran­tä­ne­re­geln für den Import und Export von Tie­ren, die Aus­rot­tung der infek­tiö­sen Bron­chopneu­mo­nie bei Rin­dern, die Kon­trolle des Texas­fie­bers mit­tels Imp­fung und die Ver­ab­schie­dung einer Tier­seu­chen­schutz-Richt­li­nie. Vor allem konn­ten Sal­mon und sein Part­ner Theo­bald Smith den Über­tra­gungs­weg des Texas­fie­bers (Syn. Rin­der­b­a­be­si­ose) durch Zecken ermit­teln und den Grund­stein für die spä­tere Typhus-Imp­fung legen. Sie lie­fer­ten den Beweis, dass abge­tö­tete Erre­ger vor einer Erkran­kung mit der Schweine-Cho­lera (S. cho­le­r­ae­suis) schüt­zen. In spä­te­ren Jah­ren lei­tete Sal­mon ein Unter­neh­men, das ein Serum gegen die Schweine- Cho­lera produzierte.

Namens­ge­ber der Salmonellen

Die inten­sive For­schung über die Schwei­ne­pest führte zur Ent­de­ckung der Bak­te­rien aus der Fami­lie der Ene­r­o­bac­te­ria­cae, deren Namen auf Daniel E. Sal­mon zurück­ge­hen: Sal­mo­nel­len. Der lang­jäh­rige Labor­part­ner von Sal­mon, Theo­bald Smith, iso­lierte 1885 aus Schwei­nen, die an Schwein­pest ver­en­det waren, ein gram­ne­ga­ti­ves Bak­te­rium, das er Bacil­lus cho­le­rae suis nannte. Damit lan­dete er aber keine Sen­sa­tion, denn bereits sie­ben Jahre zuvor hatte H. J. Det­mers die­ses Bak­te­rium, dem er den Namen Bacil­lus suis gab, im Schwei­ne­blut nach­ge­wie­sen. Sero­lo­gisch ver­wandt war es mit dem Typhus-Para­ty­phus- und Gas­troen­teri­tis-Erre­ger. Die­ser Erre­ger wie­derum ver­ur­sachte 1888 eine Mas­sen­fleisch­ver­gif­tung im deut­schen Fran­ken­hau­sen. Im Novem­ber 1888 schrieb der deut­sche Hygie­ni­ker August Gärt­ner in der Bres­lauer Ärzt­li­chen Zeit­schrift: „Die Mas­sen­er­kran­kung wurde durch den Genuss des Flei­sches von einem noth-geschlach­te­ten [sic!] Tier bewirkt; der Mikro­or­ga­nis­mus erhält die Gif­tig­keit und Infec­tio­si­tät [sic!] aus die­sem Fleisch.“ Gärt­ner wies Bacil­lus enteri­tis als Ver­ur­sa­cher der Mas­sen­fleisch­ver­gif­tung nach, womit ihm eben­falls die Benen­nung eines der etwa 2.500 Sal­mo­nel­len-Bak­te­rien gelang.

Daniel E. Sal­mon, Namens­ge­ber des Bak­te­ri­ums, wurde 64 Jahre alt. Er starb 1914 an einer Lun­gen­ent­zün­dung; sein lang­jäh­ri­ger Wis­sen­schafts­part­ner Smith 20 Jahre später.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /25.09.2021