CIRSmedical: Fehldosierung von Insulin

27.09.2021 | Service

Bei der Notfallversorgung eines jungen Mannes mit einem Polytrauma an einer interdisziplinären Aufnahmestation kommt es zur Fehldosierung von Insulin aufgrund einer falschen Umrechnung.

Im Schockraum wird ein massiv instabiler Patient aus der Altersgruppe zwischen 21 und 30 Jahren mit einem Polytrauma (kein relevantes Schädel-Hirn-Trauma beteiligt) an einer Interdisziplinären Aufnahmestation an einem Wochentag versorgt. Im Rahmen der Hyperkaliämie wird die Indikation für einen Glukose-Insulin-Bypass gestellt. Der Auftrag an den einmeldenden Arzt: eine Infu sion mit Besteck und sechs Einheiten Insulin. Er plant, 100 IE Insulin in 100ml 0,9%-igem NaCl entsprechen 1 IE/ml zu verdünnen. Bei der Verdünnung wird jedoch übersehen, dass in 10 ml des Insulinpräparats 100 IE/ml anstelle von 100 IE insgesamt gelöst sind, wodurch irrtümlich eine 10 IE/ml-Lösung hergestellt und 60 IE verabreicht wird. Etwa 15 Minuten später fällt eine Hypoglykämie mit einem Glukosewert von 33 mg/dl und niedrignormale Kalium-Werte auf. Es wird rasch eine Fehldosierung suspiziert. Diese bestätigt sich nach der Kontrolle der leeren Ampulle.

Das Problem wird an das Team kommuniziert und rasch Gegenmaßnahmen eingeleitet. Unter Bolus-Therapie und kontinuierlicher Infusion von Glukose 33% und 250 ml Elo-zell spezial normalisiert sich die besonders engmaschige Metabolik des ansonst gesunden Patienten innerhalb von wenigen Stunden. Das Outcome laut dem einmeldenden Arzt: Not-Operationen können unter geringer Katecholamintherapie normwertiger Hämodynamik durchgeführt und der Patient anschließend auf eine ICE verlegt werden.

Als Ergebnis kommt es zu einer transienten Hypoglykämie und Hypokaliämie nach Insulin-Fehldosierung, die sich nach einer entsprechenden Substitution rasch und stabil besserten. Laut den Nachforschungen des meldenden Arztes mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung zeigten sich keine dauerhaften nachteiligen Konsequenzen für den Verlauf. Glukose und Kalium waren nach wenigen Stunden wieder stabil in der Norm und einige Tage später auf den auf der ICE postoperativ regelmäßig durchgeführten BGAs durchwegs normwertig.

Als Gründe für dieses Ereignis nennt der meldende Arzt 1) die eigene Hektik, die retrospektiv für diese Maßnahme nicht angebracht war (objektiv keine unmittelbar zeitkritische Maßnahme in dieser Situation) und 2) die subjektive Selbstwahrnehmung, „normalerweise“ – das heißt außerhalb von Notfallsituationen – so sorgfältig zu sein, dass einem diese Art von Fehler nicht passieren würde. Als besonders gut führt er die Kommunikation im Team an, die aktive Rückfrage durch den Team-Leader, wodurch der Fehler rasch rekonstruiert und die Problematik ohne weitere wesentliche Komplikationen behoben werden konnte (rasche Stabilisierung unter Kalium- und Glukose-Subsitution). Der Fehler wurde konstruktiv aufgearbeitet und ein Lerneffekt erzielt. Als besonders ungünstig führt er an, dass bei einem schwer verletzten Patienten ein weiterer potentiell bedrohlicher Zustand herbeigeführt wurde, der zusätzlich leichter zu übersehen gewesen wäre (intubierter Patient, kaschierte Symptome) – rasche Entdeckung des Fehlers nur aufgrund der in hoher Freqenz durchgeführten BGAs.

Die Take-Home-Message des meldenden Arztes: Auch in stressigen Situation – und gerade dann – lieber alles noch einmal nachrechnen: am besten mit dem Taschenrechner oder auf dem Papier. Nach Möglichkeit laut sagen, was wie verdünnt wurde. Bei Medikamenten, mit denen man nicht täglich arbeitet, immer die Konzentration noch einmal kontrollieren. Am besten sonst auch bei bekannten Medikamenten; auch die sind nicht immer gleich in den Ampullen. Niemals davon ausgehen, dass es gewisse Fehler gibt, die „einem nicht mehr passieren, weil man normalerweise eh so gut aufpasst“.

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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 /25.09.2021