Status quo: Erfahrung als Basis für Erweiterung

15.07.2021 | Schwerpunkt Qualitätssicherung

Mehr als 16 Jahre Erfahrung kann die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMED) aufweisen. Schon längst zu einem führenden Qualitätssicherungsinstitut des Landes geworden, könnte sie in Zukunft auch als Beratungsinstitut für nicht­ärztliche Gesundheitsberufe fungieren.
Manuela-C. Warscher

Es geht um nicht weniger als die gesetzlichen Mindeststandards in den 19.000 österreichischen ärztlichen Ordinationen: von der Hygiene, der Lagerung von Arzneimitteln und Ordinationsbedarf über die Erreichbarkeit und Patientenversorgung, die Ausstattung der Ordination bis hin zum Beschwerdemanagement. Evaluiert werden diese Qualitätsanforderungen in Fünf­Jahreszyklen einerseits von der Ärztin oder vom Arzt selbst und andererseits stichprobenmäßig von derzeit rund 175 ärztlichen Qualitätssicherungs­Beauftragten. Das Konzept dahinter: Angehörige der Freien Berufe erbringen ihre Leistungen – so die gesetzliche Definition – aufgrund der besonderen Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig. Die Qualitätssicherung von Ordinationen und Gruppenpraxen ist davon also zentral betroffen. „Es tut weh, wenn der Staat diese Dinge an sich reißt“, zeigt sich der Leiter des ÖÄK­Referats für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement, Artur Wechselberger, betroffen. „Aufgabe des Staates ist es, die Vorgaben der Freien Berufe rechtlich zu regeln und den Rahmen der Qualität vorzugeben. Die Umsetzung liegt aber im Sinne der Selbstverwaltung bei den Angehörigen des Berufstands“, gibt Wechselberger, der auch stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der ÖQMED ist, zu bedenken. Die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMED) verantwortet eben diese Aufgabe – seit 16 Jahren „objektiv und praxisnah“.

Proaktiver Zugang von Ärzten

„Zwei von zehn Ärzten, die sich gerade niederlassen oder niederlassen wollen, fordern proaktiv eine Qualitätsüberprüfung bei uns an“, berichtet der Geschäftsführer der ÖQMED, Wolfgang Moritz. Auch die diesbezüglichen Telefonberatungen nehmen Ärztinnen und Ärzte intensiv in Anspruch: Allein zum Thema Evaluierung wurden im laufenden Zyklus (2018 bis 2022) bereits mehr als 8.000 Beratungen geführt. Dieser proaktive Zugang zum Thema Qualitätssicherung ist kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat eben dieser Selbstverwaltung. In Zahlen heißt das: 10.220 Zertifizierungen bei 15.343 zu evaluierenden Ordinationen im aktuellen Zyklus (Die Differenz wird im Herbst/Winter 2021 zertifiziert; Anm.). Das Erfolgsrezept? „Kontinuierliche Verbesserung, umfassende Transparenz und kollegiale Unterstützung“, fasst Moritz zusammen. Als Beispiel nennt er die Beantwortung der Frage nach Einhaltung der Hygieneverordnung in der Selbstevaluierung. „Da hier eine simple Ja/Nein-Antwort zu kurz gegriffen hat, weil sie nicht auf die Unterschiede zwischen niedergelassenem Facharzt und Allgemeinmediziner eingegangen ist“, habe man „kurzum die Frage um 25 Unterfragen erweitert, um auf diese Weise für jeden Fachbereich und jedes Leistungsspektrum die jeweiligen Anforderungen zu präsentieren“.

Manchmal müsse man auch Brücken bauen: keine Toilette in der Ordination ohne Waschbecken – lautet beispielsweise die gesetzliche Vorgabe. Doch fallweise stellen bauliche Gegebenheiten oder Rechtsvorschriften die Ordinationsinhaber vor große Herausforderungen hinsichtlich der qualitätskonformen Umsetzung. „Hier kann oftmals ein Facharzt für Hygiene, der von der ÖQMED beigezogen wird, bei der Erarbeitung von Alternativkonzepten unterstützen. „Diese Möglichkeit gibt uns die Hygiene­Verordnung an die Hand“, erläutert Moritz. 120 Mal wurde die ÖQMED im Rahmen von spezifischen Überprüfungen im aktuellen Zyklus tätig. Darunter versteht man jene Besuche in Ordinationen, die nach Patientenbeschwerden stattfinden. „Je nach Beschwerdegrund überprüfen wir die Ordination gemeinsam mit Patientenanwälten und anderen Stellen unangekündigt. Dies macht beispielsweise Sinn, wenn uns gemeldet wird, dass es in der Ordination ein Haustier gibt. Kündigen wir uns an, dann ist das Tier mit Sicherheit nicht vor Ort“, so Moritz. Im aktuellen Zyklus wurden 39 unangekündigte Kontrollen vorgenommen. Wird die Mängelbehebung verweigert oder die Selbstevaluierung nicht zeitgerecht übermittelt, droht die Anzeige beim Disziplinaranwalt der ÖÄK. Rund zehn Anzeigen werden pro Jahr vorgenommen; 51 waren es im letzten Evaluierungszyklus. Im äußersten Fall kommt es zur dauerhaften oder temporären Schließung der Praxis.

Eines der führenden Institute  

Die ÖQMED ist also – davon ist Wechselberger überzeugt – durch ihre Arbeit schon längst zu einem der „führenden Qualitätssicherungsinstitute des Landes“ avanciert. Daher kann er einer Reduktion ihrer Tätigkeit im Bereich der Qualitätsarbeit in ärztlichen Ordinationen wenig abgewinnen. Im Gegenteil: Die Bestrebungen sollten vielmehr dahingehen, die ÖQMED bei der „Ausweitung ihres Verantwortungsbereiches auch auf nichtärztliche Gesundheitsberufe und Gesundheitseinrichtungen“ zu unterstützen. Immerhin evaluiere die ÖQMED bereits jetzt nach Kriterien, die den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates folgen und inhaltliche „große Nähe“ zu den Qualitätsvorgaben für Ordinationen aufweisen, seit 2012 selbstständige Ambulatorien. So wurden bislang 50 Ambulatorien unter Vertrag genommen; 47 davon sind aktuell bereits zertifiziert. Eine Ausweitung dieses Evaluationsangebotes bis hin zur ambulanten Krankenpflege“ würde sich daher „geradezu anbieten“, ist Wechselberger überzeugt.

Übertragung von Aufgaben des Bundes

Ein juristischer Fehler – die Landeshauptleute wurden als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung übergangen – wurde im Juni 2021 zum Schlüssel für eine Novelle des Ärztegesetzes unter anderem in Bezug auf die Qualitätskontrolle. „Noch ist die neue Gesetzeslage sehr unkonkret und in ihren Auswirkungen auf die Qualitätssicherung schwer zu interpretieren. Im Gesetz steht allerdings, dass eine neue Qualitätssicherungsverordnung an die Zustimmung aller Landeshauptfrauen beziehungsweise Landeshauptmänner geknüpft ist. Ab 2024 sollen die Aufgaben der Qualitätssicherung von der zuständigen Bundesministerin/vom zuständigen Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wahrgenommen werden“, analysiert Wechselberger. „Es wäre schizophren, wenn Bund und Länder, die bislang in die Gestaltung der Qualitätssicherungsverordnung der letzten Überprüfungsperioden höchst aktiv involviert waren, plötzlich diese als schlechtes Produkt diffamierten. Ihnen wird auch die professionelle Umsetzung durch die ÖQMED nicht entgangen sein.“ Hinsichtlich der künftigen Rolle der ÖQMED geht Wechselberger davon aus, dass sie als „primärer Dienstleister“ für Bund und Länder fungieren werde. „Ich glaube nicht, dass jemand von Bundesseite daran denkt, eine gänzlich neue Infrastruktur zu schaffen.“

Unfähige Qualitätskontrolleure

Der Worst Case bestünde darin, wenn der übertragene Wirkungsbereich an neun Länder ginge und in jedem Bundesland „extra oder kollektiv“ das Rad neu erfunden würde. Dann – so Wechselberger – stünde man nicht nur vor unterschiedlichen Vorgehensweisen und Qualitätsproblemen in den Ländern, sondern man hätte aufgrund mangelnder Kenntnisse und Erfahrungen bei der Evaluierung von ärztlichen Ordinationen einen „Fleckerlteppich unfähiger Qualitätskontrolleure“. Das würde die Qualitätsarbeit in der medizinischen Leistungserbringung um Jahre zurückwerfen. Denn diese Qualitätsarbeit sei bislang „ein Gemeinschaftsprojekt“ von kompetenten Vertretern aller für das Gesundheitswesen relevanten Institutionen im Sinn der höchsten Patientensicherheit und qualitativ hochwertigen medizinischen Leistung gewesen, wie Wechselberger resümiert.

Übrigens: Bezüglich der Kritik, dass ohnehin die ÖÄK den wissenschaftlichen Beirat dominiere, stellt Moritz klar: „33 Prozent im Beirat sind Ärztevertreter. Also verfügen sie nicht  über die Mehrheit der Stimmen, wenn es zu einer Abstimmung kommt.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2021