Porträt Kristina Köppel-Klepp: Vernetzter Informationsaustausch

10.05.2021 | Politik


Eine Möglichkeit, um sich innerhalb der ärztlichen Community austauschen zu können – das war das Ziel der Grazer Allgemeinmedizinerin Kristina Köppel-Klepp, als sie zu Beginn der COVID­-19-­Pandemie eine Facebook­-Gruppe gründete. Mittlerweile zählt die Plattform fast 2.800 Mitglieder – aus Österreich, Großbritannien und Schweden.
Ursula Scholz

Kristina Köppel-­Klepp ist Hausärztin im wahrsten Sinne des Wortes: Ihre Wahlarztpraxis für Allgemeinmedizin befindet sich im unteren Stockwerk ihres Wohnhauses im Norden von Graz. Und genau da saß sie zu Beginn des ersten Lockdowns fest. „Wir hatten weder fundierte Informationen über die Krankheit, die gab es ja noch nicht, noch die passende Schutzausrüstung, um infizierte Patientinnen und Patienten zu betreuen“, erzählt sie vom Kristallisationskeim ihrer Facebook­-Gruppe. Eine befreundete Ärztin hatte nach Behandlung eines COVID­-19­-positiven Patienten die Ordination bereits schließen und sich in Quarantäne begeben müssen; das Risiko desselben Schicksals war für alle Ärzte ein reales Problem. Köppel­-Klepp, die nicht wirklich stillsitzen kann, sann nach Lösungen, um wieder mit der Außenwelt in Kontakt treten und das Problem tatkräftig anpacken zu können. Ihre Wahl fiel auf die Vernetzung via Facebook, das sie bereits im Herbst 2017 als Plattform genutzt hatte, um ihre neue Ordination potentiellen Patienten zu präsentieren. Am 27. März 2020 gründete Köppel­-Klepp „Ärzte vs Covid­-19“ und wurde von der Resonanz fast überrollt. „In den ersten Tagen haben jeweils 50 bis 60 Personen um Aufnahme angefragt. Es war fast nicht möglich, alle auf ihren medizinischen Hintergrund hin zu überprüfen.“ Mehr als ein Jahr später haben sich innerhalb einer Woche noch immer acht neue Mitglieder beworben; im vergangenen Monat wurden knapp 500 Beiträge gepostet.

Nur für den internen Austausch

Köppel­-Klepp hält ihre Facebook­-Gruppe bewusst ausschließlich für die Fach­Community geöffnet, wobei rund 95 Prozent der Mitglieder Ärztinnen und Ärzte sind, der Rest kommt aus dem diplomierten Bereich. „Was wir in dieser Gruppe schreiben und diskutieren, soll prinzipiell unter uns bleiben. Wir besprechen auch fachliche Themen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.“ Die innerhalb der Ärzteschaft ausgelebte Meinungsvielfalt zu diversen Schutzmaßnahmen wie der Wirksamkeit der FFP2-­Masken oder Impfstrategien solle keinesfalls Laien dazu dienen, einzelne Äußerungen aus dem Zusammenhang zu picken, um eigene, oft krude Meinungen zu untermauern.

Parallel zu den verschiedenen Phasen der Pandemie entwickelt sich auch das Themenspektrum im Forum: „Ging es anfangs noch darum, wie ein COVID­-19­positiver Patient zu therapieren ist und welche Möglichkeiten die Intensivmedizin hat, verlagerte sich der Fokus schließlich zur Testsituation und den Impfinformationen“, erzählt Köppel­-Klepp. Dabei punktet die Facebook­Gruppe, der auch Mitglieder des Nationalen Impfgremiums angehören, mit rascher, unbürokratischer Informationstransmission. „Als Deutschland die Impfungen mit dem AstraZeneca­Impfstoff unterbrochen hat, sollte ich zwei Tage danach 50 Lehrer impfen. Da musste ich wissen, ob ich Risikopatienten prophylaktisch niedermolekulares Heparin dazu verabreichen soll und wie ich die verunsicherten Menschen korrekt aufkläre. In dieser Situation war ich sehr dankbar für dieses Forum.“

International vernetzt

Anfangs nur für einen kleinen Kreis gedacht, weitete sich „Ärzte vs Covid­-19“ auf ganz Österreich aus und konnte auch britische und schwedische Mitglieder integrieren. „Besonders spannend waren für uns die Insider­Informationen aus Schweden, weil die Situation vor Ort oft anders erlebt wird, als es in den Medienberichten rüberkommt.“

Pluralität herrscht auch beim fachlichen Background der Gruppenmitglieder, die vom Virologen bis zur Gynäkologin fast alle medizinischen Fächer abdecken und einen großen Pool an Allgemeinmedizinern umfassen. „Jeder will etwas Anderes wissen und der nächste beantwortet das Posting oft schon nach fünf Minuten.“ Ärzte verschiedener Fachrichtung werden von anderen Patientengruppen mit spezifischen Beschwerden und Ängsten konsultiert. Die Zusammenschau ergibt ein höchst differenziertes Bild der neuen Erkrankung.

Köppel­-Klepp screent die Postings üblicherweise zweimal täglich, nur an langen Ordinationstagen schafft sie das erst am Abend. Die meiste Zeit verlaufe der Chat konstruktiv, betont sie. Nur selten fallen auch schärfere Worte. Unhöfliche Beiträge werden ehestmöglich entfernt, damit die Qualität erhalten bleibt und das Forum nicht zum unsachlichen Dampfablassen missbraucht wird. Seit Ende März dieses Jahres helfen ihr drei weitere Gruppen­Administratoren dabei.

Quarantänebescheide als Amtsärztin

Denn Kristina Köppel­-Klepp engagiert sich seit vergangenem Herbst zusätzlich auch noch als Amtsärztin der Stadt Graz, deren Aufgabe es unter anderem ist, Quarantänebescheide auszustellen und nach Ablauf der Frist bei Beschwerdefreiheit die Ausgangsbeschränkungen wieder aufzuheben. „Es ist oft nicht leicht, den Betroffenen eine Verlängerung ihrer Quarantäne zu erklären und auch nicht alle reagieren höflich darauf. Aber es ist absolut unerlässlich, dass dieses System funktioniert, vor allem jetzt, wo sich die infektiösere britische Variante durchsetzt.“

Mit ihren eigentlichen Spezialisierungen – Köppel­-Klepp ist leidenschaftlich im orthopädischen Bereich tätig und auf Sport­ und Ernährungsmedizin fokussiert – hat ihre derzeitige Tätigkeit wenig zu tun. Aber sie ist es gewohnt, dort anzupacken, wo es die Situation erfordert.

Die Arbeit als Amtsärztin erledigt Köppel­-Klepp im Homeoffice, außerdem bietet ihr die Wahlarztordination eine gewisse zeitliche Flexibilität. Diese beiden Faktoren erklären zumindest zum Teil, wie sie, die sich selbst auch als ungeduldig charakterisiert, neben den beiden Kindern all ihre beruflichen Aktivitäten schafft. „Zeit findet sich“, lautet ihr lapidarer Kommentar dazu. „Ich stehe um sechs Uhr auf – da bleiben bis Mitternacht genügend Stunden.“ Beide Kinder gehen ins Gymnasium, ihr Vater übernimmt ebenfalls einen Teil der Betreuung und die Familie ist ein eingespieltes Team. „Wenn ich mich in der Mittagspause für eine halbe Stunde aufs Sofa lege, respektieren die Kinder diese Auszeit.“ Auch die junge Labradorhündin, die ihre Familie seit vergangenem Juli begleitet, schweißt diese zusammen und sorgt dafür, dass die Bewegung im Freien nicht zu kurz kommt. Was für Köppel­-Klepp als Ausdauersport­begeisterte Halbmarathonläuferin nicht unwesentlich ist.

Wie viele der Pandemie müde Menschen plant auch sie ein Leben „danach“, in dem sie viel reisen möchte, körperlich fit bleiben – und weiterhin mit derselben Leidenschaft ihrer Arbeit nachgehen. Aber auch für die Facebook­Gruppe wünscht sie sich eine Zukunft – falls dies von den Mitgliedern gewünscht ist. „Es werden uns weiterhin neue und alte Erkrankungen beschäftigen und der Austausch über aktuelle medizinische Fragestellungen wäre schön. Ich warte ab, wie es sich entwickelt.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2021