Kommentar Lukas Stärker: Zukunft: Neue Zeiten – neue Impulse

15.12.2021 | Politik

Um die Zukunft mitgestalten zu können, bedarf es neuer innovativer Impulse. Ein Verschließen der Augen vor der Realität, das Beharren von politischer Seite auf nicht mehr zeitgemäßen (Macht-) Strukturen oder bloßes Herumlamentieren sind hierbei nicht hilfreich. Was es braucht, sind innovative Lösungsansätze.
Lukas Stärker*

Innovative Lösungen

Die Zeit schreitet fort, innovative Lösungsansätze sind gefragt, insbesondere muss die Attraktivität des Verbleibens im Solidarsystem gesteigert werden. Hierzu erforderlich ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen, sodass das Gesamtpaket „ärztliches Tätigwerden in Österreich“ attraktiver wird und bleibt.

Hierzu zählen neben einem „sich der Realität stellen“
1. die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch ausreichende Personalausstattung im ärztlichen Bereich sowie im Pflegebereich, um die zunehmende Arbeitsverdichtung zu stoppen und die für die Versorgung der österreichischen Bevölkerung relevante Ärztezahl im Land zu halten. Die dafür notwenigen Finanzmittel müssen es uns wert sein;
2. ein neuer „Dienstgeber-Mindset“, beginnend beim Recruiting: Statt erwarteter Dankbarkeit, dass man überhaupt einen Job besetzt hat, gehört aktiv auf Ärzte zugegangen – „take it or leave it“ gehört der Vergangenheit an;
3. nachhaltige Personalplanung und –nachbesetzung, wo u.a. bevorstehende zu erwartende Pensionierungen berücksichtigt werden;
4. die Etablierung einer Unternehmenskultur der Wertschätzung und des Respekts;
5. ein fixer Beginn und ein klar abschätzbares Ende der Arbeitszeit, damit einer Planbarkeit der Dauer des Tätigwerdens in Krankenanstalten gewährleistet ist und laufende ad hoc-Anordnung von Überstunden ausgeschlossen wird;
6. familienfreundliche Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern;
7. eine Reduzierung der Administrativbelastung – weniger aktive Dokumentationsarbeit und mehr Zeit für ärztliche Tätigkeiten;
8. attraktive Teilzeitmodelle mit verschiedenen Arbeitszeitausmaßen und unterschiedlich langen, individuell anpassbaren Tagesarbeitszeiten;
9. Nachtdienste ab einem gewissen Alter nur noch auf freiwilliger Basis – samt entsprechender Arbeitszeitmodelle;
10. kein subtiler Druck von Dienstgeberseite hinsichtlich langer Arbeitszeiten oder opt out Unterzeichnung;
11. Wegfall von Nebenbeschäftigungsbeschränkungen sowie at-traktive Alternativangebote im Haus;
12. die Etablierung und Akzeptanz sogenannter „Beidbeiner-Modelle“, die ein ärztliches Tätigwerden sowohl im Dienstverhältnis als auch freiberuflich ermöglichen;
13. das klinisch praktische Jahr für die Medizinstudenten so attraktiv gestalten, dass diese danach im jeweiligen Spital den Turnus beziehungsweise die Facharztausbildung absolvieren möchten, d.h. vom Ärztenachwuchs als „guter Arbeitgeber“ wahrgenommen werden;
14. ein ausbildungsadäquater, qualifikationsgemäßer Einsatz der Jugärztinnen und Jungärzten;
15. Zeit für ärztliche Ausbildner als Investition in die Zukunft sehen und bereitstellen;
16. Ärzte vom privaten Bereich in das Solidarsystem zurückholen durch attraktive Kassenvertragsgestaltung und ein modernes, einfach zu administrierendes Honorierungssystem;
17. spezielle Zulagen für Tätigkeiten in bestimmten Bereichen, u.a. in Spitalsambulanzen, bei der Ausbildung und in dislozierten Einheiten (Anfahrtszeit als Arbeitszeit);
18. Zukunftsperspektiven für ein Tätigwerden im öffentlichen Dienst;
19. der Entfall von unattraktiven Befristungen von Dienstver-trägen;
20. zu hohe Hausanteile kürzen, besonders in Systemen, wo neue Primarärzte die Anteile der nachgeordneten Ärzte schmälern können.

Diese unvollständige Auflistung an Attraktivierungsmöglichkeiten möge die Grundlage für ein zukünftiges Agieren der Krankenanstaltenträger und Dienstgeber zur Attraktivitätssteigerung sein. Gehen wir es an!

*) Doz. (FH) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2021