Interview: Unverständlicher Wunsch

11.10.2021 | Politik

Der Wunsch der Bundesländer nach mehr Einfluss auf die Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich ist für Artur Wechselberger, Leiter des ÖÄK-Referats für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin, unverständlich, wie er im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner erklärt.

Der Wissenschaftliche Beirat der ÖQ-MED, arbeitet gerade an der neuen Qualitätssicherungs-Verordnung. Wie ist der aktuelle Stand? Die Überarbeitung der Qualitätssicherungs-Verordnung im Wissenschaftlichen Beiratbedarf einer intensiven Vorbereitung: Sowohl die Geschäftsführung der ÖQ-MED und deren Mitarbeiter und auch die Vorsitzende Frau Dr. Karin Eglau von der Gesundheit Österreich GmbH haben diese geleistet. Schon im Sommer wurden die Vorschläge der verschiedenen Interessensgruppen, die im Wissenschaftlichen Beirat vertreten sind, eingeholt und sondiert: Was ist neu und was sind eigentlich nur formale Änderungen? Das wird in einem Papier, einer Synopse von Bestehendem und Neuem, zusammengefasst und jeder Punkt, der eingebracht wird, wird dann im Beirat diskutiert: Welche Auswirkungen hat eine neue Maßnahme auf die Evaluierung? Bringt sie tatsächlich eine Verbesserung der Qualität in den Ordinationen? Führt sie zu mehr Transparenz in der Qualitätsarbeit oder aber ist es im Hinblick auf den Aufwand, den die Ordinationen betreiben müssen und den Output eine überschießende Regelung? Ziel ist es, eine möglichst gemeinsame Lösung zu finden.

Wird es diese Lösung geben? Wir sind momentan auf einem guten Weg. Der Idealfall ist natürlich, dass es am Ende ein einstimmiges Ergebnis des Wissenschaftlichen Beirats gibt. Das wäre ja das Ziel, dass man sagen kann: Alle, die in diesen Prozess eingebunden sind, alle Vertreter der Stakeholder, finden sich mit ihren Vorschlägen in dieser Verordnung wieder und können sich erwarten, dass es zu einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung in den Ordinationen kommt. Nachdem es ja um wesentliche qualitätssichernde Grundsätze und die Umsetzung dieser Grundsätze geht, muss man versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden und das gelingt, glaube ich, sehr gut.

War das Procedere auch in den vergangenen Jahren überwiegend konstruktiv? In dem Zeitraum, den ich überblicke, war die Arbeit von Sachdiskussionen geprägt. Das ist bemerkenswert, dass gerade Vertreter von Institutionen, die sonst in ihren gesundheitspolitischen Vorstellungen oft unterschiedlicher Meinung sind, sich im Wissenschaftlichen Beirat auf die gemeinsame Sacharbeit konzentrieren und diese in den Vordergrund stellen.

Wie erklären Sie sich, dass die Zusammenarbeit bis jetzt immer funktioniert hat? In diesem Gremium arbeiten Experten als Vertreter der verschiedenen Institutionen von der GÖG, vom Bund, der Wirtschaftskammer, den Bundesländern, der Sozialversicherung, der Patientenvertretung bis hin zu Ärzte-Vertretern zusammen. Hier gibt es kein politisches Hick-Hack der sich gegenübersitzenden Institutionen, sondern es geht ausschließlich um Sacharbeit. Das Gesetz gibt vor, dass alle, die Verantwortung für eine funktionierende Gesundheitsversorgung im niedergelassenen Bereich tragen, auch Vertreter im Wissenschaftlichen Beirat haben und an der Qualitätsverbesserung mitarbeiten. Ich sehe keinen Bedarf, dass Vertreter weiterer Institutionen hier vertreten sein sollen. Eine Aufblähung des Gremiums würde keinen Mehrwert bringen. Auch eine Reduktion auf die Vertreter der Bundeszielsteuerung wäre nicht sachgerecht. Schließlich waren die Mehrheitsverhältnisse
im Wissenschaftlichen Beirat schon immer so, dass er nicht von
Ärzte-Vertretern dominiert werden kann.

Jetzt gibt es Bestrebungen für eine Neu-Organisation der ÖQMED. Können Sie das nachvollziehen? Es ist für mich absolut unverständlich. Wir hatten in den letzten Jahren mit den Vertreterinnen der GÖG wie etwa Frau Kernstock oder Frau Dr. Piso und jetzt Frau Dr. Eglau ausgezeichnete Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats. Sie beschäftigen sich in der GÖG professionell mit Qualitätsfragen im Gesundheitswesen und sind daher prädestiniert für diese Tätigkeit. Und sie bringen sehr viel von dieser Sachkompetenz in den Wissenschaftlichen Beirat ein, den sie dann natürlich auch dementsprechend steuern und leiten. Es gelang ihnen gut, das, was als wissenschaftliche Grundlage in der GÖG erarbeitet wurde, auf den Wissenschaftlichen Beirat zu übertragen. Nicht zuletzt die Kompetenz, die hier die Führung einbringt, führt auch dazu, dass die Experten der anderen Interessensvertretungen diese Sprache verstehen und letztlich bei der Beschlussfassung auch entsprechend agieren.

Dem Vernehmen nach sind es die Bundesländer, die auf eine Änderung der Struktur pochen. Ich befürchte, dass viele von denen, die in den Bundesländern nach Veränderung rufen, nicht realisiert haben, dass sie im Wissenschaftlichen Beirat immer schon sehr prominent vertreten waren. Man hat bisweilen den Eindruck, als ob das für sie Neuland wäre und als ob sie die Informationen des Vertreters der Verbindungsstelle der Bundesländer nicht gelesen hätten. Für mich ist es auch völlig unverständlich, warum von dieser Seite plötzlich so massive Wünsche nach Einfluss auf den niedergelassenen Versorgungsbereich kommen. Bisher war es immer so, dass die niedergelassene Versorgung in den Ordinationen eine Domäne der Sozialversicherung und des Gesundheitsministeriums war. Die Länder, die jetzt so auf eine Änderung drängen, sollten die Protokolle des wissenschaftlichen Beirats aus den letzten Jahren studieren und dann sehen sie ja, was von ihrer Seite ohnehin bisher schon eingebracht und umgesetzt wurde.

Ist eine Neu-Organisation dieses Gremiums notwendig?

Nein. Für mich stellt sich hier grundsätzlich die Frage: Wenn ein neues wissenschaftliches Gremium die Grundlagenarbeit übernimmt: Wer sollte in einem solchen Gremium vertreten sein? Und die zweite Frage: Wie wollen die Bundesländer die Mehrheitsverhältnisse ändern? Es wird ja nicht gehen, dass dann ausschließlich die Länder das Sagen haben. Schließlich soll der wissenschaftliche Beirat ja weiterhin ein Expertengremium aller Stakeholder bleiben. Und für den operativen Bereich: Ich wüsste nicht, welche Institution besser arbeiten könnte. Die Ärztekammer stellt mit der ÖQMED eine schlagkräftige und hochprofessionelle Organisation, die die Vorbereitung der Gremien und die Umsetzung ihrer Beschlüsse zur Zufriedenheit aller durchführt.


Wissenschaftlicher Beirat

Im wissenschaftlichen Beirat der ÖQMED sind folgende Institutionen vertreten: Gesundheit Österreich GmbH (GÖG; hat den Vorsitz), Gesundheitsministerium, Verbindungsstelle der Bundesländer, Dachverband der Sozialversicherungsträger, Vertreter der Patienteninteressen, Vertreter der Bundessektionen Allgemeinmedizin sowie jener der Fachärzte, Bundeskurie niedergelassene Ärzte, Österreichische Akademie der Ärzte, ÖÄK (als Gesellschafter der ÖQMED), Medizinische Universitäten, Bundesarbeitskammer und Interessensvertretung der privaten Krankenanstalten.

Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats ist es, Vorgaben zu erstellen, welche Inhalte und welche Form die Ordinationsevaluierungen haben. Der Evaluierungsbeirat– das zweite Gremium der ÖQMED – begleitet die Umsetzung der Evaluierung der Ordinationen im niedergelassenen Bereich in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern.

Der wissenschaftliche Beirat tagt – in Abhängigkeit von den anstehenden Aufgaben – mindestens zwei Mal pro Jahr. Aktuell berät der wissenschaftliche Beirat die notwendigen Änderungen für die Evaluierungen im Folgezyklus. Die rechtliche Grundlage dafür, die Qualitätssicherungs-Verordnung, soll Ende 2022 vorliegen.

Vom wissenschaftlichen Beirat kommen auch die Vorgaben für die Erstellung der Qualitätssicherungs-Verordnung, die von der Österreichischen Ärztekammer erlassen wird und die die Grundlage für die Ordinations-Evaluierungen darstellt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2021