Corona-Virus: Ärzte bereit für Auffrischungsimpfungen

27.09.2021 | Coronavirus, Politik

Österreichs Ärztinnen und Ärzte sind bereit für die Corona-Auffrischungsimpfungen – gemäß den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums.

Wir Ärztinnen und Ärzte stehen bereit für die Corona-Auffrischungsimpfungen und spielen auch weiterhin bei allen Corona-Impfungen eine zentrale Rolle“, sagt Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK, anlässlich des Beschlusses der aktuellen Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums. „Das gilt sowohl für Impfstraßen und Checkboxen, als auch ganz besonders für Arztpraxen. Dort können wir zusätzlich mögliche Bedenken von Patienten ausräumen und gegebenenfalls Menschen, die aus anderen Gründen zu uns kommen, aktiv zum Impfen animieren.“ Vertrauensärzte, so Steinhart, kennen nun einmal ihre Patienten, sie wissen nicht nur um deren mögliche Vorbehalte gegenüber Impfungen, sondern auch, wer relevante Risikofaktoren und Vorerkrankungen hat und deshalb für die Auffrischungsimpfung – je nach Impfstoff die zweite oder dritte – in Betracht kommt.

Inzwischen wurden zwischen der Ärztekammer und dem Gesundheitsministerium auch die Ärztehonorare für Impfstraßen und Checkboxen von 150 Euro pro Stunde sowie von 20 Euro pro Impfung in Arztpraxen vereinbart. Diese seien, so Steinhart, „der Komplexität des Impfens und der dafür erforderlichen Expertise angemessen.“

Die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) zur Auffrischungsimpfung beruhen, so heißt es in den aktuellen Anwendungsempfehlungen, „vorwiegend auf theoretischen Überlegungen und einer derzeit begrenzten Datenlage“. Es handelt sich dabei um einen „Off-Label-Use“, eine Anwendung von Impfstoffen außerhalb von deren eigentlichem Zulassungsbereich.

Studiendaten als Basis

Selbstverständlich basieren die NIG-Empfehlungen zur Corona-Auffrischungsimpfung auf Studiendaten. Priv. Doz. Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie der Medizinische Universität Wien und Mitglied des NIG, zitiert Studienergebnisse aus England und Israel, die zeigen, dass bei Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter sowie bei Geimpften mit bestimmten Vorerkrankungen beziehungsweise Immunsuppression die Schutzwirkung gegen die Delta-Variante nicht in allen Fällen neun Monate lang in vollem Ausmaß aufrechterhalten wird.

Gleichzeitig wurde aber in diesen Studien auch deutlich, dass durch Drittimpfungen Infektionen, Impfdurchbrüche und damit einhergehende Hospitalisierungen verringert werden können. „In Österreich liegt die Zahl der symptomatischen Impfdurchbrüche bei vier Prozent aller vollständig Geimpften, was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass 96 Prozent der Geimpften eben keine klinischen Symptome aufweisen, also gesund sind“, so Redlberger-Fritz. „Von den mehr als fünf Millionen Geimpften in Österreich wurden 215 – das sind 0,13 Prozent – wegen COVID hospitalisiert. Diese Zahlen zeigen sehr eindrucksvoll, dass die Impfung hochwirksam ist.“

Für die dritte Impfdosis – beziehungsweise die zweite Dosis bei initialer Immunisierung mit der einteiligen COVID-19-Vakzine von Janssen – soll gemäß NIG-Empfehlungen ein mRNA-Impfstoff (Comirnaty oder Spikevax) verwendet werden, unabhängig davon, welches Produkt (mRNA- oder Vektor-Impfstoff) im Rahmen der primären Impfserie verabreicht wurde. Bei heterolog geimpften Personen soll ebenfalls als dritte Impfung ein mRNA-Impfstoff verwendet werden. „Diese Empfehlung ist zum einen pragmatisch darin begründet, dass mRNA-Impfstoffe in Österreich leichter verfügbar sind. Und zum anderen darin, dass wir derzeit noch keine ausreichenden Daten dazu haben, wie oft Vektorimpfstoffe verabreicht werden können. Daten wie oft man boostern kann, bevor die Vektorimmunität gegen den Adeno-Vektor eine Rolle spielt, liegen derzeit noch nicht vor“, sagt Redlberger-Fritz.

Die Anwendungsempfehlungen des NIG, so Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der ÖÄK, sind „für die Ärztekammer verbindlich und strikt einzuhalten“: „Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die Mitglieder des NIG hochwissenschaftliche, seriöse Arbeit leisten und dem entsprechende Empfehlungen aussprechen. Es gibt also keinen guten Grund, gegenteilige Meinungen zu unterstützen.“ Jetzt gelte es, die Empfehlungen des NIG zügig und auf möglichst breiter Basis umzusetzen und, wenn immer nötig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein Antikörpertest, so Schmitzberger, sei im Übrigen untauglich für die Überprüfung des Impferfolges: „Eine Antikörperbestimmung zur Verifizierung des Serostatus“, so das NIG im Wortlaut, „soll nicht als Entscheidungsgrundlage für eine COVID-19-Impfung durchgeführt werden.“ Schmitzberger weiter: „Die Tabelle zur Priorisierung beim Drittstich wird derzeit revidiert. Für Ärzte bedeutet das konkret: dritte Impfung nach sechs bis neun Monaten bei jenen, die mit Astra Zeneca angeimpft sind, über 65-Jährige und jene mit Risikofaktoren. Für alle anderen nach neun bis zwölf Monaten.“

Seit der breiten Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen ist auch die Diskussion über eine allfällige Haftung von Ärzten für mögliche Impfschäden nicht abgerissen. Die Empfehlung einer „Off-label-Anwendung“ hat in der Ärzteschaft zu zusätzlicher Verunsicherung geführt. Was also tun? „Da es sich um einen Off-Label-Use handelt, müssen Impflinge über diese Tatsache explizit aufgeklärt werden,“, sagt Hon. Prof. Johannes Zahrl, Kammeramtsdirektor der ÖÄK. Ärztinnen und Ärzte sollten in für Laien verständlicher Form Patientinnen und Patienten darauf hinweisen, dass COVID-Impfungen erst seit recht kurzer Zeit eingesetzt werden und daher eventuell noch nicht alle Risiken und unerwünschten Wirkungen bekannt sind. Zahrl: „Diese Aufklärung sollte schriftlich dokumentiert werden.“ (siehe dazu auch Seite 18).

Insgesamt, so Zahrl, geben die positiven NIG-Empfehlungen Ärztinnen und Ärzten eine so gut wie absolute Sicherheit: „Ein Off-Label-Use, der sich im Rahmen der NIG-Empfehlungen bewegt, und bei dem es auch zu keinen Behandlungsfehlern wie zum Beispiel einem Übersehen von Kontraindikationen bei einem Patienten kommt, kann nicht zur Haftung durch Ärztinnen und Ärzten führen.“ Tatsächlich sei das Haftungsrisiko für Ärztinnen und Ärzte weitaus höher, wenn sie Patienten von Impfungen abraten, bei denen der individuelle Nutzen das individuelle Risiko klar überwiegt. „Sie können für Behandlungsfehler zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie von einer Impfung pflichtwidrig abraten oder die mit ihr verbundenen Risiken so übertrieben präsentieren, dass ein Patient in der Folge auf die Impfung verzichtet und später Schäden erleidet, die durch die Impfung verhindert worden wären“, so Zahrl. „Das gilt ganz besonders für vom Nationalen Impfgremium empfohlene Impfungen.


Die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums

Angesichts der neuen epidemiologischen Situation durch die Delta-Variante wird empfohlen,

  1. folgenden Risikogruppen eine weitere Dosis (impfstoffabhängig zweite oder dritte Dosis) in einem Zeitraum von frühestens sechs bis spätestens neun Monaten nach Abschluss der vollständigen Immunisierung zu verabreichen (off label):
    • Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten-, Pflege- und Seniorenwohnheimen
    • Personen im Alter von ≥ 65 Jahren
    • Personen (ab zwölf Jahren unabhängig vom Alter) mit Vorerkrankungen und besonders hohem Risiko und hohem Risiko (Immunsupprimierte, etc.; in Tabelle 2 genannte Personengruppen der Priorisierung: COVID-19-Impfungen: Priorisierung des Nationalen Impfgremiums, Version 5.0 Stand: 31.05.2021; siehe auch COVID-19-Impfplan, Version: 31.8.2021)
    • Personen, die eine Dosis COVID-19-Vaccine Janssen erhalten haben
    • Personen, die zwei Dosen Vaxzevria erhalten haben
  2. allen Personen über 18 Jahren nach neun bis zwölf Monaten eine weitere Impfung zu verabreichen (off label). Dies gilt auch für folgende Personengruppen:
    • Personal in Alten-, Pflege- und Seniorenwohnheimen
    • Personal im Gesundheitsbereich
    • Personal in der mobilen Pflege, Betreuung, Krankenpflege und 24-Stunden-Pflege sowie pflegende Angehörige
    • Personal in pädagogischen Einrichtungen (Kinderbetreuung, Schule, Universität, etc.)
  3. Genesene, die eine Impfung erhalten haben, sollen wie vollständig geimpfte Personen angesehen und genauso wie unter 1) und 2) angeführt behandelt werden. Wenn genesene Personen bereits zwei Impfungen erhalten haben, ist derzeit bis auf weiteres keine weitere Impfung gegen COVID-19 notwendig.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 /25.09.2021