Blut­druck­ein­stel­lung: Zwei­fach­kom­bi­na­tion beim Start

25.01.2021 | Medizin


Die Detek­tion der Hyper­to­nie und auch die Errei­chung der Ziel­werte sind große Pro­bleme bei der Behand­lung der Hyper­to­nie. Neu ist bei den The­ra­pie­emp­feh­lun­gen, schon bei der unkom­pli­zier­ten Hyper­to­nie mit einer Zwei­fach­kom­bi­na­tion zu star­ten.
Laura Scher­ber

Wir haben sicher­lich ein gro­ßes Pro­blem hin­sicht­lich der Detek­tion der Hyper­to­nie und auch in Bezug auf das Errei­chen der Ziel­werte“, berich­tet Priv. Doz. Kath­rin Eller von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin in Graz. So erreicht nur weni­ger als die Hälfte der Öster­rei­cher, die an Hyper­to­nie lei­den, die gefor­der­ten Blut­druck-Ziel­werte. Gleich­zei­tig bleibt die Hyper­to­nie bei vie­len Men­schen unent­deckt. Wäh­rend man bei der am häu­figs­ten vor­kom­men­den gene­tisch beding­ten essen­ti­el­len Hyper­to­nie kei­nen kla­ren Aus­lö­ser finde, stehe bei der sekun­dä­ren Hyper­to­nie die Nie­ren­ar­te­rien­s­tenose an ers­ter Stelle. „Das Haupt­pro­blem ist, dass ein hoher Blut­druck nicht weh tut und daher die Gefahr, dass ein hoher Blut­druck über lange Zeit zu erheb­li­chen kar­dio­vas­ku­lä­ren Schä­den führt, ein­fach nicht erkannt wird“, erklärt Univ. Prof. Bruno Wat­schin­ger von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin III in Wien. Dies führe dazu, dass viele Men­schen zwar wüss­ten, dass sie einen hohen Blut­druck haben, jedoch nicht gut ein­ge­stellt seien oder ihre ver­schrie­be­nen Medi­ka­mente sogar teil­weise gar nicht ein­lös­ten. Wäh­rend man bei Schmer­zen durch­aus dazu ten­diere, Medi­ka­mente ein­zu­neh­men, fehle die­ses Bewusst­sein beim Blut­hoch­druck häu­fig, da man ihn selbst kaum wahr­nehme. Ähn­lich ver­hält es sich mit ande­ren Dia­gno­sen, die in der All­ge­mein­be­völ­ke­rung per se Angst-besetzt sind. „Eine onko­lo­gi­sche Erkran­kung asso­zi­iert man immer mit dem Schlimms­ten – also mit dem Tod – und obwohl der Blut­druck als kar­dio­vas­ku­lä­res Pro­blem eine höhere Mor­ta­li­tät hat als jeder Tumor wird das von den Men­schen nicht wahr­ge­nom­men“, hebt Wat­schin­ger her­vor. Nicht immer bliebe natür­lich genug Zeit für ein aus­führ­li­ches Arzt-Pati­en­ten-Gespräch, wes­halb der Eigen­ver­ant­wort­lich­keit des Pati­en­ten eine wich­tige Rolle zukäme. 

Je nach den Rah­men­be­din­gun­gen der Blut­druck­mes­sung wer­den der­zeit unter­schied­li­che Blut­druck-Ziel­werte emp­foh­len. „In der Ordi­na­tion gel­ten ten­den­zi­ell höhere Ziel­werte als bei der Heim­blut­druck­mes­sung oder einer auto­ma­ti­schen Mes­sung, ohne dass ein Arzt oder das Pfle­ge­per­so­nal anwe­send ist“, führt Eller aus. Gemäß dem Öster­rei­chi­schen Blut­druck­kon­sens 2019 sollte der Office-Blut­druck bei 130/​80 mm Hg, der Blut­druck der Selbst­mes­sung bei 125–129/70–75 mm Hg und der der unbe­ob­ach­te­ten auto­ma­ti­schen Office-Mes­sung bei 120–125/70 mm Hg lie­gen. „Wir emp­feh­len, dass man sich vor der Blut­druck­mes­sung in Ruhe hin­setzt, einer beru­hi­gen­den Tätig­keit wie Lesen nach­geht und erst nach circa zehn Minu­ten den Blut­druck misst“, erklärt die Exper­tin. Auch zu Hause soll­ten Pati­en­ten für die Blut­druck­mes­sung ein Ober­arm­mess­ge­rät ver­wen­den, da Hand­ge­lenks­mess­ge­räte auf­grund ihrer Mess­un­ge­nau­ig­keit nicht mehr emp­foh­len werden.

Unkom­pli­zierte Hyper­to­nie: neue Empfehlung

Die medi­ka­men­töse Stan­dard­the­ra­pie hat sich in den letz­ten Jah­ren nicht wesent­lich ver­än­dert. „Neu ist die Emp­feh­lung, dass man bei einer unkom­pli­zier­ten Hyper­to­nie gleich mit einer Zwei­fach­kom­bi­na­tion star­tet und sie je nach Kom­or­bi­di­tä­ten des Pati­en­ten ent­spre­chend anpasst“, erklärt Eller. Dabei setze man einen ACE-Hem­mer oder Angio­ten­sin-Rezep­tor­blo­cker in Kom­bi­na­tion mit einem Diure­ti­kum oder einem Kal­zium-Kanal­blo­cker ein. Wer­den die Ziel­werte mit die­ser Zwei­fach­kom­bi­na­tion nicht erreicht, strebt man eine Drei­fach­kom­bi­na­tion aus ACE-Hem­mer oder Angio­ten­sin-Rezep­tor­blo­cker plus Diure­ti­kum plus Kal­zium-Kanal­blo­cker an. Reicht auch das nicht aus, stel­len das Reserve-Anti­hy­per­ten­si­vum oder das Spi­ro­no­lac­ton zusätz­li­che Optio­nen das. Bei spe­zi­el­len Indi­ka­tio­nen kön­nen Beta­blo­cker in jeder Stufe dazu­ge­ge­ben wer­den. „Angina pec­to­ris, koro­nare Herz­krank­heit, Vor­hof­flim­mern, Herz­in­suf­fi­zi­enz oder Zustand nach einem Myo­kard­in­farkt sind Indi­ka­tio­nen, bei denen man schon früh­zei­tig mit einem Beta­blo­cker begin­nen sollte“, resü­miert die Exper­tin. Und auch in der Schwan­ger­schaft seien Beta­blo­cker auf­grund ihrer guten Ver­träg­lich­keit früh ein­setz­bar. Die Kom­bi­na­tion eines ACE-Hem­mers mit einem Angio­ten­sin-Rezep­tor­blo­cker werde hin­ge­gen nicht mehr emp­foh­len, da Stu­dien gezeigt hät­ten, dass es damit ver­mehrt zu einem aku­ten Nie­ren­ver­sa­gen käme. Bei einer kom­pli­zier­ten Hyper­to­nie, wenn spe­zi­elle Kom­or­bi­di­tä­ten wie Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz oder Dia­be­tes mel­li­tus vor­lie­gen oder wenn es mit den Medi­ka­men­ten nicht funk­tio­niert, ist eine Über­wei­sung an den Spe­zia­lis­ten notwendig. 

„Wich­tig ist, die Ziel­werte zu errei­chen und das ist in den meis­ten Fäl­len nur mit einer medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie mög­lich“, weiß Wat­schin­ger. Wie man das Ziel erreicht, sei eigent­lich nicht so wich­tig, da die emp­foh­le­nen Medi­ka­mente alle wirk­sam seien. Nicht medi­ka­men­töse Begleit­maß­nah­men sind eine wich­tige Unter­stüt­zung und kön­nen in sel­te­nen Fäl­len bei sehr mil­den Hyper­to­nie­for­men die Blut­druck­werte selbst­stän­dig in den Norm­be­reich sen­ken. Durch Lebens­stil-asso­zi­ierte Maß­nah­men wie kör­per­li­che Akti­vi­tät, Gewichts­re­duk­tion bei Über­ge­wicht, nicht zu rau­chen und salz­arm zu essen kön­nen die Medi­ka­mente bes­ser wir­ken. Die gefor­derte Salz­re­duk­tion auf fünf Gramm pro Tag errei­chen die meis­ten Pati­en­ten laut Eller aller­dings erst gar nicht. Gerade bei jun­gen Pati­en­ten sei es außer­dem wich­tig, das Vor­lie­gen einer sekun­dä­ren Hyper­to­nie umfas­send abzu­klä­ren. Wenn jemand erhöhte Blut­druck­werte hat, sollte man Wat­schin­ger zufolge mit dem Beginn der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie nicht lange abwar­ten, unab­hän­gig davon, ob der Pati­ent sei­nen Lebens­stil umstellt oder nicht. „Es ist schade, wenn man Jahre oder Monate ver­passt, das Gefäß­sys­tem durch einen nied­ri­ge­ren Blut­druck schon viel frü­her und bes­ser schüt­zen zu kön­nen“, resü­miert der Experte.

Kom­bi­na­ti­ons­prä­pa­rate ver­ein­fa­chen Einnahme

Die Medi­ka­men­ten­ein­nahme sollte in der täg­li­chen Rou­tine fest ver­an­kert sein, betont Wat­schin­ger. „Die täg­li­che glei­che Ein­nahme erleich­tert es den Pati­en­ten und ver­bes­sert erfah­rungs­ge­mäß die Ein­nah­me­treue, da man sich sonst manch­mal nicht sicher ist, ob man die Tablette bereits ein­ge­nom­men hat oder nicht“, weiß der Experte. Außer­dem kann der Ein­satz von Kom­bi­na­ti­ons­prä­pa­ra­ten die Ein­nahme ver­ein­fa­chen. Denn je mehr Tablet­ten man pro Tag ein­neh­men muss, desto höher ist auch die Wahr­schein­lich­keit, dass man wel­che ver­gisst oder sie nicht rich­tig ein­nimmt. Gleich­zei­tig ist es wich­tig, sich aus­rei­chend Zeit für das Arzt-Pati­en­ten-Gespräch zu neh­men und das Ver­ständ­nis der Pati­en­ten für die Dring­lich­keit der Blut­druck­kon­trolle zu erhö­hen. „Der Pati­ent muss ver­ste­hen, dass er hier etwas für die Zukunft tut und seine Zukunft dadurch selbst in die Hand nimmt und sich schützt“, hebt Wat­schin­ger her­vor. Das Ver­ständ­nis sei grund­le­gend wich­tig, da die Vor­aus­set­zung für eine gute Com­pli­ance sei, dass man wisse, warum man etwas mache. „Ebenso wie die Pati­en­ten soll­ten auch wir als Behan­delnde den Blut­druck ernst neh­men, da Pro­bleme wie Schlag­an­fall, Herz­in­suf­fi­zi­enz, Herz­in­farkt, Nie­ren­pro­ble­men alle als Haupt­fak­tor den zu hohen Blut­druck haben“, betont Wat­schin­ger abschließend. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.01.2021